Lungenkrebs ist weltweit eine der tödlichsten Krebsarten und insbesondere für Raucher eine große Gefahr. Trotz jahrelanger Forschung blieben viele grundlegende Fragen zur Entstehung und Entwicklung dieser Krankheit bislang unbeantwortet. Neue Studien von führenden Forschungsinstituten aus Großbritannien liefern nun wichtige Erkenntnisse über den Ursprung eines besonders häufigen Lungenkrebs-Typs, der vor allem durch das Rauchen verursacht wird. Diese Erkenntnisse können die Zukunft der Krebsdiagnostik und -therapie maßgeblich verändern und legen den Grundstein für innovative Ansätze zur frühzeitigen Erkennung und möglicherweise Prävention der Erkrankung. Im Zentrum der aktuellen Forschung steht das sogenannte Lungen-Plattenepithelkarzinom, medizinisch als Lungen-Squamöszellkarzinom (LUSC) bezeichnet.
Es ist die zweithäufigste Form von Lungenkrebs und entsteht durch eine schrittweise Degeneration der Zellen im Atemtrakt, ausgelöst durch toxische Substanzen wie die im Zigarettenrauch enthaltenen Karzinogene. Bis vor Kurzem war allerdings unklar, welche Zelltypen genau die Krebszellen produzieren und wie diese Veränderungen im Gewebe beginnen. Ein internationales Forscherteam des University College London (UCL), des Wellcome Sanger Instituts und der Universität Cambridge hat nun in Langzeitstudien an Mäusen und Analysen menschlicher Proben herausgefunden, dass eine spezielle Gruppe von sogenannten Basalzellen im Bereich der Luftröhre für die Entwicklung des Lungen-Squamöszellkarzinoms verantwortlich ist. Diese Zellen tragen das Gen Krt5, das eine wichtige Rolle für die Zellstruktur spielt, und scheinen unter Einwirkung von Karzinogenen aus dem Rauch eine dominante Rolle einzunehmen. Sie verdrängen zunächst andere Zellen des Atemwegs und breiten sich dann weitflächig in verschiedenen Lungenlappen aus.
Diese Basalzellen sind eigentlich wichtige Stammzellen, die zur Erhaltung und Reparatur der Atemwegsschleimhaut dienen. Normalerweise befinden sie sich hauptsächlich in der Luftröhre, teilen sich kontrolliert und erzeugen sowohl Nachkommen ihrer eigenen Art als auch spezialisierten Zellen, die für Schutz- und Reinigungsfunktionen verantwortlich sind. Das Gleichgewicht dieser Zelltypen ist essenziell für eine gesunde Lungenfunktion. Doch wenn diese Zellen dauerhaft Schadstoffen wie den Karzinogenen ausgesetzt sind, gerät dieses Gleichgewicht aus den Fugen. Die Basalzellen beginnen, sich unkontrolliert auszubreiten und ersetzen dabei gesunde Zellen an anderen Stellen der Lunge.
Mithilfe von Techniken wie der Einzelzell-RNA-Sequenzierung konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die beschädigten Basalzellen vor allem dann dominieren, wenn sie eine Umgebung vorfinden, in der sie wachsen und genetische Veränderungen akkumulieren können. Dabei bilden sie eine Vorstufe zu Krebs, sogenannte präkanzeröse Läsionen, die sich noch in einem scheinbar normalen Zellzustand befinden, aber bereits den Weg zum Tumor vorbereiten. Zudem wurde ein weiterer Zelltyp identifiziert, der vermehrt auftritt, wenn diese Basalzellen die Lunge besiedeln – Zellen, die das Gen Krt13 exprimieren und eine Übergangsrolle einnehmen. Gleichzeitig nehmen einige spezialisierte Zellen ab, was das gesunde Gewebe weiter schwächt. Die Forschung bietet damit eine Erklärung, wie sich LUSC im Atemtrakt ausbreitet und warum sie so schwer zu erkennen ist, bevor echte Tumore entstehen.
