Seit Jahrzehnten gilt die Urknalltheorie als die dominierende Erklärung für die Entstehung des Universums. Sie beschreibt den Beginn als einen einzigen Moment enormer Expansion, in dem sich unser Universum aus einem Zustand extremer Hitze und Dichte heraus entwickelte. Doch die jüngsten Beobachtungen des James Webb Weltraumteleskops (JWST) werfen neue Fragen auf und stellen die etablierten Modelle vor ernsthafte Herausforderungen. Inmitten dieser Unsicherheit präsentiert Julian Gough, ein irischer Autor und ehemaliger Musiker, eine radikal andere Sichtweise mit seiner „Blowtorch-Theorie“ und einem Konzept der universellen Evolution. Seine Ideen könnten den Weg zu einer neuen kosmologischen Paradigmenverschiebung ebnen.
Julian Goughs Theorie basiert auf der Vorstellung, dass unser Universum nicht als einmaliges Ereignis entstanden ist, sondern vielmehr Teil einer evolutionären Abfolge von Universen sei. Nach diesem Modell gebe es eine Art von kosmologischer natürlichen Selektion, bei der Universen durch sogenannte Schwarze Löcher „nachgeboren“ werden. Durch diese ständige Reproduktions- und Weiterentwicklungsprozess würden sich immer komplexere Strukturen herausbilden – von ersten schwarzen Löchern über Galaxien bis hin zu Leben und Technologie. Besonders die Rolle starker Jets aus supermassereichen Schwarzen Löchern in der Frühphase des Universums steht im Mittelpunkt seiner Argumentation. Diese Jets formten demnach die großräumige Struktur des Kosmos mit seinen Filamenten, Galaxien und kosmischen Leerräumen.
Für Gough ist die moderne Kosmologie durch langanhaltende Modellanpassungen geprägt, ohne dass diese die jüngsten Beobachtungen des JWST und anderer Instrumente überzeugend erklären können. Viele Kosmologen fühlen sich durch die Daten verunsichert, vor allem da frühe Galaxienbildung, die rasche Entwicklung von Strukturen und die Dominanz massereicher schwarzer Löcher in den Galaxien schwer vorhersehbar waren. Julian Gough hingegen behauptet, solche Phänomene präzise vorhergesagt zu haben – noch bevor die direkten Beweise durch das JWST geliefert wurden. Seine Vorhersagen umfassen unter anderem eine weitaus frühere Entstehung von Galaxien und die entscheidende Wirkung von supermassereichen schwarzen Löchern auf die kosmische Evolution. Die „Blowtorch-Theorie“ steht in starkem Kontrast zur herkömmlichen lambda-Kalt-Dunkle-Materie-Kosmologie, die seit Jahrzehnten den wissenschaftlichen Konsens bildet.
Dieses etablierte Modell setzt Dark Matter als unsichtbare Substanz voraus, die 85 Prozent der Materie im Universum ausmachen soll, und ist in der Lage, viele Phänomene von der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung bis zur großräumigen Struktur des Universums zu erklären. Dennoch wurde dunkle Materie nie direkt nachgewiesen, was zu immer größerer Skepsis führt. Goughs Theorie hingegen zieht evolutionäre Prinzipien aus der Biologie heran und überträgt das Konzept natürlicher Auslese auf die Kosmologie. So erklärt sie eines der größten Rätsel: warum unser Universum so exakt feinabgestimmte Parameter aufweist, die Leben und komplexe Strukturen ermöglichen. Die Idee, dass das Universum einem evolutionären Muster folgt, ist nicht gänzlich neu.
Der Physiker Lee Smolin hat zuvor die kosmologische natürliche Selektion vorgestellt, die besagt, Universen würden durch Schwarze Löcher in einer Art „Fortpflanzung“ entstehen und so eine Selektion zwischen effektiveren Universen stattfinden könnte. Gough erweitert diese Konzepte und integriert dabei nicht nur physikalische, sondern auch biologische und technologische Entwicklungen als Teil eines evolutionären Fortschritts. Er betrachtet das Leben als einen Ausdruck der ersten Hälfte des Periodensystems, das in der Biologie zum Leben erwacht, und Technologie als die zweite Hälfte, die ebenfalls einen Beitrag zur Reproduktion des Universums leistet. Demnach erzeugen technologische Prozesse künftig auch eine hohe Anzahl kleiner Schwarzen Löcher, die als nachhaltige Energiequelle dienen könnten. Diese interdisziplinäre Herangehensweise verbindet Kosmologie mit Evolutionsbiologie, Technologieentwicklung und Philosophie und eröffnet neue Perspektiven auf grundlegende Fragen wie die Entstehung von Leben, Technologie und letztlich Bewusstsein.
