Der rabattorientierte Online-Marktplatz Temu hat seit seiner Gründung Ende 2022 eine rasante Erfolgsgeschichte hingelegt. Mit günstigen Preisen und einem Geschäftsmodell, das direkt chinesische Händler mit US-Konsumenten verbindet, gelang es Temu, in kürzester Zeit zu einem der am häufigsten heruntergeladenen Shopping-Apps in den Vereinigten Staaten aufzusteigen. Doch der jüngste Anstieg der Zölle auf chinesische Importe, der von der US-Regierung unter Präsident Donald Trump veranlasst wurde, zeigt deutliche Auswirkungen auf die Handelsplattform und den Wettbewerb im US-Einzelhandel. Analysten beobachten einen signifikanten Rückgang des Kundenengagements, der wahrscheinlich fortbestehen wird, sofern die Zollpolitik nicht angepasst wird. Die Einführung einer hohen tarifären Belastung von 145 Prozent auf chinesische Waren sowie die Abschaffung einer bisherigen Ausnahmeregelung auf den Handel mit China erschweren Temu den Zugang zum US-Markt erheblich.
Während zuvor die sogenannte de minimis-Exemption E-Commerce-Händler wie Temu und Shein befähigte, Waren unter einem bestimmten Wert zollfrei zu verschicken, wurde diese Regelung im Mai 2025 aufgehoben – ein schwerer Schlag für das Geschäftsmodell dieser Plattformen. Die Auswirkungen dieser politischen Maßnahmen werden durch Erhebungen von Morgan Stanley untermauert. Deren Analysten beobachteten, dass die Anzahl der Konsumenten, die in den letzten drei Monaten auf Temu einkauften, von einem Höchstwert von 27 Prozent im Herbst 2023 auf 19 Prozent im April 2025 gesunken ist. Parallel dazu sanken die wöchentlichen aktiven Nutzerzahlen der App in den letzten Wochen des April um fast die Hälfte, was einen starken Rückgang des Kundeninteresses anzeigt. Diese Daten spiegeln wider, dass die zuvor aggressive Wachstumsstrategie von Temu sowie erhebliche Werbeinvestitionen, darunter prominente Super-Bowl-Werbung, durch die aktuellen Handelsregelungen erheblich gebremst werden.
Temu reagierte bereits auf die veränderten Rahmenbedingungen, indem sie die Direktlieferung aus China einstellten und stattdessen verstärkt auf lokale Lagerhäuser und Verkäufer innerhalb der USA setzen. Ob dieser Wechsel es Temu ermöglichen wird, seine Preisvorteile gegenüber Konkurrenten wie Amazon aufrechtzuerhalten, ist derzeit noch ungewiss. Das veränderte Liefermodell bringt höhere Kosten mit sich, die sich zwangsläufig auf die Endpreise für Verbraucher auswirken könnten. Höhere Preise bedeuten jedoch auch, dass Temu seine bisherige starke Attraktivität als günstige Alternative verliert, was zu einem weiteren Rückgang der Kundengunst führen kann. Für US-Einzelhändler bedeutet die Euphorie rund um Temu in den letzten Jahren eine bedeutende Konkurrenz.
Händler wie Ross Stores oder Burlington Stores beispielsweise sehen sich einer neuen, budgetorientierten Kundenschicht gegenüber, die zuvor durch Temu angezogen wurde. Mit der Abschwächung von Temu infolge der Zollmaßnahmen könnte sich der Wettbewerb vorübergehend entspannen und den heimischen Händlern wieder einen Vorteil verschaffen. Dennoch ist die Situation vielschichtig. PDD Holdings, die Muttergesellschaft von Temu, steht als chinesisches Unternehmen unter verstärkter Beobachtung und muss sich an eine neue Realität anpassen, in der globale Handelskonflikte direkten Einfluss auf Geschäftsmodelle und Börsenbewertungen nehmen. Bereits im April 2025 meldete PDD in einem Jahresbericht gemäß regulatorischer Anforderungen, dass die steigenden Zölle sowie die anhaltende Unsicherheit im internationalen Handel Risiken für die Geschäftsentwicklung darstellen.
Die steigenden Importkosten können nicht nur den Absatz verringern, sondern auch zu höheren Verbraucherpreisen führen, was die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Börsenteilnehmer reagieren auf diese Entwicklungen ebenfalls. Die Aktien von PDD Holdings gaben an einem Handelstag um mehr als zwei Prozent nach, nachdem noch Anfang des Jahres ein positives Wachstum von rund zwölf Prozent zu verzeichnen war. Seit dem Höchststand im März 2025 verlor die Aktie fast ein Fünftel ihres Werts, was auf die Sorgen der Investoren in Bezug auf die Auswirkungen der Zollpolitik hindeutet. Aus Sicht von Branchenexperten ist die Zukunft von Temu im US-Markt abhängig von mehreren Faktoren.
Zum einen ist die Dauer und Stabilität der aktuellen Zollbestimmungen entscheidend. Sollte sich das Handelsumfeld langfristig nicht entspannen, ist damit zu rechnen, dass Temus Bedrohung für etablierte US-Händler weiter abnimmt. Zum anderen spielen Anpassungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit von Temu eine Rolle. Die Umstellung auf lokale Lagerhaltung und Verkäufer ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch es bleibt herausfordernd, die Kostenstruktur so zu gestalten, dass Kunden weiterhin mit attraktiven Preisen gelockt werden können. Zudem verändert sich das Konsumentenverhalten in Reaktion auf politische Entscheidungen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
Verbraucher werden zunehmend preissensibler und wählen Plattformen mit transparenten Kosten und schnellen Lieferzeiten. Traditionelle Einzelhändler und Online-Händler können von dieser Entwicklung profitieren, indem sie ihre Logistik- und Serviceleistungen ausbauen und die lokalen Marktgegebenheiten besser nutzen. Insgesamt lässt sich erkennen, dass Temu in einer turbulenten Zeit steht, in der globale Wirtschafts- und Handelspolitik direkt Auswirkungen auf seinen Erfolg und die Wettbewerbslandschaft in den USA haben. Die Tarife setzen dem schnellen Wachstum temporär enge Grenzen und führen zu einem Rückgang der Nutzerzahlen und der Kundenzufriedenheit. Dennoch bleibt abzuwarten, ob und wie das Unternehmen seine Strategie langfristig anpasst, um wieder wettbewerbsfähig zu werden und seine Position am US-Einzelhandelsmarkt zu festigen oder zurückzugewinnen.
Unabhängig davon bieten die aktuellen Entwicklungen wertvolle Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen Handelspolitik, E-Commerce-Geschäftsmodellen und Verbraucherpräferenzen. Für Händler, Investoren und Konsumenten gleichermaßen sind diese Trends von großer Bedeutung und werden die Zukunft des Einzelhandels in den Vereinigten Staaten maßgeblich beeinflussen.