Südkorea steht vor einer bedeutsamen Herausforderung im Bereich der Kryptowährungen: Ein massiver Kapitalabfluss von 56,8 Billionen Won, was rund 40,8 Milliarden US-Dollar entspricht, hat das Land in den ersten Monaten des Jahres 2025 erschüttert. Diese Abwanderung von Wertanlagen stellt nicht nur ein Risiko für die Stabilität des Finanzsystems dar, sondern wirft auch Fragen zur nationalen wirtschaftlichen Sicherheit auf. Vor diesem Hintergrund hat der prominente südkoreanische Oppositionsführer und Präsidentschaftskandidat Lee Jae-myung die Einführung eines won-gestützten Stablecoins vorgeschlagen, um der Abwanderung entgegenzuwirken und die Abhängigkeit von ausländischen Stablecoins wie USDT und USDC zu verringern. Lee Jae-myungs Initiative geht weit über die bloße Einführung eines neuen digitalen Vermögens hinaus. Der Vorschlag ist Teil einer umfassenden Strategie, die darauf abzielt, das digitale Ökosystem Südkoreas zu modernisieren, innovative Finanzprodukte zu legalisieren und gleichzeitig die Kontrolle und Sicherheit im Regulierungsrahmen zu stärken.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die geplante Legalisierung von Spot-ETFs auf Kryptowährungen sowie die Öffnung für institutionelle Investitionen unter staatlicher Aufsicht. Dadurch soll Südkoreas Finanzmarkt attraktiver und international wettbewerbsfähiger gestaltet werden. Das derzeitige regulatorische Umfeld stellt ein bedeutendes Hindernis dar, da die Ausgabe von inländischen Stablecoins bisher durch das Gesetz untersagt ist. Aus diesem Grund sind südkoreanische Kryptobörsen auf US-Dollar-basierten Stablecoins angewiesen, die größtenteils außerhalb des eigenen Einflussbereichs liegen. Dies hat erhebliche Auswirkungen, denn fast die Hälfte des Kapitalabflusses ist direkt auf diese ausländischen Stablecoins zurückzuführen.
Lee betont, dass ein stabiler, won-gestützter Stablecoin als nationales Instrument wesentlich helfen kann, die Vermögenswerte innerhalb der Landesgrenzen zu halten und die finanzielle Souveränität zu sichern. Ein solcher Stablecoin würde nach Lees Vorstellungen streng reguliert und mit ausreichenden Reserven hinterlegt sein. Gemäß dem geplanten Digital Asset Basic Act, einem Gesetzesentwurf, der die rechtliche Grundlage für digitale Vermögenswerte schafft, müssten Stablecoin-Emittenten eine Mindestreserve von 50 Milliarden Won vorweisen und die Genehmigung der Financial Services Commission (FSC) einholen. Dieses Vorgehen soll das Risiko von Zahlungsausfällen und Liquiditätsproblemen minimieren und Vertrauen bei Investoren schaffen. Gleichzeitig sehen Experten und Kritiker in Südkorea die Einführung von Stablecoins mit gemischten Gefühlen.
Während junge Krypto-Enthusiasten und Teile der politischen Landschaft die Chancen auf eine Stärkung des heimischen Kryptomarkts begrüßen, warnen Ökonomen und regulatorische Fachleute vor potenziellen Gefahren. Insbesondere der Korea Capital Market Institute warnt vor einer möglichen Ausweitung der Geldmenge und einem Verlust der monetären Kontrolle, wenn private Emittenten stabilisierende Währungen herausgeben, die einer Bank ähnlich Geld schaffen könnten. Auch wenn Lee das Modell klar als Fiat-unterlegt und streng reguliert beschreibt, bleiben organisatorische und operationelle Risiken bestehen, die sorgfältig adressiert werden müssen. Die Bedeutung der Kryptowährung als politisches Thema wächst in Südkorea stetig. Ungleich viele junge Menschen und Tech-Affine gehören zu den aktiven Nutzern digitaler Vermögenswerte.
Mit circa 15 Millionen Krypto-Enthusiasten innerhalb der Bevölkerung ist das Thema bei der Präsidentschaftswahl 2025 von zentraler Bedeutung. Die Democratic Party, der Lee angehört, hat kürzlich ein Digital Asset Committee ins Leben gerufen, das die allgemeinen Rahmenbedingungen verbessern und Unsicherheiten im Markt beseitigen soll. Dieses Komitee soll auch die Gesetzesinitiativen begleiten, die voraussichtlich die Grundlage für ein geregeltes und sicheres digitales Ökosystem legen werden. Neben den Anforderungen an Stablecoin-Anbieter wird der Digital Asset Basic Act infrastrukturelle Vorgaben für Dienstleister im Bereich der digitalen Vermögenswerte sowie Maßnahmen zum Schutz der Investoren enthalten. Dies könnte Südkorea in eine Vorreiterrolle im asiatisch-pazifischen Raum katapultieren.
Die globale Situation bleibt für Südkorea ebenfalls herausfordernd. Die Kernproblematik eines massiven Kapitalabflusses und des weltweiten Wettbewerbs um digitale Finanzinnovationen treffen in dem Land auf eine gemischte Haltung von Regulierungsbehörden, die nach dem TerraUSD-Debakel von 2022 äußerst vorsichtig gegenüber algorithmischen Stablecoins sind. Die südkoreanische Finanzaufsicht zeigt sich skeptisch und möchte keinesfalls Szenarien wiederholen, die zu globalen Unsicherheiten geführt haben. Lee Jae-myungs Vorschlag versucht, diese Bedenken zu adressieren, indem er auf klare gesetzliche Grundlagen, strenge Reserven und eine aktive Aufsicht setzt, um das Vertrauen der Nutzer und Investoren zurückzugewinnen. Er sieht den won-gestützten Stablecoin als eine Schlüsselstrategie, die nicht nur der Kapitalflucht entgegenwirkt, sondern auch das südkoreanische Finanzsystem modernisiert, wettbewerbsfähiger macht und im internationalen Vergleich stärkt.
Für die breite Öffentlichkeit und die Stakeholder im Kryptosektor könnte dieser Schritt bedeuten, dass Südkorea seine Position als einer der wichtigsten Krypto-Standorte weltweit festigt. Institutionelle Investoren, darunter auch öffentliche Fonds wie der Nationale Pensionsfonds, könnten erstmals unter geregelten Bedingungen in digitale Assets investieren, was die Markttiefe und Liquidität erhöht. Gleichzeitig könnten neue Finanzprodukte wie Spot-ETFs die Brücke zwischen traditionellem Finanzmarkt und digitaler Wertschöpfung schlagen. Nichtsdestotrotz bleibt abzuwarten, wie die politischen und regulatorischen Prozesse verlaufen. Die Zeit bis zur Präsidentschaftswahl 2025 stellt einen wichtigen Prüfstein dar, an dem sich zeigt, wie sehr das Thema digitale Währungen in Südkorea an Bedeutung gewinnen kann und ob die regulatorischen Rahmenbedingungen entsprechend modernisiert werden.