Patricia Highsmith zählt zu den bedeutendsten und zugleich rätselhaftesten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre psychologisch dichten Thriller, die oft moralisch ambivalente Figuren und komplexe Verstrickungen zwischen Gut und Böse thematisieren. Ihr literarisches Werk hat zahlreiche Filmadaptionen inspiriert, darunter Klassiker wie Alfred Hitchcocks »Strangers on a Train«. Doch nicht nur ihre Romane, sondern auch ihre Persönlichkeit und Lebensgeschichte faszinieren Leser und Literaturkenner weltweit.
Geboren 1921 in den USA verbrachte Highsmith einen Großteil ihres Lebens zurückgezogen und außerhalb der amerikanischen Öffentlichkeit, vor allem in Europa, wo sie ihre letzten Jahre in der Schweiz verbrachte. Trotz internationaler Anerkennung zeigte sie sich im Privatleben oft widersprüchlich und von inneren Konflikten geprägt. Ihr Umgang mit ihrer eigenen Sexualität, ihr Verhältnis zur Gesellschaft und ihr leidenschaftlicher, oft kantiger Charakter spiegeln sich in ihren Werken wider. Die literarische Karriere Highsmiths wurde maßgeblich durch Hitchcock geprägt, als dieser 1951 einen ihrer Romane verfilmte. Obwohl sie mit der Veränderung der Handlung und des Endes nicht zufrieden war, ebnete die Verfilmung ihr den Weg zu größerer Bekanntheit und öffnete Türen zu weiteren Verlagsaufträgen.
Ihre Romane zeichnen sich durch akribische Figurenzeichnung aus, was besonders in der berühmten Ripley-Serie zum Ausdruck kommt. Tom Ripley, Protagonist einer Reihe von Büchern, ist ein hochintelligenter, manipulativer Antiheld, dessen moralische Flexibilität und faschistoide Ambivalenz die Leser in ihren Bann ziehen. Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte Highsmith zurückgezogen in einem von ihr selbst entworfenen Haus in Tegna, einem kleinen Ort im Tessin. Ein Mitarbeiter, der sie in ihren finalen Monaten betreute, schildert eine Frau, die einerseits von Krankheiten gebeutelt, sichtlich gebrechlich war, andererseits aber mit einer starken Kontrolle über ihren Alltag und ihre Umgebung aufwartete. Ihr Leben war geprägt von einer tiefen Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe, die vielfach unerfüllt blieb.
Sie zeigte sich eifersüchtig, dominant und oft wenig freundlich gegenüber ihrem Umfeld, blieb aber zugleich eine höchst einfühlsame Beobachterin menschlicher Abgründe. Interessant ist auch die Art und Weise, wie sie schrieb: Trotz des technischen Fortschritts blieb sie ihrer alten Schreibmaschine treu, mit der sie bereits ihre ersten Werke verfasste. Es war mehr als bloße Gewohnheit – es war eine Art Ritual, mit dem sie sich an den Anfang ihrer Karriere erinnerte und ihrer Arbeit einen besonderen Zauber verlieh. Die Beziehung zu ihrer Helferin war geprägt von einer Mischung aus Abhängigkeit, Misstrauen und vielleicht sogar Zuneigung. Manchmal erschien Highsmith kalt und zurückweisend, doch hinter dieser Fassade lag eine verletzliche Seele, die sich nach Verständnis sehnte.
Diese Spannung zwischen Nähe und Distanz zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben und wirkt sich auch auf ihre Figuren aus. In ihren letzten Monaten beschäftigte sich Highsmith intensiv mit der Bearbeitung ihres letzten Romans, »Small g: A Summer Idyll«, der das Zürcher Schwulenmilieu thematisiert und die damals grassierende AIDS-Epidemie in einer authentischen und mitfühlenden Weise darstellt. Dieses Werk erscheint wie ein letzter Versuch, am Puls der gesellschaftlichen Realität zu bleiben und ein Zeichen zu setzen. Die finanzielle Vorsorge für ihren Nachlass zeigt, dass Highsmith sich zum Schluss ihrer Karriere als wichtige Literatin verstand: Sie vermachte ihr Vermögen jener Künstlerkolonie, in der sie ihre ersten Schritte als Autorin gemacht hatte, ein Zeichen ihrer Dankbarkeit und Wertschätzung für die dort gebotene Unterstützung. Bis heute erinnern sich viele Fans und Literaturfreunde an Highsmith vor allem wegen ihrer meisterhaft konstruierten Spannung, ihren komplexen Charakteren und der dunklen Atmosphäre ihrer Geschichten.
Filme und Serien, wie die jüngst erschienene Netflix-Adaption der Ripley-Reihe, tragen dazu bei, ihr literarisches Erbe lebendig zu halten und neue Leser für ihre Werke zu begeistern. Die Persönlichkeit Patricia Highsmiths war vielseitig und nicht immer leicht zu durchschauen. Ihr Leben war durch Ängste, Zwänge und ein starkes Sicherheitsbedürfnis geprägt. Oft zeigte sie sich als Perfektionistin, die sich selbst und andere unter Druck setzte. Ihre Abneigung gegen die Öffentlichkeit, ihre phobischen Züge und die Furcht vor Bedrohungen, auch wenn diese meist rein imaginär waren, erschwerten Beziehungen zu Außenstehenden erheblich.
Dabei ist es gerade diese Mischung aus künstlerischer Genialität und persönlicher Zerrissenheit, die ihr Werk so besonders macht. Niemand anders schafft es, mit solcher Präzision und Eindringlichkeit die menschliche Psyche in ihren Abgründen zu erforschen und sie zugleich in spannungsgeladenen Geschichten zu verpacken. Ihre Protagonisten handeln oft zwiespältig, zwischen Opfer- und Täterrollen pendelnd, und werfen dabei grundlegende Fragen nach Moral, Identität und Schuld auf. Die Wiederentdeckung ihres Hauses in Tegna und die Überlegungen, es als Museum zu erhalten, zeigen das wachsende Interesse an ihrem Leben und Schaffen. Zwar wurde daraus bisher nichts, doch es unterstreicht die Bedeutung Highsmiths als Kultautor, dessen Einfluss in der Literaturwelt ungebrochen ist.
Patricia Highsmith bleibt somit eine faszinierende Figur des literarischen Schaffens, deren Geschichten zeitlos sind und deren Charaktere noch lange nachhallen. Ihre Werke laden Leser ein, sich mit den dunklen Seiten des Menschseins auseinanderzusetzen und die Grenzen zwischen Gut und Böse immer wieder neu zu hinterfragen. In einer Welt, in der die Abgründe der menschlichen Seele immer wieder Ausdruck finden, hat Highsmith ein unverzichtbares literarisches Erbe hinterlassen, das noch viele Generationen beschäftigen wird.