In einem bedeutenden Durchbruch der Quantenphysik ist es Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) gelungen, die ersten hochauflösenden Bilder von einzelnen, frei beweglichen Atomen einzufangen. Dieses neuartige Imaging-Verfahren offenbart bisher unsichtbare Details der Quantenwelt, erlaubt die direkte Beobachtung komplexer Atomkorrelationen und legt den Grundstein für zukünftige Forschungen zu exotischen Quantenzuständen wie Supraleitung und den Quanteneffekten im Hall-Effekt. Die Arbeit, veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Physical Review Letters, stellt einen entscheidenden Schritt dar, um Quantenphänomene nicht nur theoretisch zu erfassen, sondern bildlich darzustellen – damit rückt die Quantenwelt buchstäblich in den Fokus der Wissenschaft. Die Herausforderung, einzelne Atome in Bewegung sichtbar zu machen, war bislang durch die extrem kleine Größe und die flüchtige Natur der Atome geprägt. Ein Atom misst lediglich etwa ein Zehntel eines Nanometers, was ein millionstel der Dicke eines menschlichen Haares entspricht.
Hinzu kommt, dass Atome sich gemäß den Prinzipien der Quantenmechanik nicht nur wie Teilchen, sondern auch wie Wellen verhalten. Dies erschwert es erheblich, ihren genauen Ort und Bewegungszustand gleichzeitig zu bestimmen. Traditionsgemäße Methoden, wie die Absorptionsbildgebung, liefern zwar eine Vorstellung von der Form der Atomenwolke, aber kein klares Bild der Einzelatome. Die Physiker am MIT entwickelten deshalb eine innovative Technik, genannt „atomaufgelöste Mikroskopie“, die es ermöglicht, Atome in ihrem natürlichen, interagierenden Zustand aufzulösen. Dabei wird zunächst eine Atomenwolke von einem locker gefassten Laserfallenpotenzial eingefangen, das den Atomen genügend Freiheit zum Bewegen und Wechselwirken lässt.
Nach einer gewissen Austauschzeit wird ein Lichtgitter aktiviert, das die Atome blitzartig einfriert, sodass sie quasi auf der Stelle stehen bleiben. Anschließend beleuchtet ein fein abgestimmter Laser die Atome, deren Fluoreszenz das neue Bild detailliert abbildet. Besondere Vorsicht war dabei notwendig, um die Atome nicht durch zu intensive Bestrahlung aus dem Gitter hinauszustoßen – eine Herausforderung, die dank jahrelanger Optimierung von Licht- und Kühltechnologien gemeistert wurde. Das MIT-Team konzentrierte sich auf die direkte Beobachtung zweier Hauptarten von Atomen in ultrakalten Quanten-Experimenten: Bosonen und Fermionen. Unterschiedlich zu den Teilchenarten verhalten sich Bosonen dazu, sich gerne zusammenzufinden und einen gemeinsamen Quantenzustand einzunehmen, was zur Bildung von so genannten Bose-Einstein-Kondensaten (BEC) führt.
Dies war bereits vom MIT-Physiker Wolfgang Ketterle entdeckt worden, der für diese Arbeit 2001 den Nobelpreis erhielt. Fermionen hingegen folgen dem Pauli-Prinzip und neigen dazu, sich gegenseitig abzustoßen, können aber unter bestimmten Bedingungen sogar paarweise zusammenfinden – ein Mechanismus, der für die Erklärung von Supraleitung grundlegend ist. Im Experiment beobachteten die Forscher bei Bosonen aus Natriumatomen erstmals die „Bündelung“ beziehungsweise „Bunching“-Effekte in Echtzeit. Diese Bündelung ist ein direktes Resultat der wellenartigen Natur der Bosonen gemäß der de-Broglie-Wellentheorie, welche das frühe Fundament der Quantenmechanik darstellt. Die aufgenommenen Bilder zeigen, wie Bosonen räumlich zusammenrücken, um einen gemeinsamen quantenmechanischen Zustand zu bilden – eine Sichtbarmachung eines langen theoretischen Vorhersage.
Parallel dazu wurden Fermionenwolken aus Lithiumatomen untersucht. Hier war es möglich, das Paarungsverhalten von Fermionen, die sich normalerweise abstoßen, zum ersten Mal in freier Bewegung bildlich darzustellen. Diese Paarbildung ist von großer Bedeutung, da sie den Weg zu supraleitenden Zuständen ebnet, bei denen Widerstandslosigkeit von elektrischem Strom möglich wird. Das direkte Beobachten solcher Elektron-Paare – sogenannte Cooper-Paare – war bislang nur indirekt über mathematische Modelle bekannt. Nun können sie im Bild literally greifbar gemacht werden.
Die Qualität dieser Bilder eröffnet der Wissenschaft neue Möglichkeiten, komplexe und zum Teil unlösbare Quantenzustände zu dechiffrieren. Dazu zählen unter anderem die Quanten-Hall-Effekte, bei denen sich Elektronen in zweidimensionalen Metallschichten unter starken Magnetfeldern auf hochgradig korrelierte, topologische Zustände einlassen. Solche Phänomene stellen nach wie vor eine Herausforderung für Theoretiker dar, die sie nur unvollständig modellieren können. Mit der neuen Visualisierungstechnik können solche exotischen Zustände endlich direkt beobachtet und damit besser verstanden werden. Die Bedeutung dieser Forschung geht weit über die Grundlagenforschung hinaus.
Ein tieferes Verständnis quantenmechanischer Effekte kann etwa die Entwicklung von Quantentechnologien beflügeln. Dazu zählen beispielsweise Quantencomputer, bei denen die Kontrolle über einzelne Atome und deren Wechselwirkungen essenziell ist. Weiterhin könnten neuartige Materialien mit supraleitenden oder sonstigen überraschenden Eigenschaften entwickelt werden, die auf den hier aufgezeigten Wechselwirkungen basieren. Die erfolgreiche Zusammenarbeit am MIT, bei der neben Martin Zwierlein auch Promovierende wie Ruixiao Yao, Sungjae Chi, Mingxuan Wang und der Assistenzprofessor Richard Fletcher beteiligt waren, unterstreicht die interdisziplinäre und innovative Kraft der Institution im Bereich der Quantenphysik. Zudem erscheint die Forschung parallel zu ähnlichen Studien anderer renommierter Gruppen, unter anderem von Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle und vom École Normale Supérieure in Paris, was die globale Relevanz und den aktuellen Forschungsboom in diesem Feld unterstreicht.
Finanziert wurde das Projekt unter anderem durch die National Science Foundation, das Department of Energy, DARPA sowie private Stiftungen, was die strategische Bedeutung solcher grundlegenden Forschungsansätze für Wissenschaft und Technik dokumentiert. Rückblickend markiert die erstmalige bildliche Erfassung von „freilaufenden“ Atomen mit atomarer Auflösung einen Meilenstein. Es verbindet Theorie und experimentelle Physik auf bislang unerreichte Weise, bringt Quanteneffekte aus der Wolke abstrakter Gleichungen in greifbare Realität und öffnet neue Perspektiven für die Forschung an Quantenmaterialien, Superfluiden und supraleitenden Systemen. Mit dem stetigen Fortschritt in der Manipulation und Beobachtung von Atomen auf dieser Skala stehen die Wissenschaftler am Anfang eines Zeitalters, in dem die Quantenphysik ihre ganze Schönheit und Komplexität offenbart, sichtbar gemacht durch die Linse eines neuartigen Mikroskops – direkt in den Tiefen der subatomaren Welt.