In der heutigen von schnellen Nachrichten und sozialen Medien geprägten Welt gewinnt die Bedeutung von Faktenchecks immer mehr an Gewicht. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dem traditionellen Beruf des Faktenprüfers? Wie sah der Beruf aus und was macht ihn so wichtig für den Journalismus? Austin Kelleys Roman The Fact Checker bietet einen einzigartigen Einblick in eine fast vergessene Zeit des Faktenprüfens, die geprägt war von handfestem Recherchehandwerk, viel Geduld und einer tiefen Leidenschaft für Details. Der Roman führt den Leser zurück ins New York des Jahres 2004 – eine Welt vor Smartphones und allgegenwärtigem Internet, in der der Faktenprüfer nicht nur ein reiner Arbeitsplatz war, sondern eine kleine Institution für sich. Susan Choi, selbst ehemalige Faktenprüferin bei The New Yorker, erinnert sich in ihrem Rückblick an die 1990er Jahre und beschreibt das Fact-Checking als eine Mischung aus Beharrlichkeit, Unsicherheit und dem unermüdlichen Wunsch, Dinge auf den Punkt genau richtig herauszufinden. Sie spricht von der „Perpetual uncertainty“, dem ständigen Zweifel, der nicht nur beängstigend sein konnte, sondern auch elektrisierend.
Dieses Gefühl, niemals sicher, aber immer neugierig zu sein, war der Motor für eine ganze Generation von Faktenprüfern. Es ging nicht nur um das simple Korrigieren von Zahlen oder Daten, sondern um das Eindringen in intime und verletzliche Bereiche fremder Leben und Geschichten. Diese Nähe zur Wahrheit schuf eine Art Vertrauensverhältnis zwischen Prüfer und Quelle, das auf Respekt und gemeinsamer Suche nach der Wahrheit basierte. Der Roman von Kelley zeichnet das Porträt eines Faktenprüfers, der nicht wie ein typischer Büroarbeiter den Großteil des Tages am Schreibtisch verbringt, sondern vielmehr durch die Straßen New Yorks streift, um herauszufinden, wo Tomaten herkommen oder wie ein bestimmtes Schild wirklich aussieht. Diese Ausflüge sind vielleicht nicht die normativen Aufgaben eines Faktenprüfers, verleihen dem Buch aber seine besondere Leichtigkeit und seinen Humor.
Kelleys Entscheidung, seinen Roman 2004 anzusiedeln – eine Zeit vor Google und Smartphones –, verstärkt den nostalgischen Charme und lässt die harte, manuelle Recherchearbeit deutlicher hervortreten. Trotz aller humorvollen Schilderungen macht Kelley deutlich, dass der Faktchecker kein oberflächlicher Bürojob war. In der Eröffnungsszene des Buches erlebt der Leser eine klassische Telefonrecherche, bei der es darum geht, minutiöse Details zu verifizieren, die eine Reportage glaubwürdig machen oder eben nicht. Die Geduld und der scharfe Verstand, die dabei gefragt sind, zeichnen den Faktenprüfer aus. Es ist eine Kunst, Gespräche so zu führen, dass sich eine Quelle öffnet, ohne den Zweck der Befragung zu verraten.
Es geht um ein vorsichtiges Herantasten, um die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen und dadurch Vertrauen aufzubauen. Susan Choi schildert sehr eindrücklich die intime Natur dieser Arbeit. Sie erinnert sich an Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten – etwa Joan Didion, die ihr zitternd eine Tasse Tee brachte, oder eines Mittagessens mit Bob Woodward, dem legendären Enthüllungsjournalisten. Diese Momente waren für Choi gelebte Wahrheit, in denen Faktenprüfer:innen Teil von Lebensgeschichten wurden, die sie anders nie kennengelernt hätten. Es entsteht eine Nähe, die über das rein Berufliche hinausging.
Das Faktenprüfen wurde so zu einer menschlichen Brücke, die persönliche Erlebnisse und professionelle Arbeit miteinander verband. Doch die Gegenwart sieht anders aus. Mit dem digitalen Wandel veränderte sich auch die Arbeit der Faktenprüfer:innen. Google, Internetrecherchen und Online-Datenbanken haben einen Großteil der mühsamen Handarbeit übernommen. Gleichzeitig hat sich die öffentliche Sicht auf Faktenchecks gewandelt.
Sie sind heute nicht selten Teil politischer Debatten und oft selbst umstritten. Das wachsende Misstrauen gegenüber Medien und Expert:innen stellt Faktprüfer vor neue Herausforderungen – ihre Rolle ist politisiert und sichtbar geworden, doch das Vertrauen in ihre Arbeit schwankt. Der Roman sowie Chois Erzählungen bringen eine gewisse Sehnsucht nach der alten Zeit des Faktenprüfens zum Ausdruck. Eine Zeit, in der es nicht nur um den Wettlauf mit der neuen Technologie ging, sondern um das liebevolle Aufspüren und Verifizieren von Details. Um das Vergnügen, Neues zu lernen, und den Respekt vor Menschen und ihren Geschichten.
Auch wenn das professionelle Umfeld komplexer und hektischer geworden ist, bietet die Tradition des Faktenprüfens wertvolle Lektionen. Die Kunst, hartnäckig zu sein und zugleich neugierig und respektvoll zu bleiben, ist auch heute unverzichtbar. Insgesamt vermittelt The Fact Checker ein faszinierendes Bild von Journalismus jenseits des hektischen Nachrichtenstroms. Er zeigt, dass Faktenprüfen weit mehr ist als eine bürokratische Pflicht. Es ist eine Leidenschaft, die großes Interesse am Detail und an menschlichen Geschichten verbindet.
Es ist das stille Herzstück verantwortungsvoller Berichterstattung, das dafür sorgt, dass Nachrichten nicht nur schnell, sondern vor allem richtig sind. Selbst in einer Welt, die von schnellen Klicks und Sensationslust geprägt ist, bleibt diese Sorgfalt der Maßstab für seriösen Journalismus. Die Erzählung hat auch eine philosophische Dimension: Sie reflektiert über Wahrheit, Zweifel und Unsicherheit im Informationszeitalter. Die Fähigkeit, „checking sure“ zu werden – das sichere Wissen um Fakten –, ist eine Herausforderung, die mehr erfordert als nur Zugriff auf Datenbanken. Sie erfordert geduldiges Forschen, Menschenkenntnis und den Mut, sich auch mit unliebsamen Wahrheiten auseinanderzusetzen.
Gerade in einer Zeit, in der Falschinformationen und Halbwahrheiten häufig sind, zeigt sich, wie wichtig es ist, diesen Geist des Faktenprüfens zu bewahren. Für alle, die sich für Journalismus, Medien und Recherche interessieren, eröffnet The Fact Checker damit eine wertvolle Perspektive auf ein oft übersehenes, aber entscheidendes Berufsfeld. Er ist ein Plädoyer für Genauigkeit und eine Hommage an die kleine, aber feine Welt der Faktenprüfer:innen – eine Welt, in der Neugier und Sorgfalt die Grundpfeiler der Wahrheit sind. Wer sich für die Kunst des Faktenprüfens interessiert, findet in Kelleys Roman sowie den Erinnerungen von Susan Choi sowohl Inspiration als auch tiefere Einsicht in die menschliche Seite des Journalismus.