Stablecoins haben sich als eines der wichtigsten Instrumente herauskristallisiert, um Liquidität, Stabilität und Benutzerfreundlichkeit im volatile Krypto-Markt zu gewährleisten. Sie dienen als Knotenpunkt zwischen traditionellen Fiat-Währungen und Kryptowährungen und erleichtern digitale Transaktionen weltweit. Doch trotz ihres offensichtlichen Nutzens stehen Stablecoins vor grundlegenden Herausforderungen, die ihre Existenz langfristig bestimmen werden. Arthur Hayes, Mitgründer der bekannten Krypto-Börse BitMEX, hat kürzlich in einem aufsehenerregenden Blogbeitrag seine Einschätzung zur Zukunft der Stablecoins dargelegt. Er argumentiert, dass nur jene Stablecoins dauerhaft bestehen werden, die entweder von großen Börsen unterstützt oder direkt an etablierte Banken gekoppelt sind.
Diese These hat weitreichende Konsequenzen für den Markt und das Vertrauen in digitale Währungen. Hayes zieht seine Analyse aus den historischen Erfahrungen mit Stablecoins wie Tether (USDT) und Circle (USDC) und erklärt, dass der Erfolg einer Stablecoin in erster Linie durch ihre Vertriebskanäle bestimmt wird. Die wichtigsten Zugangstore für Stablecoins sind laut ihm große Krypto-Börsen, etablierte Web2-Plattformen oder traditionelle Banken. Stablecoins, die nicht über mindestens einen dieser Kanäle verfügen, haben es extrem schwer, Marktanteile zu gewinnen – und oft sogar keine Chance zu überleben. Diese Beobachtung zeigt sich besonders deutlich im Fall von Tether.
In den frühen 2010er Jahren, als Banken in China und Hongkong Konten schlossen, wandten sich Händler vermehrt an USDT, um Dollar außerhalb des traditionellen Bankensystems zu transferieren. Durch die Partnerschaft mit Bitfinex konnte Tether eine Infrastruktur bieten, die es den Nutzern ermöglichte, US-Dollar einzuzahlen, USDT zu prägen und die Token rund um die Uhr auf zahlreichen Börsen zu bewegen. Das führte zu einem Wettbewerbsvorteil, der anderen Stablecoins bis heute schwer zu kopieren ist. Hayes kombiniert dies mit der Einschätzung, dass Circle mit USDC zwar eine starke Stellung aufgrund seiner engen Verzahnung mit Coinbase hat, dort aber erhebliche Erlöse an die Handelsplattform abgeben muss, um die Reichweite zu erzielen. Das heißt konkret, das Ökosystem von USDC ist deutlich an Coinbase gekoppelt, was wiederum die Skalierbarkeit und Profitabilität beeinflusst.
Neue Stablecoin-Emittenten, die diese Vorteile nicht besitzen, müssten entweder hohe Marketingkosten tragen oder auf lukrative, aber riskante Vertriebsdeals setzen. Daraus resultiert oft eine wirtschaftlich fragile Situation, die sie bei nachlassendem Interesse schnell das Überleben kostet. Hayes stellt somit klar, dass der Zugang zum Markt, also Distribution, entscheidender für das Wachstum und die Nachhaltigkeit von Stablecoins ist als technologische Innovationen oder der Aufbau dezentraler Netzwerke. Die Konzentration auf drei Vertriebsqaellen – große Krypto-Börsen, Web2-Giganten und Legacy-Banken – zeigt die Fragmentierung des Marktes, aber auch die zunehmende Professionalisierung und regulatorische Verankerung. Aufgrund des wachsenden regulatorischen Drucks auf Stablecoins wird der Einfluss der traditionellen Finanzwelt nur zunehmen.
