Seit Jahrzehnten dominiert der US-Dollar souverän die globale Finanzwelt und gilt als unangefochtene Leitwährung. Diese Vormachtstellung geht zurück auf das Bretton-Woods-System von 1944, in dem weltweite Währungen an den Dollar gebunden wurden, der wiederum durch Gold gedeckt war. Trotz der Abschaffung des Goldstandards hat der Dollar seine zentrale Rolle behalten. Doch die Weltwirtschaft wandelt sich rasant und es stellt sich immer mehr die Frage, ob dieser Status quo auch in Zukunft Bestand hat – oder ob digitale Währungen, insbesondere Kryptowährungen, den Dollar eines Tages ablösen könnten. Die Dominanz des US-Dollars ist nicht nur wirtschaftlichen Faktoren geschuldet, sondern auch der politischen und militärischen Stärke der Vereinigten Staaten.
Die amerikanische Wirtschaft ist die größte der Welt, und ihr Einfluss erstreckt sich tief in internationale Finanzmärkte. Über 60 Prozent der globalen Devisenreserven sind in US-Dollar gehalten. Diese Akzeptanz beruht auf Vertrauen und Stabilität sowie auf der weiten Verbreitung des Dollars im internationalen Handel, bei Anleihen und Krediten. Dennoch zeigen aktuelle Entwicklungen, dass der Glanz des Dollars nachlässt, auch wenn dieser Trend langsam und mit vielen Unwägbarkeiten voranschreitet. Die Globalisierung und die wirtschaftliche Aufwertung anderer Staaten, besonders Chinas, stellen eine Herausforderung für die Vormachtstellung des Dollars dar.
Obwohl der chinesische Yuan stetig internationaler an Bedeutung gewinnt, hält er bislang nur einen kleinen Anteil an den weltweiten Währungsreserven. Das liegt zum Teil daran, dass China seine Finanzmärkte noch nicht vollständig liberalisiert hat und die politische Kontrolle darüber sehr strikt ist. Dennoch signalisieren viele Experten, dass der Dollar nicht ewig seine Spitzenposition behalten wird, wenn sich die weltwirtschaftlichen Machtverhältnisse weiter verschieben. Neben geopolitischen Veränderungen spielen auch technologische Innovationen eine immer größere Rolle. Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und jüngst der von Facebook initiierte Libra-Ansatz wecken Interesse als potenzielle Alternativen zu traditionellen Währungen.
Besonders Libra, das von einem großen privaten Konsortium unterstützt wird, zielt darauf ab, eine stabile und breit akzeptierte virtuelle Währung zu schaffen, die durch einen Korb verschiedener Währungen untermauert wird und somit die Volatilität reduziert, die viele Kryptowährungen bisher charakterisiert. Bank of England Gouverneur Mark Carney hat in internationalen Finanzkreisen angedeutet, dass die Zukunft in einer synthetischen hegemonen Währung liegen könnte – einem digitalen Zahlungsmittel, das nicht von einem einzelnen Staat, sondern von einem Netzwerk zentraler Banken gemeinsam getragen wird. Dieses Konzept könnte die Vorteile von Kryptowährungen mit der Stabilität und dem Vertrauen traditioneller Währungen verbinden. Es stellt gleichzeitig eine potenzielle Herausforderung für den US-Dollar dar, der bisher vom Privatsektor und den politischen Entscheidungsträgern eher als unverzichtbar gesehen wird. Eine der größten Hürden für Kryptowährungen besteht im Vertrauen.
Während der Dollar durch staatliche Institutionen, Gesetzgebung und politische Verantwortung gestützt wird, sind viele digitale Währungen dezentralisiert und unreguliert. Kritiker bemängeln, dass dadurch Risiken für die Stabilität und Sicherheit des Finanzsystems entstehen können. Prominente Stimmen wie der damalige US-Präsident Donald Trump haben Technologien wie Bitcoin und auch Libra öffentlich kritisiert und darauf hingewiesen, dass sie „auf Luft basieren“ und keinerlei echte Verlässlichkeit besitzen. Doch genau diese Kritik führt dazu, dass immer mehr Staaten und Zentralbanken selbst digitale Währungen entwickeln. Zentralbank digitale Währungen (CBDCs) werden getestet und teilweise auch bereits eingeführt.
Sie bieten die Vorteile digitaler Transaktionen, Mindestvolatilität und staatlicher Kontrolle. Könnte ein solches Konstrukt die klassische Währung verdrängen? Theoretisch ja, insbesondere wenn mehrere wichtige Länder sich auf eine gemeinsame digitale Währung – wie Carneys „Synthetic Hegemonic Currency“ vorschlägt – einigen. Der Dollar hat zudem große institutionelle Vorteile. Er ist tief in weltweite Verträge, Handelssysteme und Finanzinstrumente integriert. Zahlreiche Länder halten große Mengen Dollarreserven als Sicherheitsnetz, und viele Rohstoffe, etwa Öl, werden weltweit in US-Dollar gehandelt.
Änderungen in diesem System würden also massive Umwälzungen mit sich bringen und bedürfen umfassender globaler Kooperation. Libra und ähnliche Projekte zeigen zudem den Widerstand des Privatsektors gegenüber einer Dominanz von staatlichen Währungen. Facebooks Versuch, eine private digitale Währung zu etablieren, hat zentrale Banken weltweit alarmiert. Viele befürchten, dass solch mächtige Konzerne, wenn sie Währungsmonopole erlangen, den nationalen Fiskal- und Geldpolitiken schaden könnten. Diese Ängste haben die politischen Regulatoren veranlasst, strengere Kontrollen einzuführen und die Entwicklung von privaten Kryptowährungen zu bremsen.
Neben diesen politischen und wirtschaftlichen Überlegungen gibt es auch technologische Herausforderungen. Die Skalierbarkeit von Kryptowährungen, deren Energieverbrauch und die Frage der Privatsphäre sind Themen, die noch nicht vollständig gelöst sind. Diese Faktoren beeinflussen, ob Kryptowährungen tatsächlich als vollwertiger Ersatz für traditionelle Währungen weltweit akzeptiert werden können. Betrachtet man die Situation umfassend, dürfte sich der Dollar kurzfristig kaum von seinem Thron verdrängen lassen. Die politische Macht der USA, gepaart mit den tiefen Verflechtungen des Dollars in der globalen Wirtschaft, bieten starke Schutzfaktoren.
Dennoch wird sich das globale Währungssystem im Laufe der kommenden Jahrzehnte vermutlich diversifizieren und digitaler werden. Kryptowährungen werden aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle in der internationalen Finanzwelt spielen – sei es als Ergänzung, als digitale Assets oder sogar als Bestandteil staatlicher Liquiditätssteuerung. Eine vollständige Ablösung des Dollars durch Kryptowährungen ist vor 2050 allerdings unwahrscheinlich, dafür sind politische und wirtschaftliche Widerstände zu groß. Doch das Szenario einer von mehreren virtuellen Währungen geprägten multipolaren Weltwährung ist denkbar und wird von Experten zunehmend diskutiert. Im Kern zeigt sich, dass die Zukunft der globalen Währungen äußerst dynamisch ist.