In der modernen Wissenschaft sind Fortschritte oft das Ergebnis langwieriger und komplexer Prozesse, die eine Vielzahl von Forschungsphasen umfassen. Von der Literaturrecherche über Hypothesenbildung bis hin zur experimentellen Validierung und datenbasierten Interpretation – jeder Schritt stellt hohe Anforderungen an Forscher. Die zunehmende Komplexität und das enorme Datenvolumen erfordern innovative Ansätze, um den wissenschaftlichen Fortschritt zu beschleunigen und gleichzeitig die Qualität der Forschung zu sichern. Genau hier setzt Robin an – ein fortschrittliches Multi-Agenten-System zur Automatisierung des gesamten wissenschaftlichen Entdeckungsprozesses, entwickelt von FutureHouse. Robin markiert einen wichtigen Meilenstein in der Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) zur selbständigen Durchführung von Forschung und stellt eine neue Ära für die Wissenschaft dar.
Die Kernidee hinter Robin ist die Integration spezialisierter KI-Agenten, die jeweils eine bestimmte Funktion im Forschungsprozess übernehmen. Frühere Entwicklungen von FutureHouse umfassten einzelne Agenten mit spezialisierten Aufgaben: Crow, Falcon und Owl unterstützten die Literaturrecherche und Synthese von Informationen, Phoenix war auf das Design chemischer Synthesen fokussiert und Finch übernahm komplexe Datenanalysen. Durch die Kombination dieser Agenten in einem orchestrierten Workflow entstand Robin, das erste System seiner Art, das eine vollständige, autonome wissenschaftliche Entdeckungsreise ermöglicht. Robin übernimmt die Rolle eines virtuellen Forschers, der Hypothesen generiert, experimentelle Strategien entwickelt, Ergebnisse analysiert und neue Forschungsansätze formuliert – alles ohne menschliche Intelligenz im Vordergrund, sondern vielmehr mit einer auf Algorithmen basierenden Intelligenzlandschaft. Ein wegweisendes Beispiel für die Leistungsfähigkeit von Robin ist die Entdeckung eines neuen Therapieansatzes gegen trockene altersbedingte Makuladegeneration (dAMD), eine der Hauptursachen für irreversible Erblindung weltweit.
Das System identifizierte Ripasudil, ein bereits zugelassener Rho-Kinase- (ROCK) Inhibitor, der bislang zur Behandlung von Glaukom genutzt wird, als potenziellen Wirkstoff für die Therapie von dAMD. Der Entdeckungsprozess begann mit der umfassenden Durchforstung wissenschaftlicher Literatur durch den Agenten Crow. Basierend auf dieser Recherche erzeugte Robin die Hypothese, dass die Förderung der Phagozytose der retinalen Pigmentepithelzellen (RPE) zur Behandlung der Erkrankung dienlich sein könnte. In einem nächsten Schritt bewertete der Agent Falcon mehrere potenzielle Wirkstoffe, die diesen Mechanismus beeinflussen könnten. Daraufhin wurden zehn dieser Kandidaten im Labor getestet.
Finch, der Datenanalyseteil von Robin, wertete anschließend die Ergebnisse aus und offenbarte, dass der ROCK-Inhibitor Y-27632 die Phagozytose der RPE-Zellen im Zellkulturmodell deutlich steigerte. Um die molekularen Mechanismen hinter diesem Effekt zu entschlüsseln, schlug Robin ein RNA-Sequenzierungsexperiment vor. Die experimentellen Daten aus dieser Untersuchung wurden erneut durch Finch analysiert, der feststellte, dass Y-27632 die Genexpression des Transportproteins ABCA1 hochregulierte, welches eine wichtige Funktion im Lipidtransport der RPE-Zellen übernimmt. Mit steigender Erkenntnis schien das Potenzial für therapeutische Anwendungen von ROCK-Inhibitoren gegen dAMD vielversprechend. Daraufhin generierte Robin eine zweite Liste von Wirkstoffkandidaten und legte den Schwerpunkt auf die Identifizierung von Verbindungen mit verbesserten Eigenschaften.
Die Labortests bestätigten Ripasudil als Top-Kandidaten und somit als neuen, potenziell effektiven Wirkstoff für die Behandlung der Erkrankung. Bemerkenswert ist, dass alle intellektuellen Prozesse – von der Hypothesenformulierung über experimentelle Planung bis zur Datenanalyse und Erstellung der zentralen Abbildungen für die wissenschaftliche Publikation – vollständig von Robin autonom durchgeführt wurden. Während menschliche Fachkräfte die physischen Experimente durchführten, lag die gesamte intellektuelle Arbeit bei Robin. Dieser Umstand stellt einen Paradigmenwechsel in der wissenschaftlichen Forschung dar, denn Robin demonstriert, wie KI-Systeme komplexe Forschungsaufgaben eigenständig bewältigen können. Die Geschwindigkeit, mit der Robin entwickelt wurde und die Forschungsergebnisse zustande kamen, ist beeindruckend: Von der Konzeption über die Umsetzung bis hin zur Manuskripteinreichung vergingen gerade einmal zweieinhalb Monate.
Dieses Tempo steht im starken Kontrast zu klassischen Forschungszyklen, die oft Jahre in Anspruch nehmen. Robin beweist damit, dass es möglich ist, innerhalb kurzer Zeiträume valide, klinisch relevante wissenschaftliche Entdeckungen zu ermöglichen – nicht durch schiere Rechenleistung allein, sondern durch die intelligente Koordination spezialisierter KI-Agenten. Die Verwendung von modularen Agenten, die bestimmte Teilschritte übernehmen, erlaubt es, Workflows flexibel anzupassen und auf unterschiedliche Fragestellungen zu übertragen. Obwohl Robin im aktuellen Fall auf die biomedizinische Forschung und Therapieentwicklung ausgerichtet wurde, ist das System generell auf viele Wissenschaftsbereiche anwendbar. Von der Materialwissenschaft über Umweltforschung bis hin zu Klimatechnologien könnten ähnliche Agentensysteme dazu beitragen, neue Erkenntnisse zu gewinnen, die bisher verborgen blieben oder zeitintensiv zu erarbeiten waren.
Durch die geplante Veröffentlichung von Robin als Open-Source-Projekt am 27. Mai 2025 will FutureHouse die Forschungsgemeinschaft einladen, dieses innovative Werkzeug weiterzuentwickeln und auf neue Gebiete zu übertragen. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine wird durch solche Technologien neu definiert. Künstliche Intelligenz bleibt dabei nicht nur ein Werkzeug, das repetitive Aufgaben erledigt, sondern wird selbst zum treibenden Faktor wissenschaftlicher Innovation. Die Rolle der menschlichen Forscher verändert sich dadurch vom Ausführenden zum Überwacher, Moderator und Ideengeber, der den KI-Agenten Rahmenbedingungen setzt, Ressourcen bereitstellt und ihre Ergebnisse evaluiert.