Die Welt der Künstlichen Intelligenz hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Während viele Technologien das Leben der Menschen verbessern, gibt es auch Schattenseiten. Eine der problematischsten Entwicklungen ist die Verbreitung sogenannter Deepfake-Pornografie – manipulierte Videos und Bilder, die Menschen zeigen, ohne dass diese jemals einer Aufnahme zugestimmt haben. Im Zentrum eines der berüchtigtsten Deepfake-Pornoportale weltweit stand jahrelang eine Person, die auf den ersten Blick nicht in dieses Bild passt: ein kanadischer Apotheker namens David Do. Sein Doppelleben wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, die diese digitale Bedrohung für Gesellschaft, Rechtssystem und individuelle Persönlichkeitsrechte darstellt.
David Do führte nach außen hin ein normales und angesehenes Leben in der Nähe Torontos. Als angestellter Krankenhausapotheker mit einem jährlichen Einkommen von über 120.000 kanadischen Dollar galt er als unauffällig und zuverlässig. Doch im Verborgenen agierte er als eine der zentralen Figuren hinter MrDeepFakes.com, dem bis zu seiner Schließung populärsten und weltbekannten Deepfake-Pornoportal.
Diese Seite war berüchtigt für die Verbreitung tausender nicht-einvernehmlicher, oft gewalttätiger Deepfake-Videos und Bilder, die Prominente, Politiker, Influencer sowie private Bürger ins Fadenkreuz nahmen. Die Plattform war mehr als nur ein Ort zur Verbreitung manipulierten Materials. Über 70.000 tiefgefälschte Videos und Bilder wurden dort hostiert. Die Nutzerzahl überstieg eine halbe Million, und die Seite verzeichnete mehrere Milliarden Aufrufe seit ihrer Entstehung im Jahr 2018.
Die Inhalte reichten von expliziten Videozusammenstellungen, die bekannte Schauspielerinnen wie Scarlett Johansson oder Natalie Portman in verfälschten Szenarien zeigten, bis hin zu fiktiven Darstellungen alltäglicher Personen. Die Bandbreite der Clips reichte von scheinbar harmlosen bis hin zu zutiefst verstörenden Darstellungen, was die psychischen und sozialen Folgen für die Betroffenen enorm verstärkte. Für viele Opfer hatte die Veröffentlichung solcher Inhalte gravierende Folgen. Es entstanden Imageverluste, psychische Belastungen, Angst vor öffentlicher Bloßstellung und in einzelnen Fällen sogar Suizidgedanken oder Selbstmord aufgrund der Stigmatisierung. Die YouTuberin Sarah Z.
aus Vancouver berichtete etwa von persönlichen emotionalen Schäden, nachdem tiefgefälschte Pornovideos von ihr ohne ihre Zustimmung verbreitet wurden. Sie war eine der vielen Privatpersonen, die Opfer derartige nicht-einvernehmlicher Inhalte wurden. Dies verdeutlicht, dass Deepfake-Pornografie nicht nur ein Problem prominenter Persönlichkeiten, sondern der gesamten Gesellschaft ist. Ein besonderes Problem bei MrDeepFakes.com war zudem die Möglichkeit für Nutzer, individuelle Anfragen zu tätigen.
So konnten sie etwa erbitten, dass digitale Pornos von Partnern, Ehefrauen oder anderen Personen erstellt wurden, was intime Beziehungen zusätzlich gefährdete. Die Betreiber des Portals akzeptierten Zahlungen oft in Kryptowährungen, was eine Spurung erschwerte und die Anonymität im Dunkelfeld verstärkte. Die Enttarnung von David Do als zentraler Akteur hinter MrDeepFakes erfolgte nach gut sieben Jahren intensiver Recherche durch die Visual Investigations Unit des kanadischen Rundfunks CBC, in Kooperation mit dem Open-Source-Ermittlerkollektiv Bellingcat sowie dänischen Medienpartnerschaften. Mehrfach versuchte das Team, Do zu kontaktieren, erhielt jedoch keine direkte Reaktion. Bei einer persönlichen Begegnung gab er nur ausweichende Antworten und verstrickte sich nicht in Erklärungen.
Gleichzeitig fanden sich anhand von Datenlecks, IP-Adressen und E-Mail-Verbindungen eindeutige Verknüpfungen zu ihm. Bereits seit 2018 war er unter dem Nutzername „DPFKS“ als Administrator auf verschiedenen Foren aktiv gewesen und hatte nicht nur die Webseite selbst betrieben, sondern auch mehrfach eigene Deepfake-Videos erstellt und Datensätze bereitgestellt, um anderen Nutzern die Erstellung solcher Videos zu erleichtern. Das komplette Ausmaß zeigt sich besonders durch technische Spuren, etwa die Verknüpfung mit Google-Analytics-Tags, kryptografischen Daten, Nutzerprofilen auf Drittseiten und übereinstimmenden Passwörtern bei mehreren Plattformen. So lag die solide Basis für die Identifizierung vor, obwohl Do seine Verbindungen akribisch zu verschleiern wusste. Auch heute noch schwanken die Gesetzgebungen weltweit stark im Umgang mit Deepfake-Inhalten.
