Die Gesundheitsbranche in den Vereinigten Staaten hat sich in den letzten Jahren stark verändert und ist gleichzeitig komplexer und undurchsichtiger geworden. Insbesondere in Südflorida hat sich eine Schattenwirtschaft rund um den Vertrieb von Krankenversicherungen herausgebildet, die nicht nur mit legalen Grauzonen arbeitet, sondern oftmals auch die Grenzen zu unethischem und möglicherweise illegalem Verhalten überschreitet. Die zentrale Figur in diesem kontroversen Wirtschaftszweig ist Matt Herman, alias „Money Matt“, dessen Lebensstil und Geschäftspraktiken stellvertretend für die dunklere Seite des Gesundheitsmarktes stehen. Unterstützt von mächtigen Investoren wie Bain Capital, einem global agierenden Private-Equity-Giganten, entstand ein Netzwerk von Callcentern und Marketingfirmen, die mithilfe irreführender Werbestrategien tausende Menschen in vermeintlich lukrative Krankenversicherungsverträge locken. Das Geschäftsmodell beruht häufig auf einem perfiden Missverständnis.
Werbetreibende schalten Anzeigen, die suggerieren, der Staat würde hohe Geldsummen in Form von „Cash Cards“ oder direkten Zuschüssen verschenken – oft erscheinen prominente Gesichter wie fiktive, mittels künstlicher Intelligenz (KI) erschaffene Abbilder von Taylor Swift, Joe Rogan oder Steve Harvey, die ihre vermeintliche Empfehlung abgeben. Diese Anzeigen suggerieren, dass jede Person, die anruft, mehrere tausend Dollar erhalten könne, was jedoch offiziell vom Weißen Haus oder den zuständigen Behörden mehrfach dementiert wurde. Tatsächlich geht es bei den vermittelten Produkten um subventionierte Obamacare-Krankenversicherungen, die nach Abzug dieser Zuschüsse oftmals kostenlos sind. Doch die Art der Vermittlung, die oft unerlaubte oder uninformierte Umschreibungen bestehender Policen beinhaltet, sorgt für zahlreiche Probleme bei den Betroffenen. Die Callcenter, die solche Versicherungsabschlüsse vertreiben, finden sich zahlreich in Südflorida – ein Hotspot für Gesundheitsversicherungsvermittlung, der sowohl erfahrene als auch skrupellose Akteure anzieht.
Die Räumlichkeiten sind mitunter bewacht, und der Führungsstil erinnert eher an eine kommerzielle Machthierarchie als an ein reguläres Unternehmen. Bei Enhance Health LLC, der Firma von Matt Herman, stehen die Zeichen auf Expansion. Mit Unterstützung von Private-Equity-Investoren wurde aus vermeintlich „langweiligen“ Versicherungsvermittlungen ein florierendes Geschäft, das in 2023 über eine Million Abschlüsse vermelden konnte. Doch dieser Erfolg hat seinen Preis. Viele Kunden werden durch irreführende Werbung in diese Verträge gedrängt, die oft nicht die versprochene Leistung bringen.
Es handelt sich häufig um sogenannte „Junk Insurance“ – Versicherungspolicen, die ein Mindestmaß an Deckung bieten, aber bei wichtigen medizinischen Behandlungen kaum Schutz gewähren. Die Kunden, oftmals Menschen mit geringem Einkommen, stehen nach Vertragsabschluss häufig vor unerwarteten Kosten, eingeschränkten Arztbesuchen oder gar dem Verlust zuvor bestehender, sinnvoller Policen. Besonders gravierend ist, dass viele Betroffene nicht einmal wissen, dass sie von ihrem vorherigen Versicherer abgemeldet wurden. Die Akteure in diesem Geschäft kennen ihre Zielgruppe genau: Menschen, die in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage sind, wenig Erfahrung mit Versicherungen haben und sich von attraktiven Versprechen wie „kostenloser Geldzuwendung“ schnell locken lassen. Gleichzeitig profitiert die Telemarketing-Branche von hohen Provisionen, die teilweise mehrere hundert Dollar pro Abschluss betragen.