Die Entdeckung, dass viele präkanzeröse Läsionen im Lungentumor vom selben Ursprungs-Basalzellklon abstammen und sogar beide Lungenflügel betreffen können, verdeutlicht die Systematik dieses Entstehungsprozesses. Diese Erkenntnisse sind von großer Bedeutung für die klinische Praxis und die Entwicklung neuer Diagnose- und Präventionsmethoden. Zum einen kann das frühzeitige Erkennen und Nachweisen der veränderten Basalzellen Patienten helfen, die besonders gefährdet sind, bevor sich invasive Tumore bilden. Die Möglichkeit, solche Zellen gezielt in Lungentests zu identifizieren, eröffnet Chancen für eine effektivere und vor allem frühere Krebsfrüherkennung. Zum anderen ermöglichen das Verständnis der Zellmechanismen und Genexpressionsprofile gezielte pharmakologische Interventionen, um das unkontrollierte Wachstum dieser Zellen zu verhindern und somit das Krebsrisiko zu senken.
Experten betonen, dass Lungenkrebs meistens erst spät entdeckt wird und dadurch die Behandlungschancen stark eingeschränkt sind. Umso wichtiger sind Forschungen wie diese, die präzise und frühzeitig biologische Veränderungen aufzeigen, welche der Tumorentstehung vorausgehen. Die Hoffnung ist, dass Patienten dank innovativer Methoden in Zukunft früher behandelt werden können, was die Überlebensraten deutlich verbessern würde. Darüber hinaus werfen die Studien ein neues Licht auf die Rolle der Umweltfaktoren, vor allem des Rauchens, bei der Krebsentstehung. Der schädliche Einfluss von Tabakrauch ist nicht nur Ursache für die Mutation von Zellen, sondern verändert auch das gesamte Gewebemilieu in der Lunge.
Besonders die Basalzellen werden dadurch beschädigt und können danach ungewöhnlich aggressives Verhalten zeigen. Raucher tragen somit ein erhöhtes Risiko, dass sich gefährliche Krebsklone ausbreiten und die Lungengesundheit nachhaltig beeinträchtigen. Die Ergebnisse ermutigen jedoch auch Hoffnungsträger: Aufgrund des langsamen Fortschreitens der Verdrängung gesunder Zellen durch die basalen Krebsvorstufen besteht ein Zeitfenster, in dem Wirkstoffe eingreifen könnten, um die Ausbreitung zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Die Wissenschaft steht damit vor neuen Aufgaben, wie man die spezifischen molekularen Signalwege und Zellinteraktionen gezielt beeinflussen kann, um die Entstehung von LUSC zu verhindern. Neben der unmittelbaren klinischen Relevanz bieten diese Erkenntnisse auch neue Ansatzpunkte für die Grundlagenforschung.
Das Modell der Basalzellen als Entstehungsgebiet für Lungenkrebs kann auf weitere Krebsarten übertragen werden, bei denen Stammzellpopulationen zu Tumorzellen entarten. Dies fördert das allgemeine Verständnis von Krebsentstehung und Zell-Dynamik im menschlichen Körper. Nicht zuletzt zeigt diese Forschung auch die Bedeutung moderner Technologien in der Krebsforschung. Die Kombination aus genetisch markierten Tiermodellen, modernen Sequenzierungsmethoden und umfangreichen Analysen menschlicher Proben ermöglicht es erstmals, den Weg von einzelnen Zellen im Verlauf der Krebsentstehung genau nachzuvollziehen. Dies beschreibt eine neue Ära der Personalisierung und Präzision der Krebsmedizin, die gezielt auf die komplizierten Vorgänge im Zellgewebe eingeht.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Entdeckung der Basalzellen als Ursprung des Lungen-Plattenepithelkarzinoms ein Meilenstein in der Lungenkrebsforschung ist. Sie bietet neue Perspektiven für die frühzeitige Diagnose, Behandlung und möglicherweise Prävention dieser tödlichen Krankheit, speziell für die große Gruppe der Raucher, die einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie diese Erkenntnisse in klinische Anwendungen umgesetzt werden können und welche neuen Therapien daraus entstehen. Bis dahin bleibt der Schutz vor Rauchen und die Förderung von Rauchstoppprogrammen eine der wirksamsten Maßnahmen im Kampf gegen Lungenkrebs.