Mit dem spektakulären Zusammenbruch von FTX im November 2022 begann für die Krypto-Branche eine neue Ära der Unsicherheiten und Restrukturierungen. FTX war einst eine der größten und bekanntesten Kryptowährungsbörsen weltweit, deren plötzlicher Zusammenbruch nicht nur Anleger, sondern die gesamte Branche erschütterte. Ein wesentlicher Teil der laufenden Insolvenz- und Wiederherstellungsbemühungen der Firma konzentriert sich heute auf die Rückgewinnung von Vermögenswerten. Dabei nimmt FTX nun eine aggressive Haltung ein und hat Klagen gegen die NFT-Projekte NFT Stars und Delysium wegen nicht gelieferter Token eingereicht. Diese rechtlichen Schritte markieren eine neue Eskalationsstufe im Kampf um die Sicherung verbliebener Gelder für die Gläubiger und werfen ein Schlaglicht auf die Herausforderungen bei der Regulierung von Token-Investitionen und Blockchain-basierten Vermögenswerten.
Die Hintergründe der Streitfälle mit NFT Stars und Delysium zeigen exemplarisch die oft undurchsichtigen Verhältnisse im hochspekulativen NFT-Sektor und verdeutlichen die Notwendigkeit für strengere Vertragsdurchsetzung und rechtliche Klarheit. Laut den eingereichten Klageschriften zahlte FTXs Investmentzweig Alameda Ventures große Summen, um mithilfe von sogenannten Simple Agreements for Future Tokens (SAFTs) Rechte an bestimmten Token zu erwerben. Ziel war es, zu einem späteren Zeitpunkt diese Token geliefert zu bekommen, um sie entweder weiterzuverkaufen oder als Vermögenswerte innerhalb des Insolvenzverfahrens zu nutzen. Im Fall von Delysium, einem Blockchain-Projekt im Bereich Künstliche Intelligenz, wurden im Januar 2022 stolze eine Million US-Dollar für das Recht auf 75 Millionen AGI-Token bezahlt. Die Token wurden im April 2023 offiziell eingeführt und sollten im Verlauf eines vorab vereinbarten Vesting-Plans übertragen werden.
Allerdings behauptet FTX, dass Delysium den Vesting-Zeitraum eigenmächtig und erheblich von ursprünglich 12 auf 48 Monate verlängert habe, um die Übergabe der Token zu verzögern oder ganz zu verweigern. Dieser Schritt verletzt laut den Klagen die ursprünglichen Vertragsvereinbarungen und stellt eine bewusste Verletzung des Vertragsdarstellungs- und Treuepflichten dar. Zudem wurde in einer öffentlichen Discord-Nachricht von Delysium mitgeteilt, dass keine Token an FTX zugewiesen würden, was angesichts des Insolvenzstatus von FTX zusätzliche rechtliche Komplikationen mit sich bringt. Ähnlich problematisch gestaltet sich die Lage bei NFT Stars. Hier floss bereits im November 2021 eine Zahlung von 325.
000 US-Dollar für Rechte an 1,35 Millionen SENATE-Token sowie 135 Millionen SIDUS-Token. Trotz der vereinbarten Übertragungen stoppte NFT Stars nach der Beantragung des Insolvenzverfahrens durch FTX die Übergaben. Die Klagen beziffern die noch ausstehenden Token auf über 831.000 SENATE-Token und 83 Millionen SIDUS-Token, was einen beträchtlichen finanziellen Wert für die Insolvenzmasse darstellt. FTX weist darauf hin, dass NFT Stars damit nicht nur ihre vertraglichen Verpflichtungen bricht, sondern auch gegen das automatischen Vollstreckungsverbots (Automatic Stay) verstößt, welches den Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen während der Insolvenz vorsieht.
