Die Debatte um die Verwendung von Fluorid zur Kariesprävention ist älter als viele denken und wird nun durch eine Ankündigung der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) erneut neu entfacht. Nach jahrzehntelanger Einsatzpraxis plant die FDA, verschreibungspflichtige Fluorid-Tropfen und Tabletten für Kinder vom Markt zu nehmen. Diese Entscheidung sorgt für breite Diskussionen in medizinischen und elterlichen Kreisen und wirft viele Fragen auf – insbesondere hinsichtlich der Sicherheit, Wirksamkeit und Alternativen bei der Kariesvorbeugung. Fluorid ist ein Mineral, das seit fast 80 Jahren als Mittel gegen Zahnerkrankungen bekannt ist. In zahlreichen Ländern wird Trinkwasser fluoridiert, außerdem enthalten viele Zahnpasten und Mundspülungen Fluorid als aktiven Wirkstoff.
Verschreibungspflichtige Fluoridpräparate wie Tabletten oder Tropfen werden vor allem Kindern empfohlen, die in Regionen mit niedrigem Fluoridgehalt im Trinkwasser leben und ein erhöhtes Kariesrisiko aufweisen. Die FDA hat nun angekündigt, den Prozess zur Entfernung dieser Präparate einzuleiten und dabei eine Überprüfung der aktuell vorliegenden Sicherheitsdaten durchzuführen. Der Fokus der Untersuchungen liegt auf möglichen Risiken, die der Einnahme von systemic fluorid-haltigen Präparaten vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern zugesprochen werden. Die Behörde nennt dabei potenzielle Auswirkungen auf den kindlichen Darm-Mikrobiom, eine Gewichtszunahme, Schilddrüsenerkrankungen und im schlimmsten Fall eine Abnahme des Intelligenzquotienten. Diese Äußerungen stoßen in der Fachwelt auf starken Widerspruch.
Zahnexperten weisen darauf hin, dass die Risiken durch Fluorid nur minimal sind und insbesondere in Form der sogenannten dentalen Fluorose auftreten – einer kosmetischen Veränderung der Zahnoberflächen, die weiße oder bräunliche Verfärbungen hervorruft, jedoch keine gesundheitsgefährdenden Auswirkungen darstellt. Die positiven Effekte von Fluorid auf die Zahngesundheit seien hingegen gut belegt und maßgeblich daran beteiligt, dass Kindern heute eine Zahn- und Mundgesundheit ermöglicht wird, die frühere Generationen oft nicht kannten. Die Aussage der FDA, der beste Schutz vor Karies liege in der Reduktion von Zucker und der Einhaltung guter Mundhygiene, wird auch von Zahnärzten nicht bestritten. Tatsächlich ist der übermäßige Konsum von Zucker einer der Hauptfaktoren für die Zunahme von Zahnkaries, musste aber über Jahrzehnte durch zusätzliche Maßnahmen wie Fluoridversorgung ergänzt werden. Die Entfernung von Fluoridtabletten und -tropfen könnte, so warnen sie, dazu führen, dass Kinder wieder häufiger an Karies erkranken und letztlich mit größeren Schäden und aufwendiger Behandlung konfrontiert werden.
Die FDA begründet die Maßnahme zudem mit einer aktuellen Analyse von Studien, die Fluorid möglicherweise mit negativen Veränderungen im Darm-Mikrobiom und Entwicklungsschäden in Verbindung bringen. Die vorgelegten Studien sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da ein Großteil der untersuchten Forschungsergebnisse entweder aus Tierversuchen stammen oder hohe Fluoridkonzentrationen umfasst, die weit über dem in den USA üblichen liegen. Zudem weisen Experten darauf hin, dass der kausale Zusammenhang zwischen Fluorid-Exposition und kognitiven Defiziten bisher nicht klar belegt ist. In den USA haben einige Bundesstaaten wie Utah und Florida bereits die Zugabe von Fluorid in das öffentliche Wasserversorgungssystem verboten oder stark eingeschränkt, was die Debatte weiter verstärkt. Aus Sicht vieler Zahnärzte schränkt dies jedoch die Möglichkeiten zur Kariesprophylaxe empfindlich ein, besonders bei sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen, die weniger Zugang zu professioneller Zahnpflege und fluoridhaltigen Produkten haben.
Auch der Einfluss von politischen und gesellschaftlichen Bewegungen, die Fluorid als schädliches „Industrierückstand“ oder „Gift“ darstellen, trägt zur Verunsicherung bei. Prominente Aktivisten aus dem Gesundheitsbereich kritisieren die jahrzehntelange Nutzung von Fluorid und fordern ein vollständiges Ende der Fluoridierung – ungeachtet der wissenschaftlichen Evidenzlage, die den Nutzen deutlich hervorhebt. Die Entscheidung der FDA könnte zudem Auswirkungen auf die ärztliche und zahnärztliche Praxis haben. Pädiatrische Zahnärzte in Regionen mit nicht fluoridiertem Wasser nutzen Fluoridtabletten und -tropfen als wichtige präventive Maßnahme. Die geplante Entfernung dieser zugelassenen Produkte vom Markt würde es Eltern erschweren, ihre Kinder ausreichend mit Fluorid zu versorgen, wenn kein fluoridiertes Trinkwasser vorhanden ist.
Alternativen zu verschreibungspflichtigen Fluoridpräparaten sind begrenzt. Die tägliche Zahnpflege mit fluoridhaltiger Zahnpasta ist zwar wirksam, wird aber von Kleinkindern häufig ausgespuckt, sodass eine systemische Aufnahme fehlt. Ältere Kinder profitieren zudem von fluoridhaltigen Mundspülungen, die jedoch nicht für Säuglinge geeignet sind. Somit besteht die Sorge, dass eine Reduzierung der gesamten Fluoridversorgung einen Rückschritt in der Kariesbekämpfung bedeutet. Die öffentliche Gesundheitsdebatte bleibt also spannend und vielschichtig.
Während die FDA sich verpflichtet hat, bis Ende Oktober eine umfassende Bewertung der Risiken und Nutzen vorzulegen, fordern viele Fachleute eine evidenzbasierte, differenzierte Betrachtung, die Kinder nicht unnötig gefährdet, aber gleichzeitig elterliche Wahlfreiheit berücksichtigt. In Deutschland ist die Situation vergleichbar, wenngleich Fluoridtabletten hierzulande weniger verbreitet sind als in den USA. Die Fluoridierung des Trinkwassers findet kaum statt, allerdings empfehlen Zahnärzte oft die Gabe von Fluoridtabletten für Kleinkinder in kariesgefährdeten Familien. Die Diskussion über Systemfluorid und seine Sicherheit wird auch hier aufmerksam verfolgt. Die Ergebnisse aus den USA könnten mittelfristig Einfluss auf lokale Empfehlungen und Gesundheitsrichtlinien nehmen.