Ressourcenkonflikte sind ein zentrales Thema der globalen Umwelt- und Sozialdebatte. Laut einer aktuellen Studie der Forschungsgruppe am Institut für Umweltwissenschaften und Technologie der Universitat Autònoma de Barcelona (ICTA-UAB) sind es nur 100 große Unternehmen, die für fast ein Fünftel aller dokumentierten Konflikte im Bereich der Rohstoffgewinnung weltweit verantwortlich sind. Diese Tatsache zeigt eindrücklich, wie tiefgreifend und umfassend der Einfluss großer, meist transnationaler Konzerne auf umweltbezogene Konflikte ist – insbesondere jene in den Ländern des Globalen Südens. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Interessen, sondern um grundlegende Fragen von sozialer Gerechtigkeit, Umweltzerstörung und Menschenrechten. Die Untersuchung basiert auf Daten des Environmental Justice Atlas (EJAtlas), einer interaktiven Karte, die über 4.
300 Fälle von Ressourcenkonflikten weltweit verzeichnet. Diese Konflikte betreffen unterschiedlichste Rohstoffe und Infrastrukturprojekte wie Bergbau, Pipelines oder Staudämme. Ein zentrales Ergebnis: Von den insgesamt über 5.500 in der Datenbank erfassten Unternehmen sind nur 2 Prozent der Firmen an 20 Prozent aller Konflikte beteiligt. Darunter befinden sich Branchengrößen wie Shell, Glencore, Repsol oder Bayer-Monsanto.
Diese Konzerne stammen überwiegend aus dem Globalen Norden – also den Industrienationen Europas, Nordamerikas oder Asiens – und betreiben oft Ressourcenabbau in Ländern des Globalen Südens. Dort entstehen beträchtliche ökologische und soziale Schäden, während der wirtschaftliche Nutzen vornehmlich den Heimatländern der Konzerne zugutekommt. Die Studie hebt hervor, dass fast die Hälfte der Unternehmen, die in Konflikte im Globalen Süden verwickelt sind, aus den Industrieländern stammen. Noch signifikanter ist, dass die Hälfte der in armen Ländern aktiven Firmen aus Ländern mit entwickelten Volkswirtschaften wie USA, China und Europa kommen. Dieses ungleiche Machtverhältnis spiegelt ein globales Muster wider, das an koloniale Strukturen erinnert: Ressourcen werden extrahiert und große Gewinne in den Norden transferiert, während die Menschen und Ökosysteme im Süden darunter leiden.
Zentrale Ursache für diese Dynamik sind die geltenden globalen Handelsregeln. Freihandelsabkommen, internationale Streitbeilegungssysteme zwischen Investoren und Staaten sowie steuerliche Anreize für ausländische Direktinvestitionen begünstigen die ungehinderte Expansion der großen Konzerne. Dadurch werden soziale und ökologische Schäden verschärft, weil Umweltstandards und Menschenrechte zugunsten wirtschaftlicher Interessen oft ausgespielt werden. Marcel Llavero-Pasquina, leitender Wissenschaftler der Studie, betont, dass solche Regelungen die Ungleichheit beim Ressourcentransfer zwischen globalem Norden und Süden verstärken und eine gerechte Verteilung der Ressourcen erschweren. Insbesondere bei Rohstoffen mit hohem Wert oder großen ökologischen Fußabdrücken sind transnationale Konzerne überdurchschnittlich häufig in Konflikte verwickelt.
Dazu zählen Produkte wie Öl, Gas, seltene Erden, aber auch Agrarrohstoffe wie Mais oder Baumwolle. Im Gegensatz dazu sind Konflikte um weniger wertvolle Ressourcen wie Kohle oder Abfälle häufiger mit inländischen Unternehmen verbunden. Die Produktion und der Transport wertvoller, strategischer Rohstoffe ermöglichen es den Konzernen im Globalen Norden, Reichtum zu konzentrieren, während negative Folgen wie Landenteignungen, Abholzungen und Ölverschmutzungen an den Orten der Förderung in den Globalen Süden ausgelagert werden. Ein besonders alarmierender Befund der Studie betrifft die sozialen Kosten der Konflikte, wenn multinationale Konzerne involviert sind. Dies geht über Umweltzerstörung hinaus und inkludiert rechte Verletzungen wie Gewaltakte, Zwangsvertreibungen, Verlust von Lebensgrundlagen und kulturellem Wissen.
