Im Bergsteigen und Skitourengehen ist die Gefahr menschlicher Fehler allgegenwärtig. Obwohl Technik, Ausrüstung und Wettervorhersagen täglich besser werden, sind viele Unfälle immer noch auf falsche Einschätzungen zurückzuführen. Ein besonders tückisches Phänomen, das häufig zu riskanten Entscheidungen führt, sind sogenannte Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen. Diese psychologischen Mechanismen beeinflussen das Verhalten von Bergsteigern und Skifahrern massiv und spielen eine entscheidende Rolle in der Unfallursachenermittlung. Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen basieren auf einem simplen, aber gefährlichen Trugschluss: Weil bei einer vorherigen Unternehmung nichts Schlimmes passiert ist, wird angenommen, dass auch beim nächsten Mal die Situation ungefährlich ist.
Sprich, die Abwesenheit eines negativen Ereignisses wird fälschlicherweise als Beweis für Sicherheit interpretiert. So entsteht eine Feedback-Schleife, in der das vermeintliche Sicherheitsgefühl durch wiederholte „glückliche Ausgänge“ verstärkt wird. Dieses psychologische Muster lässt oft die kritische Risikobewertung verblassen. Typische Gedanken, die im Rahmen solcher Feedback-Schleifen auftreten, sind Sätze wie: „Ich bin schon oft die gleiche Route gegangen, und es ist nie etwas passiert“, „Wir haben die Piste heute den ganzen Tag befahren und es gab keine Probleme“ oder „Alle sind genau diesen Weg gegangen, also kann es nicht gefährlich sein“. Diese Überzeugungen führen dazu, dass Menschen ihr Verhalten nicht an veränderte Bedingungen anpassen und potenzielle Gefahren unterschätzen.
Gerade in beliebten Bergen oder auf bekannten Skihängen sind Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen besonders verbreitet. Der Berg oder die Route, die man am häufigsten besucht, scheint paradoxalerweise am gefährlichsten zu sein. Die Vertrautheit mit der Umgebung erzeugt eine trügerische Sicherheit. Alte Spuren im Schnee, vielfach benutzte Aufstiege oder etablierte Wege vermitteln den Eindruck, dass alles sicher ist, obwohl sich die Gefahren durch Wetterumschwünge, veränderte Schneebedingungen oder natürliche Einflüsse jederzeit ändern können. Ein besonders wichtiger Faktor ist die Gruppendynamik.
Oft folgen Anfänger ihren erfahrenen Führern, ohne deren Entscheidungsfindung komplett zu durchschauen. Wenn der Gruppenleiter eine Route als sicher einstuft, wird dies von den weniger erfahrenen Mitgliedern als unumstößliche Wahrheit angenommen. Dadurch entsteht eine stillschweigende Übernahme von Risiko und eine Abhängigkeit von der Einschätzung Dritter. Dabei wird oft nicht hinterfragt, ob die Bedingungen heute tatsächlich sicher sind oder ob subjektive Wünsche und Erwartungen die Analyse beeinflussen. Studien aus der Lawinenforschung untermauern dieses Verhalten.
So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Skifahrer eine potenziell gefährliche Hänge befahren, erheblich, wenn sie sehen, dass eine andere Person diese bereits erfolgreich passiert hat. Diese Beobachtung vermittelt ein unbewusstes Gefühl von Sicherheit und bestärkt Menschen darin, ebenfalls Risiken einzugehen, die objektiv betrachtet nicht ratsam wären. Dies verdeutlicht eindrucksvoll, wie stark soziale Faktoren und psychologische Mechanismen unser Verhalten in Extremsituationen beeinflussen. Das Erkenntnisinteresse bei Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen ist deshalb vor allem, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und einen realistischen Blick auf die tatsächlichen Bedingungen zu gewinnen. Sich Bewusst zu machen: Nur weil es gestern sicher war, heißt das nicht, dass es heute auch sicher ist.
