Die digitale Welt verlangt zunehmend nach schnellen, effizienten und zugleich energiesparenden Berechnungsmethoden, die sowohl in hochkomplexen als auch in Edge-Computing-Anwendungen eine zentrale Rolle spielen. Besonders die Verarbeitung von Differentialen – einem Grundstein mathematischer, physikalischer und ingenieurtechnischer Berechnungen – stellt digitale Systeme vielfach vor Herausforderungen. Klassische Digitalprozessoren benötigen hierfür oft eine aufwendige Datenübertragung zwischen Speicher und Recheneinheit, was Zeit sowie Energie in erheblichem Maße beansprucht. Die jüngst entwickelte In-Memory Ferroelectric Differentiator Technologie setzt genau hier an und revolutioniert die Art und Weise, wie Differenzrechnungen durchgeführt werden können. Sie basiert auf der Nutzung der dynamischen Verhaltensweise von ferroelectric domain reversal, welche Differenzen von Informationen direkt im Speicher generiert.
Diese innovative Lösung ersetzt komplexe Rechenprozesse durch eine effiziente, analoge Hardware-Computing-Methode, die maßgeblich den Energieverbrauch senkt und gleichzeitig die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung steigert. Das Funktionieren dieser Technologie beruht auf einem Speicherbaustein, der aus einer 40×40 passiven crossbar array Struktur von ferroelectric Polymer-Kondensatoren besteht. Die eingesetzten P(VDF-TrFE)-Copolymer-Filme besitzen ausgeprägte ferroelektrische Eigenschaften, welche es ermöglichen, elektrische Polarisierungen reversibel zu schalten und so Informationseinheiten darzustellen. Durch die polarisationsabhängige Umkehrung der Domänenorientierung entsteht ein messbarer Verdrängungsstrom, der als Differenzsignal interpretiert wird. Diese physikalische Eigenschaft wird ausgenutzt, um Informationen zwischen aufeinanderfolgenden Signalen zu differenzieren ohne die Notwendigkeit intensiver Datenübertragungen.
Die praktische Umsetzung der In-Memory Ferroelectric Differentiator bietet mehrere Vorteile gegenüber herkömmlichen digital basierten Differentialrechnern. Eine der entscheidenden Stärken ist die Reduktion des Datenvolumens, das zwischen Speicher und Verarbeitungseinheit übermittelt wird, da Differenzbildungen direkt im Speicher erfolgen. Dadurch sinkt nicht nur der Zeitaufwand, sondern ebenso der Energieverbrauch dramatisch. Laut aktuellen Forschungsergebnissen beträgt der Energiebedarf pro Differentialrechnung oftmals nur noch 0,24 Femtjoule. Im Vergleich zu CPU- und GPU-basierten Systemen ist das eine enorme Effizienzsteigerung, die Gerätehersteller und Entwickler für Anwendungen im Internet der Dinge (IoT) oder hochwertigen Echtzeit-Bildverarbeitungen besonders attraktiv macht.
Ferner zeigt die Technologie eine bemerkenswerte Robustheit gegenüber sogenannten 'Sneak Paths', also unerwünschten Leitungswegen innerhalb der Speicher-Arrays, die häufig passive Speicherstrukturen beeinträchtigen. Die nichtlineare, scharfe Umschaltcharakteristik der ferroelektrischen Domänen sorgt dafür, dass nur Zellen mit ausreichend Spannung umgeschaltet werden, während andere durch geringere Spannungseinflüsse unbeeinträchtigt bleiben. Diese Eigenschaft ist für stabile, fehlerfreie Speicheroperationen unverzichtbar und ermöglicht die Skalierbarkeit der Technologie für groß dimensionierte Arrays. Die Anwendungsfelder der In-Memory Ferroelectric Differentiator sind vielseitig und umfassen neben der Lösung mathematischer Differenzialgleichungen auch anspruchsvolle visuelle Aufgaben. Ein exemplarisches Beispiel ist das Entfernen von Bewegungsunschärfen und die Extraktion bewegter Objekte aus Bildsequenzen.
Hierbei werden Bilddaten von CMOS-Bildsensoren in eine Folge von Spannungsimpulsen umgewandelt und der ferroelectricen Speicherstruktur zugeführt. Aufgrund der nichtflüchtigen Natur der Unterschiede in der Polarisierungsorientierung registriert die Hardware automatisch nur jene Pixel, die sich zwischen zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Bildern geändert haben. Das Ergebnis ist eine äußerst effektive automatische Erfassung von Bewegungsinformationen ohne zusätzlichen Rechenaufwand. Darüber hinaus ist die Frequenzbandbreite der Differentiator-Technologie bemerkenswert – aktuelle Implementierungen zeigen Arbeitsgeschwindigkeiten bis zu 1 MHz, was für viele Echtzeit-Anwendungen, wie Videoüberwachung, Gestenerkennung oder autonome Fahrzeuge, mehr als ausreichend ist. Es wird erwartet, dass durch den Einsatz anderer ferroelektrischer Materialien, insbesondere solcher mit noch schnellerer Domänenumschaltung, die Geschwindigkeit auf sub-pikosekunden-Ebene steigen kann, was die Integration in Hochleistungs-Rechensysteme weiter vorantreiben wird.
Ein weiteres Highlight der Technologie ist die hervorragende Speicherretention: Ferroelectric-Kondensatoren bewahren ihre Polarisierungsinformation über Tage hinweg ohne Informationsverlust. Dies ermöglicht es, Bildunterschiede auch über sehr lange Zeiträume festzuhalten und zu analysieren – beispielsweise zur Erkennung von Veränderungen an Überwachungsorten über Stunden oder sogar Tage hinweg, ohne dass frühere Bilddaten erneut geladen oder gespeichert werden müssen. In praktischen Versuchen wurde der Einsatz der In-Memory Ferroelectric Differentiator beispielsweise für die Detektion von seitlichen Bewegungen in Videos gezeigt, was die Technologie zu einer wertvollen Komponente in biomimetischen Systemen und künstlichen neuronalen Netzen macht, die eine lokale und parallele Informationsverarbeitung anstreben. Die Anlehnung an biologische Systeme wie das visuelle Verarbeitungszentrum von Fröschen unterstreicht das Potenzial dieser Technologie für fortschrittliche visuelle Sensornetzwerke und verteilte Verarbeitungssysteme. Nicht zuletzt zeigt die Anwendung in industriellen Szenarien wie der Defekterkennung auf Siliziumwafern oder der Überwachung von Schienenwegen die breitgefächerte Nutzbarkeit.