Die Videospielindustrie befindet sich im Wandel. Auf der PAX East 2025 wurde ein Phänomen besonders deutlich, das von Branchenexperten als „Deprofessionalisierung“ bezeichnet wird. Dieser Begriff beschreibt einen Trend, der infolge des Erfolgs von Indie-Entwicklern und kleinen Teams, aber auch durch strukturelle Veränderungen in den großen Studios entstanden ist. Während Solo- und Kleinstteams heutzutage mit vergleichsweise geringem Aufwand Spiele entwickeln können, die große kommerzielle Erfolge feiern, bringt diese Entwicklung tiefgreifende Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die Gesamtbranche mit sich. Die PAX East repräsentierte in diesem Jahr eindrucksvoll, wie sich der Fokus weg von großen, voll professionalisierten Teams hin zur kleineren, agileren und oft auf Vertragsarbeit basierenden Entwicklung verschiebt.
Studios wie Behaviour Interactive und Funcom behielten zwar noch ihre klassischen Messeauftritte, doch der Großteil der Messestände war von kleinen Publishern und Studios besetzt, die mit minimalem Personal auftraten. Dabei zeigt sich eine klare Kluft zwischen den Ansprüchen großer Publisher, die auf immer komplexere und teurere Inhalte setzen, und den realistischen Ressourcen kleiner Entwicklergemeinschaften. Ein wichtiger Aspekt der Deprofessionalisierung ist die Verschiebung in der Wertschätzung und Beschäftigung von Fachkräften. Viele Rollen, die früher als essenziell galten, wie Marketing oder spezialisierte Künstler und Autoren, werden zunehmend durch kurzfristige Projekte oder gar ausgelagert an externe Dienstleister ersetzt. Die Folgen sind vielfältig: Zum einen stehen spezialisierte Fachkräfte vor der Herausforderung, weniger feste Anstellungen zu finden.
Zum anderen entsteht eine Konzentration auf jene kreativen und technischen Berufe, die direkt am Produktentwicklungserfolg messbar sind, während wichtige Begleitfunktionen immer mehr an den Rand gedrängt werden. Das Missverhältnis wird auf PAX East besonders deutlich. Die erfolgreichen Titel wie Schedule I, R.E.P.
O oder Balatro stammen oft aus kleinen Teams oder sogar von einzelnen Entwicklern. Diese Erfolgsgeschichten feiern Solo-Entwickler, die mit innovativen Ideen und moderner Technologie das Kunststück vollbringen, Triple-A-Studioprobleme zu umgehen und ihre Projekte dennoch gewinnbringend zu veröffentlichen. Doch die Kehrseite ist, dass viele Sektoren innerhalb der Spieleentwicklung nicht mehr dieselbe Stabilität bieten können wie noch vor wenigen Jahren. Die mangelnde Nachfrage nach festangestellten Textern, Künstlern und Komponisten bedeutet, dass diese in ein immer prekäres Arbeitsverhältnis gedrängt werden. Die prekären Umstände für Kreativkräfte wie Künstler und Autoren sind nicht neu, aber sie verschärfen sich durch diese Deprofessionalisierung massiv.
Viele Designer und Entwickler agieren heute als Einzelkämpfer oder auf Projektbasis, was weniger soziale Sicherheit und oft unregelmäßige Einkünfte bedeutet. Hinzu kommt, dass Fortschritte in der Entwicklungstechnologie zwar vielen Solo-Entwicklern helfen, ihre Visionen umzusetzen, doch gleichzeitig die Anforderungen an bestimmte Fachrollen verschwinden lassen, oder sie gänzlich automatisieren. Beispielsweise wird die künstlerische Produktion durch zunehmend günstige Outsourcing-Dienstleister oder KI-Technologien bedroht, die Standardgrafiken generieren, wenn auch qualitativ noch nicht auf dem Niveau menschlicher Künstler. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Unternehmenskultur der großen Publisher. Diese kämpfen zunehmend damit, ihre komplexen, teuren Projekte rentabel zu machen, was nach unten durchschlägt.
Die daraus resultierende Verunsicherung löst Kündigungswellen und eine Reduzierung festangestellter Teams aus. Ein Beispiel dafür ist auch die Entwicklung in der narrativen Gestaltung von Spielen. Immer mehr erfolgreiche Titel setzen auf Minimalgeschichten oder storyarme Multiplayer-Erlebnisse, wodurch die Rolle von professionellen Autoren immer weiter marginalisiert wird. Das zeigt sich unter anderem in den Statistiken der GDC-Umfrage 2025, wonach Narrative Professionals überdurchschnittlich häufig von Entlassungen betroffen sind. Die Deprofessionalisierung ist also kein bloßer Begriff, sondern ein komplexes Phänomen, das die gesamte Branche beeinflusst.
Besonders erschreckend daran ist, dass es nicht nur kleine Teams und Indie-Studios betrifft, sondern die gesamte Wertschöpfungskette der Videospielentwicklung unter Druck setzt. Es entsteht ein System, in dem kreative Tätigkeiten auf das Minimum reduziert werden und viele Aufgaben nicht mehr als Teil eines festen Teams, sondern als austauschbare Dienstleistungen betrachtet werden. Dadurch geht wertvolles Fachwissen und die Tiefe, die große und mittelgroße Teams eigentlich bieten sollten, verloren. Eine mögliche Chance liegt in der Tatsache, dass der unabhängige Indie-Markt weiterhin profitabel bleibt. Im Gegensatz zu anderen kreativen Industrien können Indie-Spiele in finanzieller Hinsicht tatsächlich Erfolge feiern, was den Bereich für innovative und entschlossene Entwickler attraktiv macht.
Doch gleichzeitig bleibt die harte Realität bestehen: Die allermeisten Indie-Projekte scheitern kommerziell, und viele Entwickler sind auf externe Investitionen, Plattformgebühren und Dienstleister angewiesen, die enorme Gewinne abschöpfen, ohne dass ein stabiler Job für die Entwickler daraus entsteht. Branchenkenner argumentieren, dass ein Umdenken in großen Studios nötig ist, um diese Entwicklung zu bremsen oder zumindest auszugleichen. Effizienteres Management und eine stärkere Fokussierung auf Teamzusammenhalt könnten helfen, festangestellte Rollen zu erhalten und den großen Studios erlauben, weiterhin qualitativ hochwertige und physisch große Projekte umzusetzen, ohne durch kurzfristige wirtschaftliche Zwänge geplagt zu werden. Letztlich ist die Herausforderung, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der innovativen Dynamik kleiner Teams und der stabilen Professionalität großer Entwicklungsstrukturen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Deprofessionalisierung einerseits die Spieleindustrie aufrüttelt und neue kreative Möglichkeiten schafft, andererseits aber eine Unsicherheit für viele Fachkräfte mit sich bringt.
PAX East 2025 war ein deutliches Spiegelbild dieser Entwicklungen: Kleine Teams und Solo-Entwickler nehmen den Großteil der Bühne ein, während traditionelle Karrieren in etablierten Studios und Spezialistenpositionen immer seltener werden. Für die Industrie als Ganzes bedeutet das eine Zeit des Umbruchs, in der kreative, wirtschaftliche und soziale Fragen neu verhandelt werden müssen, um langfristig eine vielfältige und lebensfähige Branche zu sichern.