Die Kartierung unserer Umgebung hat sich im letzten Jahrzehnt drastisch verändert. Während früher aufwendige Kamerafahrzeuge die Straßen abfuhren, um Panoramabilder zu erstellen, eröffnen neue Technologien neue Möglichkeiten. Tesla verändert nicht nur die Automobilbranche durch elektrische und autonome Fahrzeuge, sondern könnte auch im Bereich der Straßenkartografie eine wichtige Rolle spielen. Die Idee, Tesla-Fahrzeuge als mobile 360° OpenStreetMap Street View Kameras einzusetzen, gewinnt zunehmend an Aufmerksamkeit. Doch wie realistisch ist dieses Szenario und welche Herausforderungen gilt es zu meistern? Tesla ist heute mit einem umfangreichen Kamera-Setup ausgestattet, das den Wagen rundum überwacht und für Navigations- und Autopilotfunktionen genutzt wird.
Insgesamt acht Kameras erfassen das Umfeld aus verschiedenen Perspektiven und bilden ein nahezu vollständiges 360° Sichtfeld. Diese Kameras filmen kontinuierlich, was technisch die Grundlage für Street View-ähnliche Anwendungen bilden könnte. Besonders für Projekte wie OpenStreetMap, die auf freiwilliger Basis aktualisierte Geodaten bereitstellen, könnte diese Methode bahnbrechend sein. Denn traditionelle Street View Fahrzeuge sind meist teuer, aufwendig und schwer in der Organisation, während Tesla-Fahrzeuge bereits in großer Stückzahl unterwegs sind. Die kontinuierliche Videoaufzeichnung stellt hierbei einen Vorteil dar, jedoch gibt es technische Hürden.
So fehlt derzeit beispielsweise die Integration von präzisen GPS-Koordinaten in die Videodaten. Für Street View Anwendungen ist es allerdings essenziell, Bilddaten exakt mit den zugehörigen Geodaten zu verknüpfen, um eine korrekte Positionierung auf der Karte zu gewährleisten. Auch die Videodateien selbst müssen in geeigneter Form exportiert und verarbeitet werden, was derzeit durch Teslas geschlossene Softwarearchitektur erschwert wird. Forscher und Open-Source-Enthusiasten suchen daher nach Wegen, die Kameras und die gespeicherten Videos von Tesla für externe Anwendungen zugänglich zu machen. In Online-Communities des OpenStreetMap-Projekts wurde bereits darüber diskutiert, ob eine „gehackte“ Tesla-Software das Auslesen der 360° Videos erlaubt.
Erste Berichte von Nutzern, die solche Versuche unternehmen, zeigen zwar Potenzial, aber auch Einschränkungen, etwa was die Bildqualität oder die Verarbeitung betrifft. Gewerbliche Anbieter wie KartaView gehen ebenfalls in diese Richtung. Auf der Konferenz State of the Map US 2024 stellte KartaView ihr Gerät namens KartaLink vor, das speziell für Tesla-Fahrzeuge entwickelt wurde. KartaLink kann sich an das Tesla-System anschließen und die erfassten Straßenbilder direkt hochladen. Die Bilder werden unter einer offenen Lizenz veröffentlicht und können später für Projekte wie OpenStreetMap verwendet werden.
Damit könnten Tesla-Fahrzeuge in Zukunft eine vernetzte, regelmäßige und kosteneffiziente Bilddatenerfassung bieten und die Kartografie revolutionieren. Neben technischen Fragen sind auch rechtliche Aspekte zu klären. So ist die Nutzung von Videomaterial, das Fahrzeuginnen- und Außenaufnahmen sowie Passanten zeigt, in vielen Ländern durch Datenschutzgesetze geregelt. Um Datenschutz und Persönlichkeitsrechte zu wahren, würde eine automatisierte Anonymisierung der Bilder nötig, die Gesichter und Nummernschilder unkenntlich macht. Tesla selbst bietet bislang keine offizielle Funktion an, mit der Nutzer ihre Fahrzeugkameras für Kartierungszwecke einsetzen können.
Dennoch könnte eine künftige Zusammenarbeit mit Kartografiediensten oder die Implementierung von Open-Source-Lösungen den Weg ebnen. Der Vorteil von Tesla liegt neben der technischen Ausstattung auch in deren Verbreitung. Millionen Teslas fahren inzwischen weltweit auf den Straßen und legen stetig neue Kilometer zurück. Diese enorme Mobilität könnte für eine lückenlose und aktuelle Kartenerfassung genutzt werden, was klassische Street View Fahrzeuge nicht leisten können. Zusätzlich eröffnet das autonome Fahren neue Möglichkeiten.
Mit selbstfahrenden Autos könnte die Datenaufnahme automatisiert und in festen Zeitintervallen erfolgen, ohne dass ein Fahrer aktiv eingreifen müsste. Dies könnte die Kartendaten in Echtzeit oder nahezu in Echtzeit aktualisieren. Neben OpenStreetMap gibt es auch Plattformen wie Mapillary, die sich auf die Crowdsourcing-Straßenbildaufnahme spezialisiert haben. Hier könnten Tesla Nutzer ihre Daten einbringen, sofern technische Schnittstellen geschaffen werden. Insgesamt zeigt die Idee, Tesla Autos als mobile 360° OpenStreetMap Street View Kameras zu nutzen, großes Potenzial.
Sie verbindet modernste Fahrzeugtechnik mit der gesellschaftlichen Funktion der freien Kartendaten. Um die Vision Realität werden zu lassen, sind jedoch diverse Schwierigkeiten zu lösen. Dazu zählen neben der Entwicklung offener Schnittstellen vor allem Datenschutz, rechtliche Richtlinien sowie die Optimierung der Bildqualität und Datenverarbeitung. Sollte es gelingen, die Tesla Kameras problemlos in bestehende OpenStreetMap-Workflows zu integrieren, entstünde eine neue Ära der digitalen Kartografie. Aktuelle Projekte und Entwicklungen zeigen, dass die Zukunft einer automatisch erfassten, flächendeckenden Straßenbilddokumentation näher ist als viele denken.
Nutzer, Entwickler und Unternehmen sind gleichermaßen gefordert, um dieses Potenzial innovativ und verantwortungsvoll zu nutzen und so die Karten von morgen effizient und lebendig zu gestalten.