Die kreative Dienstleistungsbranche hat sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten stark verändert. In dieser Zeit etablierte sich eine klare Tendenz, bei der strategisches Denken den Vorrang vor der eigentlichen handwerklichen Produktion erhielt. Während strategische Überlegungen als Premiumleistung gefeiert wurden, galt die Umsetzung vielfach als eher taktisch und standardisiert – fast schon als belanglose Massenware. Die Folge war, dass viele Kreative ihre Karriere bewusst in Richtung strategischer Entscheidungspositionen lenkten, während sie vom eigentlichen Machen – vom Schaffen – immer weiter abrückten. Unternehmen passten ihre Strukturen dementsprechend an und begannen, gezielt Ideen und Konzepte zu verkaufen, nicht aber greifbare Ergebnisse.
Strategie avancierte zum Produkt, während die eigentliche Arbeit zunehmend anonymisiert wurde. Rückblickend zeigt sich jedoch, dass dieser Paradigmenwechsel ein grundlegender Fehler war, vor allem für jene, die sich so weit von ihrem Handwerk entfernt haben, dass sie es kaum noch beherrschen. Die aktuelle Entwicklung rund um Künstliche Intelligenz (KI) legt zwei zentrale Schwachstellen offen, die durch diese strategische Verschiebung entstanden sind. Für den einzelnen Kreativen bedeutet dies, dass KI mittlerweile als schneller und präziser beim Generieren von Ideen wahrgenommen wird als traditionelle Strategiemodelle. Werkzeuge, die in Sekundenschnelle Konzepte oder Lösungen liefern, machen die jahrelang entwickelten Frameworks und Insights vieler Berater vielfach überflüssig oder entwerten diese zumindest.
Gerade jene, die ihre Kompetenz auf den Aufbau von Strategien gestützt haben, stehen plötzlich im Wettbewerb mit intelligenten Systemen, die ähnliche Outputs mit enormer Geschwindigkeit produzieren können. Für Unternehmen zeigt sich das Problem darin, dass jene, die ihre Mitarbeiter überwiegend auf Strategie und Kundenmanagement fokussiert und die eigentliche Produktion außer Landes verlagert haben, kaum mehr in der Lage sind, schnell auf neue Produktionsmethoden – KI-gestützt oder anderweitig – umzuschwenken. Die organisatorische Ausrichtung wurde auf das Reden über Arbeit optimiert, auf das Diskutieren von Ideen, nicht auf das tatsächliche Umsetzen. Diese Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf ein längst übersehenes Warnsignal: die weitgehende Vereinheitlichung von Interaction-Design-Systemen. Der erleichterte Zugang zu Hilfsmitteln, die Arbeit minimieren – sei es durch Stilrichtlinien, standardisierte Komponentenbibliotheken oder vorgefertigte Templates – hat dazu geführt, dass das Handwerk buchstäblich demontiert wurde.
Arbeitsprozesse wurden so standardisiert und simplifiziert, dass sie sich geradezu für eine Automatisierung durch KI anboten. Viele kreative Dienstleister scheinen die Einführung von KI inzwischen zu akzeptieren wie ein Land ohne Armee die Kapitulation vor einem Invasor: ohne echte Wahlmöglichkeiten. Sie haben ihre Fähigkeiten abzubauen begonnen, Dingen selbst eine Form zu verleihen, im Austausch dafür, Ideen zu analysieren und zu beraten. Nun setzen sie darauf, mit Hilfe von Bots die Produktion wieder hochzufahren – doch diese Hoffnung ist durchaus fraglich. Künstliche Intelligenz besitzt zweifelsohne beeindruckende Fähigkeiten, aber sie kann (noch) nicht einfach alles herstellen.