Gough sieht in seinem Modell eine Antwort auf das Problem des vermeintlichen Zufalls des Lebens im Universum. Während die klassische Kosmologie das Leben als außergewöhnlichen Zufall interpretiert, erklärt die evolutionäre Kosmologie eine zielgerichtete, schrittweise Feinabstimmung durch natürliche Auslese von Universen und deren Eigenschaften. Die wissenschaftliche Gemeinschaft reagiert unterschiedlich auf Goughs Theorie. Während Kritiker sie als spekulativ oder gar „verrückt“ ablehnen, zeigt sich eine Anzahl von Experten offen für einen Dialog. So erkennt etwa Dr.
Jenny Wagner von der Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics die Wichtigkeit zu hinterfragen, ob dunkle Materie wirklich das beste Erklärungsmodell bleibt. Sie ruft zu einem offeneren Diskurs zwischen etablierten und unkonventionellen Forschungsmethoden auf, da sich die Kosmologie in einer Art „dunklem Zeitalter“ befindet, in dem klassische Modelle an ihre Grenzen stoßen. Philosophen wie Clément Vidal an der Vrije Universität Brüssel sehen in Goughs Theorie einen „neuen Paradigmenvorschlag“ und betonen die Bedeutung, evolutionäre Prinzipien über die Biologie hinaus auf Kultur, Technik und eben auch das Kosmologische anzuwenden. Natürlich steht keine der evolutionären Kosmologien bisher auf der soliden Grundlage umfassend peer-reviewter Publikationen – der wissenschaftliche Diskurs steckt noch in den Anfängen. Doch die Fähigkeit von Gough, präzise Vorhersagen zu machen, die kurz darauf vom JWST bestätigt wurden, stärkt seine Glaubwürdigkeit.
In der gegenwärtigen Forschung bringt das JWST Bilder zutage, die schnelllebige Galaxienentwicklung und frühe Helium- und Wasserstoffemissionen in Zeiträumen zeigen, die das etablierte Modell nicht vorhergesehen hatte. Ein Beispiel ist eine Beobachtung heller Wasserstoffemissionen in einem Galaxy, die zu einem Zeitabschnitt gehören, in dem man eine noch dichte Wasserstoffnebel-Wolke erwartete. Diese Entdeckung lässt sich nach Goughs Theorie durch energiereiche Jets eines supermassiven Schwarzen Lochs erklären. Noch bleibt unklar, ob und wie die Blowtorch-Theorie in den wissenschaftlichen Mainstream integriert wird. Ohne Zweifel ist sie eine provokative und mutige Alternative zu traditionellen Modellen und fordert Wissenschaftler dazu auf, starre Paradigmen zu hinterfragen.
Gleichzeitig zeigt die Entwicklung, wie technologische Fortschritte – wie das JWST – neue Daten liefern, die unser Weltbild beeinträchtigen und neue Theorien erfordern. Das Spannungsfeld zwischen etabliertem Wissen und neuen, manchmal kontroversen Ideen ist charakteristisch für wissenschaftlichen Fortschritt. Julian Goughs Ansatz markiert eine der innovativsten Versuche, unser Verständnis des Universums zu erweitern, indem er Evolution als organisierendes Prinzip ins Zentrum rückt. Die Vision eines Universums, das sich selbst reproduziert, in dem Leben und Technologie eine Rolle in einem kosmischen Fortpflanzungsprozess spielen, stellt nicht nur eine neue wissenschaftliche Herausforderung dar, sondern auch eine tiefgreifende philosophische Reflexion über unsere Existenz. Künftige Forschungen und Beobachtungen werden zeigen, ob die Blowtorch-Theorie den Test der Zeit besteht und wie sie das Bild unserer kosmischen Herkunft erweitert.
Klar ist, dass der Kosmos weit komplexer und dynamischer ist, als bisher angenommen. Julian Gough fordert uns auf, neugierig, kritisch und offen für neue Ideen zu bleiben – Eigenschaften, die die Wissenschaft seit jeher voranbringen.