Die rasante Entwicklung der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren nicht nur die Art verändert, wie Inhalte erstellt werden, sondern auch die Filmindustrie tiefgreifend beeinflusst. Ein besonders prägnantes Beispiel für die Möglichkeiten und Grenzen dieser Technologie ist der Kurzfilm Ancestra von Regisseurin Eliza McNitt, der in Zusammenarbeit mit Google DeepMind produziert wurde. Der Film bietet nicht nur eine emotionale Erzählung, sondern fungiert gleichzeitig als Fenster in die aktuelle Landschaft KI-generierter Videos – mit all ihren Potenzialen und Schwächen. Ancestra entführt die Zuschauer in die bewegende Geschichte einer werdenden Mutter, die um die Heilung eines Herzfehlers ihres ungeborenen Kindes betet. Obwohl reale Schauspieler wie Audrey Corsa im Film agieren und praktische Sets genutzt werden, greift das Projekt intensiv auf verschiedene KI-Modelle von Google wie Gemini, Imagen und Veo zurück, um visuelle Darstellungen jener inneren Gedanken und abstrakten Konzepte zu realisieren, die im Kopf der Mutter ablaufen.
Besonders eindrucksvoll sind die visuell-technischen Experimente, die den winzigen Herzfehler des Babys sowie vielfältige Assoziationen rund um Mutterschaft und Leben zeigen – von Nahaufnahmen von Tieren, über vulkanische Eruptionen bis hin zur Entstehung von Sternen nach dem Urknall. Diese künstlerische Entscheidung zeigt exemplarisch, wie KI-generierte Videos zunehmend in der Lage sind, fließende Bildwelten zu erschaffen, die emotional aufgeladen und symbolisch geladen sind, zugleich aber aufgrund ihrer Entstehung über Text-Prompts ein gewisses Maß an Entkontextualisierung und Künstlichkeit vermitteln. Die Ästhetik erinnert an stockbasierte Videoaufnahmen, die durch KI bearbeitet wurden und somit eine eigenartige Mischung aus Vertrautheit und Fremdheit erzeugen. Hier zeigt sich die gegenwärtige Herausforderung für die Filmbranche: Wie kann man kreative Tiefe und narrative Substanz mit den Möglichkeiten der KI in Einklang bringen, ohne zu sehr auf reine Effekthascherei und oberflächliche Emotionen zurückzufallen? Ein zentrales Thema im Zusammenhang mit Ancestra ist der Einsatz von KI zur Erschaffung von besonders schwierigen Aufnahmen, wie beispielsweise der Nachbildung eines Neugeborenen. Während es traditionell höchste Herausforderungen mit sich bringt, echte Babys in Szenen zu drehen – sei es aufgrund ethischer Gründe, Logistik oder Performanz – bietet die KI-Technologie die Chance, solche Darstellungen mit eigener Bildersammlung und fortschrittlichen Modellen zu erstellen.
In Ancestra wurde so der Effekt erzielt, dass das Gesicht des künstlichen Babys auf Fotos der Regisseurin selbst als Neugeborene basiert, was die persönliche Verbindung zu dem Projekt unterstreicht und emotional aufwertet. Trotz dieser Fortschritte wird im Making-of des Films deutlich, dass echte schauspielerische Leistung und menschliche Emotionen durch KI nur bedingt ersetzt werden können. So gibt McNitt unumwunden zu, dass es trotz aller digitaler Innovationen keine vergleichbare Kraft wie die echte Darbietung eines Schauspielers gibt. Die KI generierten Aufnahmen haben oftmals das Problem, dass sie im Zusammenspiel mit realen Filmszenen visuell nicht vollkommen glaubwürdig sind – etwa durch merkwürdige Abstände oder fehlende Berührung zwischen handlungsführenden Personen und digitalen Objekten. Diese „Uncanny Valley“-Effekte sind bislang kaum zu überwinden und binden die Zuschauer in ihrer Immersion.
