In den letzten Jahrzehnten hat sich die Arbeitswelt in den entwickelten Ländern schrittweise gewandelt – aus Sicht vieler jedoch nicht immer zum Positiven. Besonders im Bereich der Büro- und Verwaltungstätigkeiten wächst die Zahl von sogenannten „Bullshit Jobs“, einem Begriff, den der Anthropologe David Graeber geprägt hat, um jene Beschäftigungen zu beschreiben, die von den Ausführenden selbst als sinnentleert und unnötig empfunden werden. Diese Jobs zeichnen sich durch unnötige Komplexität und Verwaltungsaufwand aus und scheinen oftmals eher dazu zu dienen, Tätigkeiten zu verschleiern oder bürokratische Strukturen am Leben zu erhalten, als echten Mehrwert zu schaffen. Diese Entwicklung ist keine bloße Aneinanderreihung wirtschaftlicher Randphänomene, sondern spiegelt gesellschaftliche und kulturelle Symptome wider, die mit einer Entfremdung von Sinnhaftigkeit und Produktivität im Alltag einhergehen.Die Zunahme dieser ineffizienten, oft überflüssigen Büroarbeitsplätze korreliert sehr stark mit dem Wachstum von Regulierungen, Verwaltung und dem komplexen organisatorischen Geflecht großer Unternehmen und öffentlicher Institutionen.
Die ständig wachsenden Schichten von Management und Kontrolle resultieren häufig in „Junkyards of Unmade Decisions“ – einem Ausdruck, der die Ansammlung von ungetroffenen und unentschiedenen Entscheidungen beschreibt, die in überladenen Verwaltungsapparaten liegenbleiben. Innerhalb solcher Strukturen haben sich unzählige Tätigkeiten etabliert, deren einzige Aufgabe oft darin besteht, weitere Verwaltung und Bürokratie zu legitimieren und fortzuschreiben.Vor diesem Hintergrund tritt die Künstliche Intelligenz (KI) als potenziell radikale Intervention in Erscheinung. Während der öffentliche Diskurs KI meist als Bedrohung für Arbeitsplätze und traditionelle Berufsbilder darstellt, eröffnet sich hier ein signifikanter Perspektivwechsel: KI könnte tatsächlich als eine Art „Medizin“ gegen überflüssige Jobs wirken, indem sie gerade jene Positionen trifft, die ohnehin kaum echten Nutzen stiften. KI-Technologien sind heute in der Lage, administrative Tätigkeiten zu automatisieren, komplexe Datenflüsse zu analysieren und Entscheidungsprozesse effizienter zu gestalten.
Durch ihre mathematische Grundlage und ihr algorithmisches Funktionieren gelingt es KI-Systemen, ohne eigene Selbstzweckerhöhung oder politische Manöver in Organisationen, Redundanzen und ineffiziente Abläufe gnadenlos aufzudecken und zu eliminieren.Dieser technische Fortschritt bedeutet jedoch weit mehr als nur eine funktionale Disruption: Er konfrontiert Gesellschaften mit einem grundlegenden Prüfstand hinsichtlich ihres Verständnisses von Arbeit, Produktivität und Wertschöpfung. Die vorhandenen bürokratischen Strukturen wurden in vielen Fällen durch passives Einverständnis und das Fehlen kritischer Gegenstimmen wachsen lassen – ein Prozess, den der Autor Thomas Lemström als „Aufgabe des Geistes“ („surrender of the mind“) bezeichnet. KI reflektiert nun unverblümt diese gewachsenen Widersprüche und zwingt Organisationen und Einzelne dazu, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was wirklich bedeutsam ist und was lediglich performative Aktivität darstellt.Die dadurch entstehende Unsicherheit und Angst vor Jobverlust ist verständlich und darf nicht klein geredet werden.
Die Transformation der Arbeitswelt durch Automatisierung, Datenanalyse und selbstlernende Systeme bringt zweifellos menschliche Herausforderungen mit sich. Der Weg zu einer neuen Arbeitswelt wird für viele schmerzhaft sein, da nicht nur neue Fähigkeiten erlernt werden müssen, sondern auch das eigene Selbstverständnis von Arbeit und Identität betroffen ist. In der Tiefe besteht jedoch die Chance, überkommene Strukturen und Rollen zu hinterfragen und eine gerechtere sowie produktivere Verteilung von menschlichem Potenzial anzustreben.Dabei stellt sich auch die systemische Frage, ob eine Gesellschaft nicht langfristig besser fährt, wenn sie jene Arbeitsplätze reduziert, die nicht echten gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen, sondern lediglich als Nebenprodukt von Komplexität, Regulierungslast und Organisationsträgheit entstanden sind. Diese Überlegungen haben weitreichende Konsequenzen für politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen.
Statt in einer immer weiter aufgeblähten Verwaltung und Kontrolle zu verharren, könnten Ressourcen gezielter in für die Gesellschaft sinnvolle Tätigkeiten investiert werden.Gleichzeitig ist es denkbar, dass der Einsatz von KI paradoxerweise eine neue Ebene bürokratischer Komplexität hervorbringt – zum Beispiel durch die Anforderungen, KI-Systeme selbst zu überwachen, zu regulieren und zu verwalten. Die Gefahr besteht darin, dass alte Muster einfach auf neue Technologien übertragen werden und damit letztlich die ursprüngliche Problematik lediglich verschoben oder verschleiert wird. Damit verbunden ist die Herausforderung, technologische Innovationen nicht nur rein funktional zu implementieren, sondern auch kritisch zu hinterfragen, wie sie gesellschaftlich eingebettet und genutzt werden.Daraus ergibt sich ein vielschichtiges Bild: Einerseits bietet die Künstliche Intelligenz die Möglichkeit, die Arbeitswelt von lähmender Bürokratie und ineffizientem Verwaltungsmüll zu befreien.
Andererseits erfordert sie Mut und Weitsicht, um die damit einhergehenden Umbrüche konstruktiv zu gestalten und neue, sinnvolle Arbeitsfelder zu schaffen. Der Weg in eine von KI durchdrungene Zukunft verlangt neben technischen Lösungen auch eine Debatte über den Wert von Arbeit, Sinnhaftigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt.Letztlich zeigt der Diskurs um „AI vs. BS“, dass technologische Entwicklung weit mehr ist als eine bloße Herausforderung für Arbeitsmärkte. Sie ist ein Spiegelbild gesellschaftlicher Zustände und Wertvorstellungen.
Die Frage, ob KI uns vor den Fehlern unserer eigenen Schöpfung retten kann, hängt maßgeblich davon ab, wie reflektiert und verantwortungsvoll wir mit ihren Möglichkeiten umgehen. Es gilt nicht nur, den Umbruch zu bewältigen, sondern auch die Gelegenheit zu nutzen, die Kultur des Arbeitens grundlegend zu erneuern und menschliche Fähigkeiten dort zu entfalten, wo sie wirklich gebraucht werden. Nur so kann die Technologie nicht zum Ende, sondern zum Anfang einer neuen, sinnstiftenden Arbeitswelt werden.