Die zunehmende Digitalisierung und Technologisierung im Gesundheitswesen bringt immer wieder innovative Lösungen hervor, welche die Qualität der Patientenversorgung und die Möglichkeiten der präventiven Betreuung verbessern. Eine der spannendsten Entwicklungen der letzten Jahre stellt die Integration von sensortechnologischen Systemen in Textilien dar. Diese sogenannten smarten Textilien eröffnen ganz neue Perspektiven für die Gesundheitsüberwachung. Eine besonders vielversprechende Innovation in diesem Bereich ist das intelligente akustische Textil, das nicht nur Sensorik mit Textilfasern vereint, sondern durch den Einsatz von Schallwellen völlig neue Wege zur Erfassung physiologischer Parameter beschreitet. Das akustische Smart Textile basiert auf einem System, das winzige Glassfasern in Alltagskleidung integriert.
Diese Glasfasern fungieren als akustische Wellenleiter, die Schallwellen leiten und auf externe Einflüsse reagieren. Piezoelektrische Transducer, sogenannte PZTs, sind an beiden Enden dieser Fasern angebracht und fungieren als Sender beziehungsweise Empfänger der Schallwellen. Diese Wellen verändern ihre Eigenschaften, insbesondere ihre Amplitude und Energie, wenn sie durch Berührungen, Druck oder Biegungen beeinflusst werden. Auf diese Weise kann das textile System stimuli wie Berührung und Bewegung erfassen und in elektrische Signale umwandeln, welche für eine gesundheitliche Analyse genutzt werden können. Die Technologie zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf einem gut erforschten Material basiert – Glasfasern – das bereits in der Industrie verwendet wird und sich durch eine hohe Flexibilität, mechanische Stabilität sowie thermische Widerstandsfähigkeit auszeichnet.
Zudem ist sie atmungsaktiv und fügt sich nahtlos in textile Trägersysteme ein, was hohen Tragekomfort sicherstellt und die Integration in Alltagskleidung erleichtert. Im Gegensatz zu manchen anderen smarten Textilien, die auf seltene oder potenziell toxische Materialien zurückgreifen, ist dieses akustische Textil sicher, langlebig und besitzt zugleich ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein entscheidender Vorteil des akustischen Ansatzes liegt in der Frequenzselektivität der verwendeten Schallwellen. Durch das Zuweisen unterschiedlicher Frequenzen an verschiedene Faserkanäle lassen sich Mehrfachsensoren in einem Netzwerk betreiben, ohne dass es zu signalüberlagernden Störungen kommt. Diese Technik, die in der Telekommunikation als Frequency Division Multiple Access (FDMA) bekannt ist, ermöglicht nicht nur eine deutliche Reduktion der benötigten Sensoren, sondern auch eine effiziente Datenverarbeitung mittels Frequenzbereichsanalyse, häufig basierend auf dem Fast Fourier Transform (FFT)-Algorithmus.
Dadurch ist das System auch bei hoher Sensordichte skalierbar, was es für komplexe Anwendungen wie tactile Arrays und Gestenerkennung prädestiniert. Konkrete Anwendungsmöglichkeiten der akustischen Smart Textilien sind breit gefächert. Im Bereich der Bedienung von Geräten und Mensch-Maschine-Schnittstellen lassen sich Handgesten präzise erkennen, indem die Bewegung einzelner Finger über die Veränderungen im Schallwellensignal erfasst wird. Spezielle Handschuhe, sogenannte SonoGloves, nutzen mehrere Glasfasern entlang der Finger, um eigenständig und gleichzeitig Winkeländerungen eines jeden Gelenks zu überwachen. Damit eröffnen sie eine innovative Möglichkeit, beispielsweise in der Gebärdensprachenerkennung, Rehabilitation bei neurologischen Erkrankungen oder in der virtuellen Realität eine intuitive Steuerung zu ermöglichen.
