In der heutigen Zeit gilt der Besitz eines Bankkontos für die meisten Menschen als selbstverständlich. Es bildet die Grundlage für Gehaltseingänge, das Begleichen von Rechnungen, Online-Einkäufe und den alltäglichen Zahlungsverkehr. Doch trotz dieser scheinbaren Selbstverständlichkeit gibt es in Deutschland und vielen anderen Ländern kein gesetzliches Recht auf ein Bankkonto. Die Praxis des sogenannten „Debankings“ – also der einseitigen Kündigung von Bankkonten durch Finanzinstitute – sorgt zunehmend für gesellschaftliche Debatten und stellt besonders gesellschaftlich oder politisch marginalisierte Gruppen vor große Herausforderungen. Der Begriff „Debanking“ beschreibt die Praxis von Banken, Kunden ohne Vorwarnung oder ausführliche Erklärung die Konten zu kündigen oder ihnen den Zugang zu Bankdienstleistungen zu verwehren.
Diese Entwicklung wird sowohl von konservativen und religiösen Gruppierungen als auch von Unternehmen aus der Kryptowährungs-Branche sowie von liberalen Politikern kritisiert, die sich für mehr Schutz der Verbraucherrechte einsetzen. Doch warum haben Menschen in Deutschland eigentlich kein garantiertes Recht auf ein Bankkonto? Im Grundsatz beruht das Bankwesen auf einer Vertragsbeziehung zwischen Bank und Kunde, die auf gegenseitigem Vertrauen und wirtschaftlicher Vorteilhaftigkeit beruht. Banken sind Geschäftsunternehmen und somit frei darin zu entscheiden, mit wem sie Geschäftsbeziehungen eingehen. Sie sind gesetzlich verpflichtet, bestimmte Sorgfaltspflichten wie die Identitätsprüfung (Know Your Customer) und die Verhinderung von Geldwäsche zu erfüllen. Kommt es zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit oder Seriosität eines Kunden, sehen sich Banken veranlasst, Konten zu schließen oder abzulehnen, selbst wenn der Kunde gesetzestreu handelt.
Besonders in den vergangenen Jahren hat das Thema Debanking an Bedeutung gewonnen. Fälle, in denen etwa Privatgefängnisse, Unternehmen der Fracking-Industrie oder Kryptofirmen Konten kündigten wurden, erhitzen die Gemüter. Sie werfen grundlegende Fragen zur Rolle von Banken als Gatekeeper des Finanzsystems auf. Das Beispiel von Brian P. Brooks, einem ehemaligen Finanzregulator der Trump-Administration, ist hierbei aufschlussreich.
Während seiner Amtszeit nahm er Beschwerden über Debanking zunächst mit Skepsis wahr. Fünf Jahre später hat er seine Haltung geändert und sieht darin ein ernstzunehmendes Problem, das regulatorisches Eingreifen erfordert. Brooks argumentiert, dass ähnliche wie Energieversorger oder Telekommunikationsunternehmen auch Banken keine willkürliche Ungleichbehandlung ihrer Kunden vornehmen dürften. Seine Ansicht spiegelt eine wachsende Forderung wider, Banken stärker in die Pflicht zu nehmen und Verbraucher vor willkürlichen Kündigungen von Konten zu schützen. Dennoch bleibt die Frage umstritten, denn das Bankwesen ist ein stark reglementierter Sektor, in dem Banken nicht nur unternehmerische Freiheit haben, sondern auch eine große Verantwortung tragen.
Für die Betroffenen kann das Debanking katastrophale Folgen haben. Ohne privates Girokonto sind sie mitunter von vielen gesellschaftlichen Teilhabeelementen ausgeschlossen. Gehaltszahlungen, Miettransfers, Sozialleistungen, Online-Einkauf und sogar alltägliche Aktionen wie das Abheben von Bargeld werden erschwert oder unmöglich. Gerade für sozial schwächere oder politisch exponierte Menschen wird dies zu einem großen Problem. Darüber hinaus zeigt die Praxis, wie schnell technologische und regulatorische Entwicklungen bestehende Ungleichheiten verstärken können.
Kryptowährungsunternehmen etwa klagen darüber, dass Banken ihnen wegen regulatorischer Unsicherheiten häufig den Zugang versperren. Gleichzeitig steigt die gesellschaftliche Abhängigkeit von elektronischem Zahlungsverkehr, was die soziale Isolation von Menschen ohne Konto weiter verschärft. Die deutsche Rechtslage sieht grundsätzlich vor, dass jeder Bürger Anspruch auf ein Basiskonto hat – ein Konto, das grundlegende Zahlungsfunktionen sicherstellt. Seit der EU-Verordnung über Zahlungskonten ist dieses Recht auch Mitgliedsstaaten vorgeschrieben, um Exklusion zu vermeiden. In der Praxis jedoch scheitert die Umsetzung dieses Rechts an Banken, die Konten ablehnen oder kündigen, oft mit Verweis auf Compliance oder Geschäftsrisiken.
Die Debatte in Deutschland ist somit zwiegespalten. Einerseits steht der Schutz des freien Wettbewerbs und der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der Banken. Andererseits wächst der Ruf nach mehr Verbraucherrechten und sozialer Gerechtigkeit. Politiker und Verbraucherschützer fordern verstärkte Aufsicht und klare Regeln, um willkürliche oder politisch motivierte Debankings zu verhindern. Die Regulierung könnte hierzu beitragen, klare Rahmenbedingungen zu schaffen, wann und wie Banken Konten kündigen dürfen.
Zudem könnten Beschwerdemechanismen stärker ausgeweitet werden, um Betroffenen eine einfache Möglichkeit zur rechtlichen Durchsetzung ihrer Rechte zu geben. Ein öffentlicher Diskurs darüber, ob finanzielle Inklusion als Menschenrecht angesehen werden sollte, gewinnt ebenfalls an Bedeutung. Es zeigt sich, dass der Gang in die Bankfiliale heute mehr als nur ein simpler Vertragsschluss ist. Das Bankkonto ist ein zentrales Element moderner Teilhabe und sozialer Integration. Debanking bedroht diesen Zugang und macht deutlich, dass nicht jeder Bürger in Deutschland automatisch Anspruch darauf hat, ein Konto zu führen.