In der Folge steht nicht das Wohl der Kunden im Mittelpunkt, sondern der schnelle Profit für die Vertriebe und deren Manager. Während Matt Herman seinen Status als „Hip-Hop-Mogul“ und Lifestyle-Influencer mit extravaganten Fahr- und Luxusgegenständen zelebriert, machen sich andere ehemalige Mitarbeiter Sorgen über die ethischen Abgründe des Geschäfts. Einstige Vertriebsmitarbeiter berichten von Methoden, mit denen Kunden zum Teil wider besseres Wissen von ihren bestehenden Versicherungen weg gelockt wurden, um bei Enhance oder angeschlossenen Vertrieben neue, oft schlechtere Verträge abzuschließen. Teilweise mussten Mitarbeiter sogar bewusst irreführende Antworten geben, um den Verkauf abzuschließen. So wurden Anrufer regelmäßig im Unklaren darüber gelassen, dass sie keine frei verfügbaren Geldgeschenke erhalten und stattdessen komplexe Versicherungsverträge eingehen, die sie kaum verstehen.
Die Strategie zur Generierung von Interessenten funktioniert über ein komplexes Geflecht von sogenannten Lead-Generatoren. Diese Firmen schalten Onlinewerbung auf Plattformen wie Youtube, Google oder sozialen Medien, die potenzielle Kunden in das Vertriebsnetz locken. Häufig setzen die Lead-Generatoren ausgefeilte Marketing-Taktiken ein, bei denen die Grenze zur Täuschung verschwimmt oder deutlich überschritten wird. Ein bekanntes Beispiel ist Minerva Marketing, das von Brandon Bowsky geleitet wird, einem ehemaligen Event-Promoter, der seine Fähigkeiten im Bereich des Online-Marketings genutzt hat, um Kunden auf vielversprechende, aber irreführende Anzeigenseeds zu locken. Das Geschäftsmodell dahinter ist profitabel, sorgt aber gleichzeitig für das Leid unzähliger Verbraucher.
Nicht nur einzelne Vermittler, sondern auch globale Finanzinvestoren wie Bain Capital haben von diesem lukrativen Geschäft profitiert. Die Investoren investierten hohe Summen in Unternehmer wie Herman, die es schafften, das Netzwerk aus Callcentern und digitalen Marketingplattformen auf profitabler Basis zu skalieren. Das Interesse von Private Equity an der Krankenversicherungsvermittlung zeigt, wie lukrativ selbst vermeintlich einfache Vermittlungsmodelle sein können, wenn sie in großem Stil betrieben werden. Allerdings wirft diese Verflechtung von Finanzkapital und fragwürdigen Geschäftsmodellen die Frage auf, welche Verantwortung solche Investoren für die Praktiken ihrer Portfoliounternehmen übernehmen. Die Folgen für Verbraucher sind längst nicht nur finanzieller Natur.
Einige Betroffene berichteten von medizinischen Beeinträchtigungen, weil sie nach einem unautorisierten Versicherungswechsel nicht mehr von ihren vertrauten Ärzten behandelt wurden. Andere mussten unerwartet zu viel Geld zurückzahlen, weil die Einkommen, die sie bei der Antragstellung angaben, nicht mit ihrem tatsächlichen Verdienst übereinstimmten und dadurch Subventionsbetrug vorlag – ohne dass sie dies wussten. Die Bundesregierung verzeichnete über 270.000 Beschwerden im Jahr 2024 von Betroffenen, die ohne ihr Wissen umgemeldet oder übervorteilt wurden, doch nennenswerte Sanktionen gegen die verantwortlichen Callcenter blieben aus. Regulatorisch haben die Behörden mittlerweile reagiert und unter anderem die Möglichkeit, Policen direkt über ein Onlineportal zu wechseln, eingeschränkt.