Während in verschiedenen Ländern wie Südkorea, Australien und Großbritannien das Verbreiten nicht-einvernehmlicher Deepfake-Pornos strafbar ist, gibt es in Kanada bislang keine umfassende Bundesregelung, die solche Inhalte kriminalisiert. Die Regierung arbeitet jedoch daran, entsprechende Gesetze auf den Weg zu bringen. Rechtliche Grauzonen ermöglichen es Betreibern wie David Do, mit solchen Seiten hohe Profite zu erzielen, ohne mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen. Schätzungen zufolge generierte MrDeepFakes monatliche Einnahmen in Höhe von mehreren tausend Dollar, oft über Werbung und Premiumdienste. Die Nutzer wurden eingebunden, eigene Inhalte zu erwerben oder in Auftrag zu geben, und die Zahl der Zugriffe wuchs kontinuierlich, obwohl das Bewusstsein für Datenschutz und Persönlichkeitsrechte zunahm.
Die Technologie hinter Deepfake-Pornografie hat sich ebenfalls rasant weiterentwickelt. Anfangs waren die manipulierten Bilder oft noch grob, mit erkennbaren Fehlern. Heute sind hochqualitative Deepfakes möglich, die kaum von echten Aufnahmen unterscheidbar sind. Das macht es für Betroffene schwerer, sich gegen die Verbreitung zu wehren oder Fälschungen zu enttarnen. Neben den technischen Voraussetzungen ist für professionelle Qualität eine erhebliche Menge an Bildern und Videos einer Zielperson notwendig, um authentische Ergebnisse zu erzielen.
In Foren wie MrDeepFakes wurde intensiv über das Zusammenstellen solcher Datensätze diskutiert. Die gesellschaftlichen Folgen sind gravierend. Viele Menschen, vor allem Frauen, fühlen sich durch diese Entwicklung bedroht und in ihrer persönlichen Sicherheit verletzt. Experten warnen, dass Deepfake-Pornos nicht nur individuelle Leben zerstören, sondern auch die gesellschaftliche Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten und intimer Privatsphäre unterminieren. Diese neue Form digitaler Gewalt kann zudem abschreckend wirken auf Personen, die öffentliche Rollen anstreben oder sich politisch engagieren wollen.
Die Angst, Opfer von digitaler Entwürdigung zu werden, führt teilweise auch dazu, dass Menschen von der öffentlichen Bühne zurücktreten. Die Ermittlung und das Bekanntwerden der Identität des Schlüsselakteurs hinter MrDeepFakes wiegt daher auch als Erfolg in der Medienlandschaft. Die Zusammenführung von Open-Source-Ermittlungen, Veröffentlichungen in renommierten Medien und der internationalen Zusammenarbeit führte dazu, dass MrDeepFakes endgültig vom Netz genommen wurde. Dies zeigt, dass auch in einem scheinbar anonymen und technologisch abgesicherten Raum die Verantwortung einzelner Akteure enttarnt und benannt werden kann. Der Fall David Do zeigt aber auch die Herausforderungen eines effektiven Schutzes gegenüber Deepfake-Inhalten.
Es bestehen weiterhin Lücken in der Gesetzgebung, unzureichende technische Schutzmaßnahmen und eine hohe Komplexität bei der Rechtsverfolgung. Die internationale Gemeinschaft diskutiert derzeit verstärkt über Maßnahmen wie verpflichtende Löschlösungen, Strafverfolgung nicht-einvernehmlicher Verbreitung und Aufklärungskampagnen. Gleichzeitig arbeiten Technologiekonzerne an Tools, die das Erkennen und Markieren von Deepfake-Inhalten effektiver gestalten sollen. Neben gesetzlichen und technischen Lösungen sind gesellschaftliche Sensibilisierung und Unterstützung von Opfern essentiell. Viele Betroffene berichten über mangelnde Hilfsmöglichkeiten und fühlen sich oft alleingelassen.
Organisationen und Initiativen versuchen daher, emotionale und rechtliche Hilfsangebote auszubauen. Das Aufkommen von Deepfake-Pornografie fordert ein Umdenken im Umgang mit digitaler Intimsphäre und der Verantwortung von Plattformen und Nutzern. Abschließend steht der Fall des Apothekers David Do als Symbol für die komplexen Verwerfungen, die durch manipulative KI-Technologien entstehen können. Sein Doppelleben zwischen bürgerlichem Beruf und Schattenwelt der digitalen Pornografie verdeutlicht, wie selbst unauffällige Personen in einem globalen Netz aus illegalen Aktivitäten verstrickt sein können. Die Geschichte mahnt zur Wachsamkeit, zur Förderung von Rechtsreformen und zur Entwicklung ethischer Standards, um derartige Technologien verantwortungsvoll zu kontrollieren und missbräuchliche Nutzung zu verhindern.
Nur so können persönliche Rechte geschützt und gesellschaftliches Vertrauen bewahrt werden.