TFI International, einer der führenden nordamerikanischen Logistik- und Transportdienstleister, hat angekündigt, seine Pläne für umfangreiche Fusionen und Übernahmen im Jahr 2025 vorerst auf Eis zu legen. Diese Entscheidung fiel aufgrund der vorherrschenden Unsicherheiten im Bereich der Zollregelungen und Tarife, die derzeit die internationalen Handelsbeziehungen prägen. In der jüngsten Quartalskonferenz erklärte CEO Alain Bédard, dass das Unternehmen „von größeren Transaktionen Abstand nehmen wird“, bis mehr Klarheit über die zukünftige Entwicklung der Zollpolitik herrsche. Dabei musste TFI sogar von einer „großartigen Deal-Möglichkeit“ Abstand nehmen, die für beide Parteien – den Verkäufer und das Unternehmen – vorteilhaft gewesen wäre. Die Entscheidung verdeutlicht eindrucksvoll, wie unstabile politische Rahmenbedingungen Unternehmen zu defensiven strategischen Maßnahmen zwingen können – selbst dann, wenn attraktive Übernahmekandidaten zur Verfügung stehen.
TFI International gehört seit Jahren zu den aktivsten Akteuren im Sektor der Logistikfusionen und -übernahmen in Nordamerika. Die Tatsache, dass das kanadische Unternehmen nun bewusst das Tempo bei M&A-Geschäften drosselt, ist ein bemerkenswerter Wendepunkt in der bisherigen Expansionsstrategie. In den letzten zwölf Monaten hat TFI insgesamt 90 Einrichtungen aus Akquisitionen hinzugefügt und dabei dank Terminalkonsolidierungen die Gesamtzahl der Standorte um 64 reduziert. Dieses Wachstum wurde durch diverse Übernahmen ermöglicht, darunter die Integration von Unternehmen wie Daseke, JHT Holdings, Sharp Trucking Services sowie der Kauf mehrerer Yellow Corp.-Terminals in den USA.
Außerdem erwarb TFI im Jahr 2021 das ehemalige UPS-Frachtgeschäft und schuf so die Tochtergesellschaft TForce Freight, die im Bereich Less-Than-Truckload (LTL) operiert und noch immer als wichtige Säule im Geschäftsportfolio gilt. Trotz dieser expansiven Aktivitäten signalisierte CEO Bédard, dass für das laufende Jahr nur noch „minimale M&A-Aktivitäten“ geplant seien. Stattdessen richtet das Management den Fokus auf den Rückkauf eigener Aktien und die Optimierung des US-LTL-Geschäfts. Insbesondere bei TForce Freight soll die operative Effizienz gesteigert werden, um eine Betriebskostenquote von 90 oder darunter zu erreichen. Ein ambitioniertes Ziel, wenn man bedenkt, dass der kanadische LTL-Bereich von TFI bereits eine Betriebskostenquote von etwa 80 vorweisen kann.
Diese Maßnahme zielt darauf ab, die Rentabilität zu verbessern und das Unternehmen für zukünftige, größere Deals besser aufzustellen, wenn die Zollunsicherheiten abnehmen. Die zögerliche Haltung gegenüber M&A wird durch die weiterhin ungewisse Zollpolitik begünstigt, die sich auf internationale Handelsprozesse und die Kosteneffizienz der Logistikketten auswirkt. Handelstarife und Importzölle können direkte Auswirkungen auf die Gewinne von Unternehmen haben, die stark vom grenzüberschreitenden Warenverkehr abhängig sind. Die Unsicherheiten erschweren langfristige Investitionsentscheidungen, da unbekannte Tarifeureinschläge das Risiko von Mehrkosten und Wettbewerbsnachteilen bergen. Somit ist die Zurückhaltung von TFI auch als Schutzstrategie zu verstehen, mit der das Risiko von Investitionen in einem volatilen wirtschaftlichen Umfeld begrenzt wird.