Neu ist auch, dass Kunden nun mindestens eine symbolische Zahlung leisten müssen, um sicherzustellen, dass sie den Vertragsabschluss bewusst vornehmen. Dennoch bleibt die Gefahr, dass ähnliche Praktiken unter neuem Deckmantel oder in anderen Bundesstaaten weitergeführt werden. Insbesondere die Aussicht auf steigende Nachfrage nach preisgünstigen, aber leistungsschwachen Versicherungen unterliegt politischen Gefährdungen, die das Klima für solche Geschäftsmodelle begünstigen könnten. Die Geschichte von „Money Matt“ und seinen Komplizen zeigt exemplarisch, wie sich Unternehmertum und Profitstreben im Umfeld der US-Gesundheitsversorgung entwickeln können, wenn mangelnde Regulierung, schwache Kontrollen und aggressive Marketingstrategien aufeinandertreffen. Während die Öffentlichkeit durch irreführende Kampagnen die Hoffnung auf eine schnelle finanzielle Unterstützung gehegt hat, bekamen viele Menschen statt einer Rettungssystemleistung letztlich unerwünschte Versicherungsverträge und komplizierte finanzielle Verpflichtungen auferlegt.
Der Skandal und die damit verbundenen Klagen haben die Branche in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung nachhaltig erschüttert. Ein Weggang von Herman von der Spitze seines Unternehmens und die Rücknahme einiger Geschäftsmodelle deuten an, dass der Druck wächst. Gleichwohl ist unklar, ob dies aus eigenem Antrieb passiert oder durch die sich verstärkenden Prüfungen von Behörden und Gerichten erzwungen wurde. Viele Experten und Verbraucherschützer fordern strengere Kontrollen, mehr Transparenz und vor allem eine klare Verantwortungsübernahme durch alle Beteiligten – von den Anbietern über die Werbetreibenden bis zu den Finanzinvestoren. Südflorida als Zentrum dieses Phänomens wurde von historischen Vorfällen geprägt, die von betrügerischen Immobiliengeschäften bis hin zu anderen illegalen Finanzaktivitäten reichen.
Die Gesundheitsversicherungsvermittlung reiht sich somit in eine lange Liste von Geschäften ein, die mit sogenannten „Rooms“, also Callcentern und Vermittlernetzwerken, verbunden sind, die in der Region eine zwielichtige Rolle spielen. Diese Vergangenheit macht es umso schwieriger, die Balance zwischen nachhaltigem Wirtschaften und kurzfristigem Profit zu finden. Interessant ist, dass trotz der vielen Schattenseiten auch positive Aspekte der Versicherungsvermittlung im Rahmen von Obamacare nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Denn die Versicherungssysteme in den USA sind komplex und schwer zugänglich, gerade für Menschen mit niedrigem Einkommen. Die subventionierten Pläne ermöglichen vielen Menschen überhaupt erst einen Zugang zu medizinischer Versorgung, wenn auch zu einem oft eingeschränkten Niveau.
Die Herausforderung besteht darin, den Vertrieb dieser Produkte so zu gestalten, dass er fair, transparent und verantwortungsvoll ist. Die Zukunft des Marktes könnte durch neue gesetzliche Regelungen, verstärktes Verbraucherschutzengagement und technologische Lösungen wie verbesserte Identitätsprüfungen und Aufklärungskampagnen geprägt sein. Gleichzeitig wächst die Debatte darüber, wie digitale Werbung im Gesundheitswesen reguliert werden muss, um die Verbreitung irreführender oder sogar betrügerischer Inhalte einzudämmen. Die Balance zwischen freiem Unternehmertum und Schutz der Verbraucher wird auch hier auf die Probe gestellt. Im Kern steht jedoch der Mensch – Verbraucher, die oft in prekären Lebenslagen sind und sich von verlockenden Versprechen angesprochen fühlen.