Der Wettbewerb wird sich zunehmend um Kooperationen mit Banken und bewährten Handelsplattformen drehen. Dies führt zu einer Art „Gatekeeper“-Effekt, bei dem nur wenige Akteure die wichtigen Zugänge kontrollieren und somit die Rahmenbedingungen maßgeblich mitbestimmen. Für Investoren bedeutet Hayes’ Analyse, dass vorsichtige Betrachtung der Emittenten und deren Anbindung an die etablierten Vertriebskanäle essenziell ist. Neue Stablecoins mit innovativen Konzepten könnten kurzfristig beachtliche Renditen bringen, doch das langfristige Überleben hängt vor allem von einer starken Unterstützung durch Marktplätze oder Finanzinstitute ab. Der Markt steht vor einem Konsolidierungsprozess, in dem sich nur wenige Stablecoins durchsetzen werden.
Diese werden von etablierten Playern geprägt, die über umfangreiche Nutzerbasen und regulatorische Ressourcen verfügen. Alle anderen sind in Gefahr, durch fehlende Distribution und mangelndes Vertrauen schnell irrelevant zu werden. Die wirtschaftliche Logik hinter Stablecoins wie USDT beruht darauf, dass die Emittenten Gelder in sicheren Anlagen wie US-Staatsanleihen parken und durch das Halten dieser Reserven stetig Gewinne erwirtschaften können. Wegen der hohen Akzeptanz von USDT können sie dabei üppige Margen einfahren, die kleinere Anbieter mangels Volumen kaum realisieren können. Dies verstärkt den Wettbewerbsdruck weiter.
Hinzu kommt die wachsende Bedeutung von Zentralbank-Digitalwährungen (CBDCs) und bankenbasierten digitalen Währungen, die direkt von staatlichen oder großen Finanzinstituten ausgegeben werden. Diese werden wahrscheinlich weitere Vertriebsbarrieren für unabhängige Stablecoins schaffen und die Rolle von privaten Stablecoin-Anbietern neu definieren. Arthur Hayes warnt zudem davor, dass Emittenten ohne klare Vertriebspartnerschaft entweder teure externe Vertriebsvereinbarungen eingehen müssen oder auf aggressive Marketingstrategien angewiesen sind, die nur kurzfristig erfolgreich sein können. Sobald der Hype nachlässt, werden die finanziellen Belastungen zum Problem, sodass viele Projekte ins Scheitern rutschen. Seine Analyse zeigt auch, dass nicht die technische Infrastruktur oder die Dezentralisierung der entscheidende Faktor sind, sondern die effektive Nutzung von Netzwerken mit Millionen von Nutzern, die Liquidität und Vertrauen sichern.
So bleibt Tether in vielen Märkten, insbesondere in Asien und Teilen des globalen Südens, dominant. Ihr Erfolg baut auf einer starken Präsenz bei Handelsplattformen und dem Zugang zu Geldströmen auf. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Stablecoin-Projekte, die sich ausschließlich auf technologische Innovationen oder Dezentralisierung konzentrieren, ohne solide Partnerschaften kaum Chancen haben, sich dauerhaft zu behaupten. Insgesamt deutet die Einschätzung von Arthur Hayes auf eine zunehmende Zentralisierung im Stablecoin-Bereich hin, die trotz der dezentralen Versprechen der Blockchain-Technologie neue Machtkonzentrationen schafft. Große Börsen und Banken werden zu Schlüsselakteuren, die über den Erfolg oder das Scheitern von Stablecoins mitentscheiden.
Für die Krypto-Branche und Investoren stellt diese Entwicklung eine Herausforderung dar, aber auch eine klare Marktdynamik, die bei der Auswahl von Projekten und Investitionen berücksichtigt werden sollte. Die Zukunft der Stablecoins liegt demnach in einer engen Verzahnung mit bestehenden Finanzsystemen und bewährten Vertriebswegen. Nur so können sie stabile Liquidität gewährleisten, Vertrauen aufbauen und langfristig im Wettbewerb bestehen. Wer diese Voraussetzungen nicht erfüllt, riskiert „Distribution or death“, verbunden mit dem Verlust des Marktzugangs und der Relevanz. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie sich diese Dynamik weiter entfaltet und welche neuen Modelle am Ende bestehen können.
Klar ist jedoch, dass der Wettbewerb um Distribution und Nutzerakzeptanz ein zentrales Element sein wird, welches die Landschaft der Stablecoins nachhaltig prägen wird.