Das kanadische Traditionsunternehmen Hudson’s Bay, das seit seiner Gründung im Jahr 1670 zu den bedeutendsten kaufmännischen Institutionen des Landes zählt, durchlebt eine der schwersten Krisen seiner Geschichte. Mit der Ankündigung, dass bis zum 1. Juni 2025 insgesamt 8.347 Mitarbeiter – das entspricht 89 Prozent der aktuellen Belegschaft – entlassen werden sollen, steht die künftige Existenz des Einzelhandelsgiganten auf der Kippe. Im Rahmen der laufenden Verfahren gemäß dem kanadischen Gesetz über die Restrukturierung von Unternehmen (Companies' Creditors Arrangement Act; CCAA) ist die Entscheidung auf Liquidation der Filialen und damit auf eine vollständige Geschäftsaufgabe gefallen.
Dieses Ereignis setzt einen Schlusspunkt unter eine jahrhundertelange Erfolgsgeschichte, die durch wirtschaftliche Umbrüche und einen grundlegenden Wandel im Konsumverhalten geprägt ist. Die geplanten Massenentlassungen sind Teil eines umfassenden Restrukturierungsprozesses, mit dem Hudson’s Bay auf die stark veränderte Handelslandschaft reagieren muss. In den letzten Jahren haben stationäre Einzelhändler weltweit erhebliche Herausforderungen erlebt, die vor allem auf die rapide Verlagerung des Konsumverhaltens in den Online-Handel zurückzuführen sind. Besonders die großen Kaufhausketten blieben von diesem Trend nicht verschont. Hudson’s Bay, mit 96 Filialen, vier Verteilzentren und einem Hauptsitz, hatte zuletzt 9.
634 Mitarbeiter beschäftigt. Nach der bevorstehenden Welle von Entlassungen wird von den verbliebenen 1.017 Mitarbeitern über die Hälfte lediglich kurzfristig in den Betrieb der Schließung eingebunden sein, während nur noch 118 Mitarbeiter für die Phase der endgültigen Geschäftsaufgabe und Liquidation verbleiben werden. Die wirtschaftliche Situation in Kanada selbst wirkt sich belastend auf Hudson’s Bay aus. Die Arbeitslosenquote in Kanada erreichte im April 2025 mit 6,9 Prozent den höchsten Stand seit November 2024.
Diese Entwicklung ist ein Spiegelbild der gesamtwirtschaftlichen Spannungen, die sich unter anderem durch Auswirkungen von US-Zöllen auf den kanadischen Exportsektor verschärft haben. Ein solcher wirtschaftlicher Gegenwind erhöht die Unsicherheiten und Belastungen für Unternehmen, die vom Binnenkonsum abhängig sind – ein Faktor, der bei Hudson’s Bay besonders ins Gewicht fällt. Im Zuge des Restrukturierungsversuchs hatte Hudson’s Bay schon im März 2025 erklärt, dass eine Fortführung des Geschäftsbetriebs nur möglich wäre, falls alternative Finanzierungs- oder Rettungsmaßnahmen gefunden würden. Da dies jedoch offenbar nicht gelang, ist die Entscheidung zur vollständigen Geschäftsauflösung gefallen. Damit einhergehend verkauft Hudson’s Bay wichtige Markenrechte, darunter den ikonischen Mantel der Marke und die charakteristischen Streifen, für rund 30 Millionen Kanadische Dollar an den Canadian Tire Konzern.
Diese Transaktion illustriert, wie sich die Marke möglicherweise künftig auf einem anderen Weg weiterentwickeln könnte, auch wenn der stationäre Handel der Hudson’s Bay-Department Stores eingestellt wird. Aus Sicht der betroffenen Mitarbeiter ist die Situation besonders dramatisch. Die Betriebsführung von Hudson’s Bay hat in einem Antrag vom 26. Mai 2025 mitgeteilt, dass den entlassenen Mitarbeitern nur der Anspruch auf die Auszahlung ihrer bislang angesammelten Urlaubstage zusteht. Andere Abfindungs- oder Entschädigungszahlungen sind nicht vorgesehen, was bei den Beschäftigten für große Unruhe sorgt.