Noch wichtiger ist, dass sie nicht so effizient und passgenau für bestehende Systeme produzieren kann wie ein erfahrener, menschlicher Praktiker, der sowohl die Werkzeuge als auch den Kontext kennt. Die Realität verlangt mehr als bloße Strategie. Es braucht ein tiefes Verständnis für die Systeme und Restriktionen der Kunden, die technischen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten, sowie die Fähigkeit, auf echtes Feedback realer Nutzer zu reagieren. Projekte verändern sich in der Praxis ständig, erfordern flexible Anpassungen und das Lösen unzähliger kleiner Probleme im Verlauf der Umsetzung. Das sind weniger Herausforderungen auf strategischer Ebene, sondern reine Handwerkskunst.
Solche Fähigkeiten entstehen durch langjährige, bewusste Praxis und das stetige aktive Ermöglichen. Auch aus eigener Erfahrung in der Betreuung von Kundenprojekten zeigt sich, dass trotz des zunehmenden Drucks, schneller zu agieren – eine Folge der durch KI geschürten Wahrnehmung eines beschleunigten Marktes – die tiefergehende Erkenntnis vorherrscht, dass echte Fortschritte nicht plötzlich auf Knopfdruck erfolgen. Der Wert des tatsächlichen Handelns – kompetent, effizient und im Einklang mit größeren Systemzusammenhängen – ist heute größer denn je. Daher investiere ich weiterhin viel Mühe in mein eigenes handwerkliches Können und die Vermittlung von Design-Grundlagen. Nicht weil ich romantisch an vergangene, analoge Methoden klammere, sondern weil ich fest daran glaube, dass solides Handwerk ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil in einer zunehmend KI-geprägten Welt ist.
Der Kern des Problems besteht darin, dass wir für lange Zeit das Reden über Arbeit mit der Arbeit selbst verwechselt haben. Wir haben Beratung, Diagnosen und theoretische Einsichten über die tatsächliche Umsetzung bevorzugt. Dabei ist klar: Kunden zahlen am Ende nicht für Einsichten oder Strategien, sondern für greifbare Ergebnisse, für Lösungen, die funktionieren. Und solche Ergebnisse entstehen durch Handlung. Und durch das oft chaotische, iterative, kreative Problemlösen in der Umsetzung.
Die Akteure, die in Zukunft erfolgreich sein werden, sind nicht jene, die die feinsten Strategiemodelle oder die besten KI-gestützten Eingaben entwickeln. Vielmehr diejenigen, die eine Idee – ob sie nun von einem Menschen oder einer Maschine stammt – in etwas reales, hilfreiches und wertvolles verwandeln können. In meiner Praxis erlebe ich tagtäglich Team-Outputs aus der Branche. Ich sehe viele gute Ideen ebenso wie mittelmäßige, viel handwerkliches Geschick und leider auch oft schlechte Umsetzung. Aus all dem ziehe ich eine wesentliche Erkenntnis: Eine durchschnittliche Idee, die mit gutem Handwerk ausgeführt wird, besitzt mehr Potenzial als eine brillante Idee, die mangelhaft umgesetzt wurde.
Wenn das handwerkliche Fundament solide ist, kann man die Idee weiterverfeinern und verbessern. Denn die Fähigkeit zur Ausführung ermöglicht überhaupt erst eine iterative Entwicklung. Wird dagegen eine vielversprechende Idee schlecht umgesetzt, verfehlt sie ihr Ziel, nicht wegen schlechten Denkens, sondern wegen fehlender handwerklicher Qualität. Die Entwicklung hat sich in den vergangenen Jahren zu stark auf Strategie verschoben. Doch nun muss die Balance neu justiert werden – nicht, weil Technologien verschwinden, sondern gerade, weil sie die Fähigkeit zur Umsetzung ernster, komplexerer Aufgaben wertvoller machen.
In einer Ära, in der Ideen immermehr automatisiert generiert werden können, gewinnen Menschen, die diese Ideen tatsächlich realisieren können, an unersetzlichem Wert. Das Umsetzen ist die eigentliche Kunst – und wer sie beherrscht, besitzt die Schlüsselkompetenz für die Zukunft der Kreativbranche.