Die Entstehung des Sun Enterprise 10000 ist eine faszinierende Geschichte, die von Innovation, Unternehmergeist und strategischen Unternehmensentscheidungen geprägt ist. Hinter diesem Server verbirgt sich ein komplexer Prozess aus technischer Entwicklung, Fusionen und Akquisitionen, der letztlich die Grundlage für eines der leistungsstärksten Serversysteme seiner Zeit legte. Dieses Kapitel der Computerhistorie zeigt eindrucksvoll, wie visionäre Ingenieure und wichtige Branchenakteure zusammenwirkten, um eine neue Ära der Hochleistungs-Servertechnik einzuläuten. Alles begann mit einer Gruppe talentierter Ingenieure in San Diego, die ihre berufliche Heimat bei etablierten Firmen verlassen hatten, um unabhängig neue Wege zu beschreiten. Darunter befanden sich viele erfahrene Mitarbeiter von NCR, einem der damaligen Schwergewichte im Bereich der Computertechnik.
Ihr Ziel war klar: Sie wollten massiv parallel arbeitende Computersysteme mit SPARC-Prozessoren entwickeln, um so innovative Serverplattformen für anspruchsvolle Anwendungen zu schaffen. Diese Vision stellte sie vor große Herausforderungen, denn der Markt für großskalige, parallel skalierbare Server war damals äußerst anspruchsvoll und wies eine hohe Konkurrenz auf. Über mehrere Jahre hinweg durchlief das Team verschiedene Unternehmensphasen. Es folgten Umstrukturierungen und Akquisitionen, wobei das Cray Research Unternehmen eine entscheidende Rolle spielte. Unter der Führung von Cray entstand das CS6400, eine Maschine mit 64 SPARC-Prozessoren, die intern als "SuperDragon" bekannt war.
Diese Bezeichnung leitet sich von der Architektur ab, die auf Sun Microsystems' sun4d Basis beruhte, ähnlich der damals beliebten SparcCenter 2000 Serie. Das CS6400 galt als technologisches Wunderwerk mit revolutionären Features wie Dynamic System Domains. Dieses Merkmal ermöglichte es, die Systemboards auf elektronischem Weg in separate Bereiche, sogenannte Domains, zu unterteilen. Dadurch konnten unterschiedliche Betriebssysteminstanzen parallel und stabil laufen. Eine weitere wichtige Innovation war das Alternate Pathing, das eine Virtualisierung von SCSI- und Ethernet-Geräten erlaubte.
Der besondere Vorteil lag darin, dass Systemboards zur Laufzeit neu partitioniert oder sogar physisch entfernt werden konnten, ohne dass die I/O-Dienste für die Anwender unterbrochen wurden. Dieses hohe Maß an Flexibilität und Verfügbarkeit war für damalige Verhältnisse außergewöhnlich. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem CS6400-Entwicklungsteam und Sun Microsystems entwickelte sich, da diese Server auf dem Solaris Betriebssystem basierten. Das Solaris Kernel wurde speziell auf die Hardware angepasst, um die erweiterten Funktionen wie Dynamic Reconfiguration und Alternate Pathing effizient zu unterstützen. Diese Anpassungen sorgten dafür, dass Solaris in der Lage war, Ressourcen dynamisch zu verwalten und auf Änderungen der Hardwarekonfiguration in Echtzeit zu reagieren.
Die Situation änderte sich grundlegend, als Silicon Graphics (SGI) Cray Research übernahm. SGI, ein Unternehmen mit Fokus auf MIPS-basierte Systeme, zeigte nur wenig Interesse, das SPARC-gestützte Segment zu behalten. Dies führte dazu, dass die San Diego Division für rund 50 Millionen US-Dollar an Sun Microsystems verkauft wurde. Für Sun war dies ein strategisches Schnäppchen, denn sie erhielt damit nicht nur ein talentiertes Entwicklerteam, das bereits an innovativen Systemen arbeitete, sondern auch die kurz vor der Fertigstellung stehende Nachfolgegeneration des CS6400 – den Ultra Enterprise Server 10000, auch bekannt als Starfire. Unter Sun Microsystems wurde die Entwicklung des Enterprise 10000 abgeschlossenen und erfolgreich in den Markt eingeführt.
Das System stellte eine modernisierte und leistungsfähigere Evolution des CS6400 dar. Besonders hervorzuheben ist die verbesserte Dynamic Reconfiguration, die für mehr Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit sorgte. Während frühere Solaris-Versionen wie 2.5.1 und 2.
6 bereits Dynamic Reconfiguration ermöglichten, war die Implementierung in Solaris 7 und 8 deutlich stabiler und beherrschbarer. Die Hardware des Enterprise 10000 basierte auf einer ausgeklügelten 16x16 Crossbar-Switch-Architektur, die auf Suns UPA (Ultra Port Architecture) fußte. Diese Architektur erlaubte eine sehr effiziente Verbindung von bis zu 64 Prozessoren mit dem gemeinsamen Speicher. Die SMP-Skalierbarkeit des Systems war seinerzeit beispiellos. Alle Prozessoren konnten mit nahezu einheitlicher Performance auf den 64 GB großen Hauptspeicher zugreifen, mit beeindruckenden 12 Gigabyte pro Sekunde Bandbreite und extrem niedrigen Latenzzeiten von etwa 500 Nanosekunden.
Gleichzeitig sorgte ein Cache-Kohärenzmechanismus dafür, dass die 8 MB großen Level-2-Cache der Prozessoren stets synchron blieben. Die Kombination aus hervorragender Hardware, einem ausgereiften Betriebssystem und einem flexiblen Systemdesign machte das Enterprise 10000 zu einem vielfach gelobten Produkt in der Computerindustrie. Es gelang, SMP-Architekturen auf eine bisher unerreichte Größe zu skalieren. Das System wurde zum Rückgrat komplexer Unternehmensanwendungen, die hohe Verfügbarkeit, Skalierbarkeit und Leistung erforderten. Der damalige Sun-CEO Scott McNealy bezeichnete die Akquisition des Enterprise 10000-Teams als die beste Übernahme seit Microsofts Kauf von DOS.
Tatsächlich generierte die Division im ersten Jahr nach der Übernahme Milliardenumsätze und brachte Sun einen enormen Schub in Richtung Enterprise-Server-Markt. Neben den physischen Servern entstanden auch umfangreiche Umsätze aus Serviceleistungen und Zubehör, was die wirtschaftliche Bedeutung des Projekts unterstrich. Die Übernahme war auch ein strategischer Schritt, um Suns Position im Bereich der skalierbaren Serverlösungen zu festigen und auszubauen. Zusammen mit anderen Firmen wie Integrated Micro Products, die Sun ebenfalls übernahm, konnte das Unternehmen eine breitgefächerte Produktpalette anbieten – von fehlertoleranten Systemen bis hin zu leistungsstarken SMP-Servern, alles auf Basis gemeinsamer Hardware- und Softwarearchitekturen, die unter Solaris liefen. Rückblickend zeigt die Geschichte des Enterprise 10000, wie eng technologische Innovation und unternehmerische Entscheidungen im Hightech-Bereich miteinander verwoben sind.