Der Schweizer Lebensmittel- und Getränkekonzern Orior befindet sich mitten in einer umfangreichen Umstrukturierung, die darauf abzielt, die Profitabilität des Unternehmens zu verbessern und die Schulden zu reduzieren. Trotz eines leichten Anstiegs der Umsätze im Jahr 2024 sah sich das Unternehmen mit einem Verlust konfrontiert und sah sich gezwungen, seine Strategie grundlegend zu überdenken. Die Ursachen für die schwierige Lage sind vielfältig und reichen von anhaltend hohen Preisen für Schweinefleisch bis hin zu einem Bewertungsabschlag beim Geschäftsbereich Albert Spiess. Zudem stellte das Unternehmen trotz organischem Wachstum von 0,5 Prozent bei den Nettoumsätzen einen deutlichen Gewinnrückgang und eine steigende Verschuldung fest. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat die Konzernleitung tiefgreifende Maßnahmen zur Restrukturierung des Unternehmens eingeleitet.
Diese umfassen organisatorische Veränderungen, die auf eine Dezentralisierung der Geschäftsbereiche abzielen, während die klassischen zentralen Funktionen wie Finanzen, Personal und IT weiterhin auf Konzernebene gebündelt bleiben. Diese doppelte Struktur soll es ermöglichen, schneller und flexibler auf Marktveränderungen zu reagieren und gleichzeitig Effizienz wegen Vereinheitlichung zentraler Dienstleistungen zu steigern. Im Zuge dessen wurde das bisherige „Supply Chain Excellence Team“ aufgelöst, und die Geschäftsbereichsleiter erhalten eine direkte Berichtslinie an den CEO. Eine solche Straffung der Führungsstruktur soll klare Verantwortlichkeiten schaffen und die Entscheidungsprozesse beschleunigen. Operative Verantwortung übernimmt zudem Monika Friedli-Walser, ein Mitglied des Vorstands, das bereits seit April 2025 eine zentrale Rolle bei der Umsetzung dieser Umstrukturierung spielt.
Ihre Ernennung signalisiert den Willen des Unternehmens, die Restrukturierung mit hoher Priorität und zielgerichtetem Führungsstil voranzutreiben. Parallel zu den organisatorischen Anpassungen plant Orior eine sorgfältige Überprüfung seiner Investitionspläne. Angesichts der wirtschaftlichen Eintrübung ist es entscheidend, das Kapital effizient einzusetzen und Projekte mit hohem Synergiepotenzial zu priorisieren. Darüber hinaus steht das Produktionsnetzwerk im Fokus der Analyse. Einige der Fabrikgebäude, die nicht mehr genutzt werden, sollen veräußert oder zumindest über Verkauf und Rückmietung (Sale-and-Lease-Back) neuen finanziellen Spielraum schaffen.
Eine solche Strategie kann bestehende Kapitalbindungen auflösen, ohne direkt den operativen Betrieb zu gefährden. Trotz der intensiven Überprüfung aktueller Anlagen und des Produktionsnetzwerks schließt das Unternehmen einen Verkauf von Marken aktuell aus. Der Konzern bewertet seine gesamte Portfolio-Struktur, um langfristig die richtige Ausrichtung sicherzustellen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich daraus zukünftig strategische Entscheidungen ergeben, die beispielsweise eine Konzentration oder Neuausrichtung der Markenwelt betreffen könnten. Die wirtschaftliche Entwicklung des Jahres 2024 war für Orior durchwachsen.
Mit Nettoumsätzen von 642,1 Millionen Schweizer Franken lag der Umsatz nahezu auf dem Niveau des Vorjahres (643,1 Millionen Schweizer Franken). Das Wachstum erhielt einen positiven Impuls durch den organischen Zuwachs von rund 0,5 Prozent, der jedoch von rückläufigen Umsätzen im Convenience-Food-Geschäft teilweise neutralisiert wurde. Dieses Segment, das knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes ausmacht, verzeichnete einen Rückgang, was auf veränderte Konsumgewohnheiten und intensiven Wettbewerb in diesem Marktsegment hindeutet. Die Ertragslage entwickelte sich übers Jahr zunehmend herausfordernd. Das EBITDA sank von 53,3 Millionen Schweizer Franken im Jahr 2023 auf 22,5 Millionen Schweizer Franken im Jahr 2024.