Frauen und indigene Gemeinschaften sind dabei besonders betroffen. Verstärkt werden die Konflikte häufig durch Korruption, Repression oder sogar die gezielte Ermordung von Umweltaktivisten und lokalen Führungspersönlichkeiten. Diese Erkenntnisse stellen zugleich eine deutliche Kritik an sogenannten Corporate-Social-Responsibility-Maßnahmen und freiwilligen Nachhaltigkeitsverpflichtungen der großen Konzerne dar. Obwohl viele dieser Firmen Mitglied im UN Global Compact oder ähnlichen Initiativen sind, zeigt die empirische Realität ein ganz anderes Bild. Llavero-Pasquina weist darauf hin, dass solche freiwilligen Selbstverpflichtungen häufig nur der Selbstdarstellung dienen und intransparent bleiben, während Betroffene und Umweltverteidiger eine umfassende Ignoranz und mangelnde Rechenschaftspflicht feststellen.
Die „zahmen“ Maßnahmen greifen nicht, und ohne verbindliche, überwachte Vorschriften führen Konzerne ihr schädliches Geschäftsmodell ungestört fort. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen fordert die Forschung eine Neuausrichtung in Wissenschaft und Politik. Insbesondere sollen Bewertungen unter anderem auf den Erfahrungen und Auswirkungen für die betroffenen Gemeinden basieren – statt blind auf die freiwilligen Zusagen der Unternehmen zu vertrauen. Politische Entscheidungsträger werden aufgefordert, globale Handelsregeln auf gerechtere Prinzipien wie Gleichheit, Autonomie und Gegenseitigkeit umzustellen. Zudem drängt die Studie auf verbindliche und durchsetzbare Vorschriften, um multinationalen Konzernen Verantwortung zuzuweisen, Schäden zu verhindern oder abzumildern sowie wirksame Mechanismen für Klagen und Wiedergutmachung bereitzustellen.
Die von verschiedenen Expertinnen und Aktivistinnen formulierten Stimmen unterstreichen in der öffentlichen Debatte einen dringenden Handlungsbedarf. Rachel Rose Jackson von Corporate Accountability bezeichnet die aktuelle Situation als „Schattenzonen unternehmerischen Fehlverhaltens“, in denen Unternehmen weitgehend ungestraft agieren. Sie fordert gesetzliche Maßnahmen, die wirklich Menschen und Umwelt schützen statt Gewinne der Konzerne zu bewahren. Die Aktivistin Meena Raman vom Third World Network weist auf die historische Dimension hin und benennt die Kontinuitäten zwischen kolonialer Ausbeutung und moderner Handelsordnung. Nur ein grundlegender Systemwandel, der globale Ungleichheiten beseitigt und nachhaltige, gerechte Alternativen fördert, könne langfristig Gerechtigkeit für benachteiligte Bevölkerungen und den Planeten schaffen.
Die Veröffentlichung dieser Studie erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem wichtige politische Entscheidungen zur Konzernverantwortung anstehen. So diskutiert das Europäische Parlament den sogenannten Omnibus-Deregulierungspaket der Europäischen Kommission. Kritikerinnen befürchten durch dieses Vorhaben eine Abschwächung von Pflichtvorgaben zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den globalen Lieferketten großer Unternehmen. Klimaaktivisten, die vor Ort gegen umstrittene Projekte wie die EACOP-Pipeline von TotalEnergies in Uganda kämpfen, warnen vor fatalen Folgen für den Schutz von Gemeinden und natürlichen Ressourcen. Zusammenfassend zeigt die Analyse der ICTA-UAB eindrucksvoll, wie eng wirtschaftliche Macht, ökologische Zerstörung und soziale Konflikte miteinander verzahnt sind.
Die Konzentration auf 100 besonders konfliktreiche Konzerne macht deutlich, wie wenig eine Vielzahl von Unternehmen zu dieser Problematik beitragen – und dass zumindest ein Großteil der strategischen Verantwortung bei wenigen Akteuren liegt. Zugleich verdeutlicht sie die ungleiche globale Arbeitsteilung, die es bewirkt, dass Profite vor allem in den Industrienationen bleiben, während Länder des Globalen Südens die Lasten tragen. Ein Umdenken in der internationalen Politik und dem globalen Wirtschaftssystem ist unerlässlich. Verbindliche und durchsetzbare Regelungen für transnationale Unternehmen müssen eingeführt werden, ein global gerechter Umgang mit natürlichen Ressourcen etabliert und der Schutz menschenrechtlicher und ökologischer Standards gestärkt werden. Nur so kann es gelingen, die tiefgreifenden Konflikte im Bereich der Rohstoffgewinnung zu reduzieren und der Umweltzerstörung sowie sozialen Ungerechtigkeiten entschieden entgegenzuwirken.
Die Studie der UAB-Forscher leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Problematik und zeigt den Handlungsdruck auf, der nicht mehr ignoriert werden darf.