Darüber hinaus bietet das akustische Textil vielversprechende Perspektiven für die Überwachung lebenswichtiger Gesundheitsparameter. So kann ein in ein eng anliegendes Kleidungsstück integrierter Glasfaserkontakt die Muskelkontraktion erfassen, indem er die Zunahme des Drucks und der Biegung während der Anspannung misst. Diese Daten können sowohl in der Physiotherapie als auch im Spitzensport für eine Echtzeit-Analyse des Muskelzustands genutzt werden. Ein weiteres Beispiel ist die Erfassung der Atmungsfrequenz durch Messung der auf dem Bauch oder Brustkorb stattfindenden Frequenzveränderungen der akustischen Signale. Die Smart Textilien erfassen sehr sensitiv sowohl normale Atemmuster als auch abweichende Atemfrequenzen, die auf Atemwegserkrankungen oder andere gesundheitliche Zustände hinweisen können.
Technisch gesehen basiert das akustische Smart Textile auf einem einfachen, aber genialen Prinzip: Die akustischen Signale, die durch die Glasfasern geleitet werden, sind äußerst anfällig gegenüber Veränderungen durch äußere mechanische Kräfte oder Berührungen. Wenn beispielsweise eine Person das Kleidungsstück berührt oder der Körper sich bewegt, verändern sich der Druck und die Biegezyklen der Glasfasern. Diese Veränderungen sorgen für eine signifikante Dämpfung der Schallwellen, was in einer messbaren Abnahme der empfangenen Signalintensität resultiert. Neben den einfachen Messungen mit einem einzelnen Übertragungs- und Empfangspunkt (Single-Input-Single-Output-System - SISO) kommen bei komplexeren Anwendungen Architekturtypen mit mehreren Eingängen und einem Ausgang (Multi-Input-Single-Output - MISO) zum Einsatz. Hierbei werden verschiedene Fasern mit unterschiedlichen Frequenzen angeregt und die Signale an einem einzigen Empfänger ausgewertet, was die Systemkomplexität und die Anzahl der elektrischen Verbindungen stark reduziert.
Eine der Herausforderungen bei der Entwicklung smarter Textilien mit integrierten Sensoren ist stets die Kombination von Flexibilität, Beständigkeit und Komfort. Der Einsatz von Glasfasern als akustische Wellenleiter bietet hier messbare Vorteile. Diese Fasern sind nicht spröde, sondern flexibel genug, um sich den Bewegungen des Körpers anzupassen, ohne zu brechen. Gleichzeitig sind sie widerstandsfähig gegenüber Temperatureinflüssen und Feuchtigkeit, die beim Tragen und Waschen natürlich auftreten. Dies sichert eine lange Lebensdauer der Kleidungsstücke und deren Funktionalität, was im medizinischen Bereich besonders wichtig ist.
Darüber hinaus basiert das System auf handelsüblichen Komponenten, darunter glasklare Mikrofasern und kostengünstige PZT-Transducer. Dadurch bleibt der Produktionsaufwand überschaubar und die Technik auch für den Massenmarkt und den täglichen Einsatz in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder sogar für Privatpersonen erschwinglich. Eine weitere Stärke ist die geringe benötigte Leistung, da die Piezoelektrizität auf einer hochfrequenten, aber energiesparenden Signalübertragung basiert, die für den Nutzer weder hörbar noch spürbar ist. Das datentechnische Herzstück des Systems sind moderne Signalverarbeitungsalgorithmen, die im Frequenzbereich arbeiten. Die Nutzung von FFT erlaubt es, aus einem komplexen Signal, das viele Frequenzanteile und Überschneidungen enthält, gezielt die relevanten Frequenzen zu extrahieren.
Dies verhindert, dass Signale einzelner Sensoren sich gegenseitig beeinflussen oder maskieren. Zudem sorgt die Frequenzsegmentierung für eine schnellere Echtzeitanalyse, welche essenziell für medizinische Anwendungen ist, die auf unmittelbare Rückmeldung angewiesen sind. Der zukunftsweisende Charakter dieser Technologie eröffnet viele weiterführende Einsatzfelder. Beispiele hierfür sind die Kombination mit haptischem Feedback, mit dem Benutzer nicht nur Daten empfangen, sondern auch taktil reagieren können. Ebenso sind die Verknüpfung mit Künstlicher Intelligenz zur Mustererkennung und Gesundheitsanalyse oder die Integration in drahtlose Kommunikationsnetzwerke denkbar, um kontinuierliche Überwachung auch außerhalb klinischer Umgebungen zu ermöglichen.