Die technologische Entwicklung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) schreitet in rasantem Tempo voran. Während auf Bundesebene in den Vereinigten Staaten noch keine einheitlichen Vorschriften bestehen, versuchen viele Bundesstaaten, selbst Regelwerke für den Umgang mit KI-Systemen zu schaffen. Diese Vielfalt an Gesetzen zielt darauf ab, die immer stärkere Verflechtung von KI in Bereichen wie Strafverfolgung, Gesundheitswesen, Arbeitsmarkt und Datenschutz zu steuern. Doch nun droht eine einschneidende Veränderung: Ein breit angelegtes Bundesgesetz, das auch unter dem Spitznamen „Big Beautiful Bill“ bekannt ist, enthält eine Passage, die es den Bundesstaaten für eine Dauer von zehn Jahren untersagt, eigene KI-Regulierungen zu erlassen oder durchzusetzen. Dieser Schritt könnte den rechtlichen Rahmen für KI in den USA maßgeblich neu gestalten und wirft eine Reihe politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fragen auf.
Das Herzstück der Debatte ist eine Form der Bundesgesetzgebung, die den Bundesstaaten auf zehn Jahre untersagt, jegliche Vorschriften oder Gesetze zu Künstlicher Intelligenz zu verabschieden oder anzuwenden. Die Intention der Befürworter liegt in der Schaffung eines einheitlichen, landesweiten Rahmens, der Innovationshemmnisse vermeiden soll. Denn sie argumentieren, dass ein Flickenteppich von unterschiedlichsten Vorschriften, wie er derzeit in den über 45 US-Bundesstaaten zu beobachten ist, nicht nur Unternehmen vor große Herausforderungen bei der Compliance stellt, sondern auch die technologische Weiterentwicklung bremsen könnte. Auf der anderen Seite wächst der Widerstand gegen diese Maßnahme vor allem bei Politikern aus konservativen Kreisen sowie bei Datenschutzaktivisten, Verbraucherschützern und zivilgesellschaftlichen Gruppen. Diese sehen im Moratorium eine massive Einschränkung föderaler Rechte und eine Gefahr für den Schutz der Privatsphäre und individueller Freiheitsrechte.
Bundesstaaten wie Kalifornien oder Illinois haben bereits umfassende Regelungen zur Kontrolle von biometrischen Daten, zur Verhinderung algorithmischer Diskriminierung und zur Begrenzung von Überwachung durch KI-Technologien eingeführt oder auf den Weg gebracht. Das Verbot würde diese Errungenschaften aushebeln und neue Initiativen verhindern. Ein zentrales Argument der Gegner ist, dass die aktuelle Situation auf Bundesebene keineswegs eine ausreichende Regulierung gewährleistet. Die Bundesregierung der USA hat bislang keine ganzheitliche, verbindliche KI-Gesetzgebung umgesetzt. Während die Biden-Administration eine sogenannte AI Bill of Rights vorgestellt hatte, die einzelne Risiken und gesellschaftliche Auswirkungen von KI beleuchten sollte, wurde dieses Konzept inzwischen zugunsten einer stärker innovationsorientierten Strategie zurückgezogen.
Die Folge: Ein regulatorisches Vakuum, das die Bundesstaaten mit eigenen Gesetzesvorhaben ausfüllen wollen, um zumindest minimale Schutzmechanismen zu etablieren. Das Gesetz wurde im Repräsentantenhaus knapp mit nur einer Stimme Mehrheit verabschiedet und befindet sich nun zur Beratung im Senat. Die politische Lage ist angespannt, da im weiteren Gesetzgebungspaket auch kontroverse Themen wie Gesundheitsreform, Steuerpolitik und Schuldenobergrenze verhandelt werden. Der Einschnitt in die KI-Regulierung steht dabei stellvertretend für den zwiespältigen Umgang mit emergenten Technologien in der föderalen Struktur der USA. Befürworter des Verbots argumentieren, dass uneinheitliche Regelungen die Start-up-Szene und große Technologieunternehmen gleichermaßen vor erhebliche Herausforderungen stellen.