Infolgedessen arbeitete das Unternehmen auf EBIT-Ebene mit einem Verlust von 31,9 Millionen Schweizer Franken. Gründe hierfür sind neben dem Rückgang des EBITDA ein erheblicher Wertberichtigungsbedarf im Bereich Albert Spiess sowie gestiegene Preise für Schweinefleisch, das für die Produktion von Fleischwaren essentiell ist. Für das unter dem Albert Spiess-Label geführte Geschäft wurde zudem ein Teil der Betriebsanlagen im März 2025 an den regionalen Tierproteinsammler Mérat veräußert, was als wesentlicher Schritt zur Portfoliooptimierung gewertet wird. Der Nettoverlust von 35,2 Millionen Schweizer Franken im Geschäftsjahr 2024 steht im starken Kontrast zum Vorjahresgewinn von 19,9 Millionen Schweizer Franken. Diese Entwicklung lässt erkennen, dass das Management gezwungen ist, das Unternehmen weitreichend neu aufzustellen, um wieder nachhaltige Profitabilität zu erreichen.
Die umfassenden Maßnahmen, die Orior umsetzt, sind Ausdruck eines strategischen Umdenkens. Die angestrebte stärkere Dezentralisierung soll den einzelnen Geschäftsfeldern ermöglichen, schneller auf lokale Marktbedingungen einzugehen und Innovationen voranzutreiben. Gleichzeitig versprechen die zentralisierten Funktionen Kosteneinsparungen und einheitlichere Prozesse, vor allem in Bereichen wie Finanzierung, Human Resources und Informationstechnologie. Längerfristig richtet der Konzern sein Augenmerk auch auf die Kernfragen der Produktion. Ein Fokus liegt auf einer möglichen Neustrukturierung des Produktionsnetzwerks, bei dem unter anderem geprüft wird, nicht ausgelastete oder veraltete Fabrikgebäude zu verkaufen oder effizienter zu nutzen.
Dieses Vorgehen könnte nicht nur finanzielle Mittel freisetzen, sondern auch die Flexibilität erhöhen, um Produktion und Logistik nachhaltiger zu gestalten und auf zukünftige Marktentwicklungen besser reagieren zu können. Die Herausforderungen im Convenience-Food-Geschäft spiegeln breitere strukturelle Veränderungen im Konsumverhalten wider. Verbraucher legen zunehmend Wert auf gesunde, nachhaltige und frisch zubereitete Produkte, während Discounter und reine Online-Angebote zunehmenden Wettbewerbsdruck erzeugen. Orior muss daher sein Produktportfolio sorgfältig anpassen und innovative Konzepte entwickeln, um auch in diesem Segment wieder Wachstum zu erzielen. Die steigenden Rohstoffkosten, allen voran die Preise für Schweinefleisch, wirken sich besonders auf die Fleischverarbeitung aus.
Fluktuationen dieser Kostenkomponente können die Margen signifikant belasten. Eine strategische Neuausrichtung scheint hier auch den Ausbau der Wertschöpfungskette und diversifizierte Lieferantenbeziehungen zu umfassen, um die Risiken besser zu steuern und Wettbewerbsvorteile zu sichern. Trotz der aktuellen Herausforderungen steht Orior weiterhin für Qualitätsprodukte und eine starke Markenpräsenz in der Schweiz. Das Unternehmen strebt danach, seine Position auf dem nationalen Markt zu verteidigen und durch gezielte Maßnahmen zukunftssicher aufzustellen. Die steigende Dynamik und Flexibilität in der Organisation werden als Schlüssel angesehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und auf sich wandelnde Kundenbedürfnisse zu reagieren.
Die Rolle von Führungspersönlichkeiten wie Monika Friedli-Walser ist dabei von großer Bedeutung. Mit ihrer operativen Verantwortung soll der Wandel gesteuert und die Rahmenbedingungen für eine konsistente Umsetzung der Strategie geschaffen werden. Die neue Führungsstruktur, in der die CEOs der einzelnen Geschäftsbereiche direkt an den Konzernchef berichten, zielt darauf ab, unternehmensweite Synergien zu nutzen und gleichzeitig die Autonomie der einzelnen Divisionen zu stärken. Diese Umstrukturierung ist kein kurzfristiges Projekt, sondern ein langfristiger Prozess, der die gesamte Unternehmenskultur und das Geschäftsmodell von Orior beeinflussen wird. Der Fokus auf Profitabilität, Effizienz und Innovationsfähigkeit steht dabei im Zentrum, um gegenüber Wettbewerbern besser bestehen zu können und die Herausforderungen aus einem sich wandelnden Marktumfeld erfolgreich zu meistern.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Orior mit der umfassenden Restrukturierung einen wichtigen Schritt zur Stabilisierung und Erneuerung seines Geschäftsmodells unternimmt. Die Balance zwischen Dezentralisierung und Zentralisierung, die Überprüfung der Investitionen und die Anpassung des Produktionsnetzwerks zeigen, dass das Management entschlossen ist, die Weichen für nachhaltigen Erfolg zu stellen. Auch wenn kurzfristig noch Unsicherheiten bestehen, legt das Unternehmen damit den Grundstein für eine Zukunft, in der es sich als innovativer und flexibler Anbieter von Lebensmitteln und Getränken in der Schweiz behaupten kann.