Auch der Umstand, dass andere eine Route erfolgreich hinter sich gebracht haben, garantiert keine Unversehrtheit. Eine objektive Risikoanalyse am Tag der Unternehmung ist unerlässlich und kann lebensrettend sein. Kritisch ist zudem, aktiv das eigene Verhalten zu beobachten. Hinterfrage ich meine Entscheidungen oder folge ich einfach blind einer vertrauten Routine oder der Meinung erfahrener Mitstreiter? Im Alpinen gilt es zu reflektieren, ob ich auf die aktuellen Schneeverhältnisse, Wetteränderungen und sonstige objektive Parameter reagiere – oder ob ich der Versuchung erliege, die Realität so zu sehen, wie ich sie gerne hätte. Diese Achtsamkeit kann helfen, Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen zu durchbrechen.
Auch sogenannte „Erfahrungsnarren“ sind betroffen: Personen, die auf ihr langjähriges Können oder besondere Routinen vertrauen, können unbewusst riskantes Verhalten rechtfertigen. Die mentale Sicherheit, die aus einer Vielzahl durchgeführter Touren oder Klettereien stammt, kann zu Selbstüberschätzung führen. Sicherlich ist Erfahrung im Bergsport unverzichtbar, doch gerade erfahrene Alpinisten sollten sich dessen bewusst sein, wie sehr Routine auch zu einer blinden Falle werden kann. Ein weiterer Aspekt ist die Informationsweitergabe in der Bergsteigergemeinschaft. Häufig werden positive Erfahrungen mit bestimmten Routen oder Gebieten geteilt, während negative Vorkommnisse oder kritische Warnungen unterschätzt oder nicht kommuniziert werden.
Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild der Realität, das wiederum Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen verstärkt. Eine offene und ehrliche Kommunikation über Risiken, Gefahrenstellen und dynamische Veränderungen ist deshalb essenziell, um Bewusstsein in der Gemeinschaft zu schärfen. Praktische Strategien gegen Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen bestehen darin, ständig auf Veränderungen zu achten. Objektive Bedingungen wie Schneedecke, Temperaturen, Wind, Sonnenstrahlung und Wetterprognosen müssen eingehend geprüft werden. Hierbei helfen Checklisten, Erfahrungsaustausch mit professionellen Berg- und Lawinenführern sowie fundierte Ausbildung in Lawinenkunde und Risikoanalyse.
Auch mentale Techniken tragen dazu bei, sich aus der Komfortzone der vermeintlichen Sicherheit zu bewegen. Methoden wie das bewusste Einnehmen einer skeptischen Grundhaltung, das Hinterfragen von Routinen und die sorgfältige Analyse eigener Entscheidungen bewirken ein höheres Maß an Achtsamkeit und Vorsicht. Somit lernt man, Verhaltensweisen zu vermeiden, die durch Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen begünstigt werden. In der Praxis sollten Bergsteiger und Skitourengeher zudem dem Gruppendruck bewusst entgegentreten und ihre eigene Risikoeinschätzung validieren. Sich die Freiheit zu nehmen, auch mal „Nein“ zu sagen, wenn die Bedingungen unsicher sind, zeigt Verantwortungsbewusstsein und schützt die Gesundheit und das Leben.
Insbesondere in Gruppen spielt es eine große Rolle, Offenheit für kritische Diskussionen zu fördern und eine Kultur zu schaffen, in der Sicherheit an erster Stelle steht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen eine unterschätzte, aber gravierende Ursache für viele alpine Unfälle sind. Indem man die Psychologie hinter diesen Schleifen versteht, kann man bessere und bewusstere Entscheidungen treffen. Die elementare Herausforderung im Bergsport besteht darin, routinierte Verhaltensweisen regelmäßig zu hinterfragen, die Dynamik der aktuellen Situation zu respektieren und stets mit dem Bewusstsein zu handeln, dass Sicherheit niemals garantiert ist. Nur so gelingt es, die trügerische Sicherheit der Nicht-Ereignis Feedback-Schleifen zu durchbrechen und den Berg als faszinierende, aber respektvolle Herausforderung zu erleben.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit Risiko, stetige Weiterbildung und Selbstreflexion sind Schlüssel, die dafür sorgen, dass Bergsteiger und Skifahrer langfristig sicher und mit Freude unterwegs sind.