Ein einheitlicher Rahmen würde ihnen eine klarere Grundlage bieten, Innovationen schneller voranzutreiben und Produkte ohne die Hürden unterschiedlicher Ländergesetze in mehreren Staaten gleichzeitig anbieten zu können. Zudem wird argumentiert, dass Bundesstaaten die KI-Regulierung für politische Zwecke missbrauchen könnten. So könnten beispielsweise Gesetze durch ideologische Motivationen geprägt sein, die darauf abzielen, bestimmte Inhalte in sozialen Medien und auf Plattformen zu fördern oder zu unterdrücken. Ein zentral gesteuertes Bundesrecht könnte demnach zur Wahrung der Redefreiheit beitragen und politisch eingefärbte Zensurregeln auf Ebene der Bundesstaaten verhindern. Diese Sichtweise wird jedoch kritisch hinterfragt.
Gegner warnen vor einem „Freifahrtschein“ für unregulierte KI-Anwendungen, die in Bereichen wie Strafverfolgung, Arbeitswelt, öffentlicher Verwaltung und sozialer Kontrolle tiefgreifende Auswirkungen haben können. Ohne geeignete Schranken könnten Unternehmen und Behörden KI-Systeme einsetzen, die persönliche Daten in nie gekanntem Ausmaß sammeln, verarbeiten und auswerten. Die Gefahr, dass diese Technologien diskriminierend oder invasiv wirken, sei groß, zumal es an bundesweiten Kontrollmechanismen und Transparenz mangelt. Ein zehnjähriges staatliches Regulierungsverbot würde diese Probleme verschärfen und Bürger und Verbraucher erheblichen Risiken aussetzen. Auch auf die demokratische Kontrolle und Teilhabe von Bürgern wirken sich diese Entwicklungen aus.
Die Bundesstaaten gelten traditionell als Epizentren für Innovationen im Verbraucher- und Datenschutzrecht. Ihre Fähigkeit, auf regionale Besonderheiten und Bedürfnisse zu reagieren, wird durch das Moratorium erheblich eingeschränkt. Es stellt sich die Frage, ob das föderale System der USA und die Balance zwischen Bundes- und Landesinteressen in technologischen Zukunftsfragen ausreichend berücksichtigt werden. Interessanterweise gibt es auch eine ambivalente Dimension bezüglich der staatlichen Regulierungsmacht. Während einige befürworten, dass Bundesstaaten Menschen vor invasiven Überwachungstechnologien schützen, warnen andere davor, dass diese Macht auch für Überwachung und Kontrolle missbraucht werden kann.
In politisch polarisierten Umgebungen könnten Regulierungsmaßnahmen etwa als Instrument der sozialen Kontrolle eingesetzt werden, was die Bürgerrechte weiter unter Druck setzen könnte. Diese Ambivalenz verdeutlicht die komplexen Synthesen aus Chancen und Risiken, denen Gesellschaften im Umgang mit KI-Systemen gegenüberstehen. Politiker wie die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia haben öffentlich ihre Ablehnung gegen das Verbot zum Ausdruck gebracht. Greene betonte, dass sie nicht ausreichend über die Passage informiert gewesen sei, bevor sie für das Gesetz stimmte. Sie sieht in dem Moratorium einen Verstoß gegen die Rechte der Bundesstaaten und warnt vor den unkalkulierbaren Folgen, die eine uneingeschränkte KI-Entfaltung ohne Regulierung in den kommenden zehn Jahren mit sich bringen könnte.
Aus Sicht der Forschungs- und Wirtschaftsexperten erfordert KI ein ausgewogenes Regulierungskonzept, das Innovation fördert, gleichzeitig aber gesellschaftliche und ethische Standards wahrt. Die Frage der Zuständigkeit zwischen Föderal- und Landesebene ist dabei ein entscheidendes Element. Es wird angeführt, dass flexible, adaptive Regulierungsmodelle notwendig sind, die technologische Dynamiken berücksichtigen und zugleich Verbraucher und Bürgerrechte schützen können. Ein rigides, zentralistisches Vorgehen könnte diese Balance gefährden und die USA im internationalen Wettbewerb um technologische Führerschaft schwächen. Auf internationaler Ebene beobachten viele Länder, darunter Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, mannigfaltige Ansätze zur KI-Regulierung, die von strikten Auflagen bis hin zu Förderprogrammen reichen.