Die Produktionsgröße und -dauer von Ancestra verdeutlicht zudem eine wirtschaftliche Dimension der KI-Integration. Im Vergleich zu klassischen Kurzfilmproduktionen konnte das Team aufgrund der automatisierten Generierung von Bildern und Szenen mit relativ wenigen Personen auskommen und dadurch sowohl Kosten als auch Zeitaufwand senken. Für unabhängige Filmemacher und kreative Neulinge könnten diese Tools in Zukunft revolutionäre Chancen darstellen, da Ressourcen- und Budgetlimitierungen teilweise umgangen werden können. So könnten kleinere Produktionen entstehen, die sich bisher nicht realisieren ließen. Doch diese ökonomische Effizienz wirft auch eine wichtige gesellschaftliche Frage auf: Welchen Einfluss wird KI auf den Arbeitsmarkt der Kreativbranche haben? Ancestra illustriert, wie Jobs, die früher an VFX-Spezialisten, Storyboarder oder Concept Artists gingen, zunehmend durch automatisierte Systeme ersetzt werden könnten.
Die Debatte darüber ist nicht neu und wurde durch Streiks von Filmschauspielern, Drehbuchautoren und Videospielschauspielern in den letzten Jahren sichtbar. Die Sorge, dass KI nicht nur ein Werkzeug bleibt, sondern zu einer Bedrohung für kreative Berufe wird, ist für viele Fachleute berechtigt. Die Vorstellung, dass Menschen zukünftig als bezahlte Prompt-Autoren arbeiten und damit ihren bisherigen Beruf ersetzten, erscheint fragwürdig angesichts der aktuellen Bezahlung und Branchenrealitäten. Aus technischer Perspektive zeigt Ancestra auch die Grenzen der heutigen generativen KI-Modelle im Videoformat. Google DeepMinds Veo kann beispielsweise nur Clips von maximal acht Sekunden Länge generieren, was Regisseurin McNitt dazu zwang, das Drehbuch an die technischen Vorgaben anzupassen, um die filmischen Abläufe mit den KI-generierten Sequenzen in Einklang zu bringen.
Diese enge Verzahnung von technischer Restriktion und künstlerischem Output führt oft zu Kompromissen, bei denen der Kern der Geschichte in den Hintergrund rückt und stärker auf visuelle und symbolische Darstellung gesetzt wird. Das kann den Narrativ schwächen, weil er sich in der Form an die KI anpasst und nicht umgekehrt. Darren Aronofsky, der zu den Produzenten von Ancestra zählt, bringt die ambivalente Haltung der Filmbranche zu dieser Technologie auf den Punkt. Während er anerkennt, dass technischer Fortschritt schon immer Teil der Filmherstellung war und zum kreativen Reichtum beiträgt, zeigt seine Reaktion auf die aktuellen Limitationen der KI deutlich, dass noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten ist, bevor das Medium vollumfänglich akzeptiert wird. Die KI stehe hier erst am Anfang und biete große Zukunftschancen, gleichzeitig sei derzeit noch kein Werk entstanden, das die Massen wirklich in die Kinos oder auf Streamingplattformen zieht.
Das abschließende Urteil zu Ancestra muss also differenziert ausfallen. Der Kurzfilm ist ein Experiment und ein Beispiel dafür, wie KI-basierte Werkzeuge kreativ genutzt werden können. Gleichzeitig fungiert die Produktion als Werbefläche für Google und die jeweiligen KI-Modelle, die im Hintergrund operieren. Diese Vermarktungsebene sollte nicht außer Acht gelassen werden, denn sie prägt die Art und Weise, wie KI-technologien derzeit im Unterhaltungssektor präsentiert werden – häufig als Wundermittel, das alle Probleme löst, statt als noch unausgereifte Technik mit klaren Schwächen. Auf der Suche nach der Zukunft der KI-generierten Videos und ihrer Rolle in der Filmproduktion bleibt zu beachten, dass die besten Ergebnisse wohl dann entstehen, wenn Mensch und Maschine kreativ zusammenwirken.