Auffallend ist auch die erfolglose obligatorische Versuchung der Streitgegner zur außergerichtlichen Einigung. So dokumentieren die Klageschriften mehrere Kontaktversuche von FTX und seinen Beratern zwischen Juni 2023 und September 2024, mit denen NFT Stars 15 Mal und Delysium 13 Mal aufgefordert wurden, die Angelegenheiten zu klären. Die ausbleibende Reaktion verstärkte letztlich die Notwendigkeit gerichtlicher Schritte. Die Klagen richten sich demnach nicht nur auf die Rückgabe der Token als Vermögenswerte, sondern fordern auch Schadensersatz sowie Sanktionen wegen Verstößen gegen die Insolvenzregelungen. Das Ziel von FTX ist klar: Dies ist ein Teil eines breit angelegten Recovery-Plans, mit welchem das Unternehmen jahrzehntelange Verpflichtungen gegenüber Gläubigern erfüllen will.
Der FTX-Insolvenzplan sieht vor, dass nach der ersten Auszahlung im Februar 2025 an Kleingläubiger mit Ansprüchen unter 50.000 US-Dollar im Mai eine weitere Runde mit größeren Schadensersatzklassen startet. Dabei werden nicht nur Kundenansprüche beglichen, sondern auch andere Gläubigergruppen, wodurch ein Gesamtvolumen von mehr als 16 Milliarden US-Dollar bewegt wird. Die juristischen Schritte gegen NFT Stars und Delysium sind deshalb nicht als isolierte Fälle zu verstehen, sondern als Teil einer konsequenten Durchsetzung von Rechten und offenen Forderungen seitens des Insolvenzverwalters. Diese Maßnahmen sollen klar signalisieren, dass die Einhaltung von Verträgen im Krypto- und NFT-Segment überprüft und im Zweifelsfall durchgesetzt wird – auch wenn es sich um technisch komplexe und neue digitale Vermögenswerte handelt.
Der Fall wirft wichtige Fragen zu den Risiken bei Investitionen in NFTs und Token auf und zeigt, wie kritisch eine genaue Dokumentation, transparente Kommunikation und die Beachtung rechtlicher Vorgaben für alle Beteiligten geworden sind. Zusätzlich verdeutlicht der Streit um nicht gelieferte Token das Spannungsfeld zwischen Blockchain-Technologie als innovativer Vermögenswert und den traditionellen rechtlichen Rahmenbedingungen. Gerade in der stark regulierten Insolvenzmasse ist die rigorose Sicherstellung von Vermögenswerten für die Befriedigung von Gläubigeransprüchen unabdingbar. Die FTX-Saga ist gleichzeitig ein mahnendes Beispiel für das disruptive Potenzial von Kryptowährungen und die Herausforderungen, die eine fehlende Standardisierung und Regulierung mit sich bringen. Außerdem unterstreicht die aktuelle Entwicklung die wichtige Rolle von Insolvenzverwaltern und Rechtsbeiständen, die sich in einem komplexen Umfeld von Recht, Technologie und Finanzdienstleistungen bewegen müssen.
Während der Gründer und einstige CEO Sam Bankman-Fried inzwischen aufgrund von Betrugs- und Verschwörungsanklagen zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde, gestaltet das neue Management auf Basis des Insolvenzplans die Neuausrichtung der Firma. Dabei setzen sie unter anderem auf die Einforderung ausstehender Forderungen wie jene gegen NFT Stars und Delysium, um eine möglichst umfassende Rückkehr der Investitionsgelder zu ermöglichen. Parallel dazu wird die gesamte Branche aufmerksam die Folgen dieser rechtlichen Auseinandersetzungen verfolgen. Es ist wahrscheinlich, dass weitere Klagen gegen weitere Tokenprojekte folgen werden, sollten diese nicht kooperativ an der Rückführung der Vermögenswerte mitwirken. Investoren sind also gut beraten, im NFT- und Tokenbereich bei Investitionen noch sorgfältiger zu prüfen, welche Vertragspartner und Token noch als liquide, vertragskonform und rechtlich geschützt gelten können.
Insgesamt verdeutlicht der Wettstreit um nicht gelieferte Token bei FTX die zunehmende Professionalisierung der Branche, aber auch die Notwendigkeit, regulatorische Grauzonen zu schließen. Nur so können langfristig faire und sichere Rahmenbedingungen geschaffen werden, die das Vertrauen in digitale Vermögenswerte und Blockchain-Technologie stärken und gleichzeitig den Schutz der Investoren gewährleisten.