Um hier zumindest einen gewissen Schutz zu bieten, beabsichtigt das Unternehmen, eine Erklärung gemäß dem kanadischen „Wage Earner Protection Program Act“ (WEPPA) zu erlangen. Dieses Programm soll Arbeitnehmern helfen, offene Ansprüche wie ausstehende Löhne, Abfindungen, Vergütungen und Urlaubsgelder trotz der Insolvenz des Arbeitgebers zu erhalten. Die Einstellung des Geschäftsbetriebes von Hudson’s Bay hat eine weitreichende Bedeutung für den kanadischen Einzelhandel. Die Warenhäuser des Unternehmens waren jahrzehntelang feste Anker in zahlreichen Einkaufszentren und prägten das Einkaufsverhalten ganzer Generationen. Der Schritt zur Liquidation spiegelt nicht nur wirtschaftliche Zwänge und den Strukturwandel wider, sondern steht auch sinnbildlich für die Herausforderungen, vor denen der stationäre Einzelhandel in Kanada und weltweit steht.
Die wachsende Dominanz des E-Commerce, veränderte Kundenbedürfnisse sowie die zunehmende Konkurrenz durch digitale Plattformen haben für einen grundlegenden Wandel der Branche gesorgt. Darüber hinaus könnten die Folgen für die regionalen Arbeitsmärkte erheblich sein. Besonders in den Städten und Gemeinden, in denen Hudson’s Bay Filialen ein bedeutender Arbeitgeber war, hinterlassen die Massenentlassungen eine spürbare Lücke. Die erhöhte Arbeitslosigkeit kann sich langfristig auf die Wirtschaft vor Ort auswirken, während Arbeitnehmer und deren Familien vor großen Herausforderungen stehen. Die Rolle von Unterstützungsprogrammen und staatlichen Hilfen wird daher auch in den kommenden Monaten eine zentrale Bedeutung einnehmen.
Die Geschichte von Hudson’s Bay ist eng verbunden mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Kanadas. Gegründet im 17. Jahrhundert als Pelzhandelsunternehmen hat sich das Unternehmen über Jahrhunderte hinweg zu einem breit aufgestellten Einzelhandelskonzern entwickelt. Doch der Fokus auf stationären Handel in Zeiten digitaler Transformation hat sich als erhebliche Achillesferse erwiesen. Die Liquidation und die damit verbundenen Massenentlassungen markieren eine Zäsur, jedoch könnte die Übertragung der Markenrechte an Canadian Tire eine Chance für eine Neuausrichtung der Marke in einem anderen Kontext bieten.
Für Experten und Beobachter des Einzelhandels ist das Beispiel Hudson’s Bay eine mahnende Geschichte. Sie zeigt, wie wichtig es ist, sich rechtzeitig und flexibel an veränderte Marktbedingungen anzupassen und innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Kombination aus wirtschaftlichen Herausforderungen, geopolitischen Einflüssen wie Zollmaßnahmen und tiefgreifenden Veränderungen im Konsumentenverhalten muss von Unternehmen frühzeitig identifiziert und strategisch berücksichtigt werden, um derart drastische Konsequenzen zu vermeiden. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die geplanten Entlassungen bei Hudson’s Bay ein weiterer Beleg für die enorme Dynamik im globalen Einzelhandel sind. Das Schicksal eines solch traditionsreichen Unternehmens erinnert an die Notwendigkeit, Wandel nicht zu scheuen, sondern aktiv zu gestalten.
Gleichzeitig eröffnet der Prozess auch Chancen zur Erneuerung, zumindest für die Markenwerte, die künftig unter anderem Namen weitergeführt oder digital transformiert werden könnten. Das Kapital an Erfahrung und Geschichte bleibt damit erhalten, auch wenn der ursprüngliche Händler selbst sein Kapitel bald schließen wird.