Die finanzielle Situation bei TFI International bleibt dennoch solide. Das Unternehmen verzeichnete im letzten Quartal einen Free Cashflow von über 190 Millionen US-Dollar, was ausreichend finanzielle Flexibilität für zukünftige Investitionen bietet. Diese Liquidität verschafft TFI die Möglichkeit, bei einer verbesserten Marktsituation und stabileren Handelsbedingungen wieder offensiver im Bereich Fusionen und Übernahmen tätig zu werden. Der Fokus auf organisches Wachstum und operative Verbesserungen in den verbleibenden Monaten des Jahres 2025 lässt außerdem vermuten, dass das Management auf ein strategisches Timing setzt, um bei einem Rückgang der Zollunsicherheiten gezielt größere Akquisitionen zu tätigen. Die Ankündigung, größere M&A-Transaktionen zunächst zu verschieben, markiert auch eine Verschiebung in der langfristigen Strategie von TFI International.
Während langfristig weiterhin größere US-Übernahmen angestrebt werden, zeigt das aktuelle Vorgehen das pragmatische Bewusstsein für die volatilen Rahmenbedingungen und die nachhaltige Sicherung der Unternehmensstabilität. Ein Abwarten auf politische und wirtschaftliche Klarheit hat in der Vergangenheit vielen Unternehmen geholfen, teure Fehlinvestitionen und verzögerte Synergieeffekte zu vermeiden. Darüber hinaus hat TFI dem Daseke-Kauf im April 2024 eine besondere Bedeutung beigemessen. Daseke soll laut Aussagen aus der Q3-2024-Gewinnkonferenz als eigenständiges Unternehmen ausgegliedert werden. Dieser Prozess wurde jedoch vorerst pausiert, bis ein weiterer, bedeutender LTL-Anbieter erworben werden kann.
Der Spin-off von Daseke evidenziert die strategische Neuausrichtung von TFI, die darauf abzielt, das Portfolio zu optimieren und gleichzeitig segment-spezifische Wachstumsmöglichkeiten zu erschließen. In den vergangenen zwei Jahren haben die Übernahmen von JHT Holdings, Hercules Forwarding, Sharp Trucking Services und LJW Tank Lines dazu beigetragen, das Netzwerk und die Marktposition von TFI International deutlich auszubauen. Der Fokus lag dabei verstärkt auf der Stärkung von regionalen Präsenzpunkten und der Synergienutzung zwischen den verschiedenen Tochterfirmen. Der Erwerb von Yellow Corp.-Terminals in Kalifornien, Kentucky und North Carolina unterstreicht ebenfalls die ambitionierte Wachstumsstrategie in Schlüsselregionen der USA.
TFI International reagiert somit auf geopolitische und wirtschaftliche Herausforderungen mit einer Rückbesinnung auf Kernkompetenzen und die operative Konsolidierung. Die Anpassung der M&A-Strategie an die komplexen Handelsbedingungen ist ein Zeichen nachhaltiger Unternehmensführung, die neben Wachstum auch Risiko- und Kostenmanagement in den Mittelpunkt stellt. Diese Fokussierung dürfte langfristig dazu beitragen, dass TFI nach einer möglichen Beruhigung der Zollpolitik gestärkt aus der aktuellen Unsicherheitsphase hervorgeht. Im Kontext der weltweiten Lieferkettenprobleme und der sich wandelnden Handelslandschaft ist das Verhalten von TFI ein Fallbeispiel dafür, wie Unternehmen Reaktionsfähigkeit und Flexibilität in herausfordernden Zeiten zeigen. Die Entscheidung, auf größere Deals zu verzichten und stattdessen in operative Effizienz und kleinere Akquisitionen zu investieren, sendet ein klares Signal an Investoren und Branchenakteure, dass das Unternehmen seine Strategie kontinuierlich an externe Einflüsse anpasst und dabei nachhaltigen Wert für seine Stakeholder schafft.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass TFI International mit dem vorübergehenden Verzicht auf größere Fusionen und Übernahmen eine vorsichtige und zugleich vorausschauende Strategie verfolgt. Trotz der aktuellen Unsicherheiten im Handelsumfeld bleibt das Unternehmen finanziell stark aufgestellt und nutzt die Gelegenheit, seine internen Prozesse zu verbessern und die Basis für zukünftiges Wachstum zu legen. Sobald die Tariflage klarer wird, dürfte TFI zu seinen ambitionierten Expansionsplänen zurückkehren und die M&A-Aktivitäten wieder intensivieren. Bis dahin steht die Stabilität im Vordergrund – eine pragmatische Vorgehensweise in unruhigen Zeiten.