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Was das Innovations-Evangelium falsch versteht: Eine kritische Betrachtung der Disruptions-Theorie

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What the Gospel of Innovation Gets Wrong (2014)

Eine tiefgehende Analyse der weit verbreiteten Disruptions-Theorie von Clayton M. Christensen und ihrer Auswirkungen auf Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft.

Innovation und Disruption sind längst zu Schlagwörtern geworden, die in Wirtschaft, Technologie, Bildung und sogar im sozialen Bereich mit großer Leidenschaft und Zuversicht verwendet werden. Ihre Verbreitung verdanken sie insbesondere der Theorie der disruptiven Innovation von Clayton M. Christensen, die erstmals im Jahr 1997 in seinem Buch "The Innovator’s Dilemma" vorgestellt wurde. Eine Theorie, die erklärt, warum erfolgreiche Unternehmen trotz guter Managemententscheidungen scheitern können – paradoxerweise weil sie an bewährten Strategien festhalten. Doch ein genauerer Blick auf diese Theorie und ihre realwirtschaftlichen Beispiele offenbart eine Reihe von Missverständnissen, fragwürdigen Annahmen und nicht selten einer unkritischen Verklärung von Innovation als alleinige Triebkraft gesellschaftlichen Fortschritts.

Jill Lepore, Autorin und Professorin an der Harvard University, setzt sich in ihrem 2014 erschienenen Beitrag "What the Gospel of Innovation Gets Wrong" mit diesen Aspekten eindrucksvoll auseinander. Sie kritisiert, dass die Disruptions-Theorie auf Angst, Panik und oft lückenhafter empirischer Grundlage beruht. Innovation wird als beinahe religiöse Erzählung gefeiert, die letztlich wenig mit der komplexen Wirklichkeit von Unternehmen, Märkten und gesellschaftlichen Institutionen zu tun hat. Die ursprüngliche Intention von Christensens Arbeit war die Untersuchung von Industrien, in denen etablierte Unternehmen durch neue Technologien und Marktstrategien verdrängt wurden. Sein Beispiel der Disketten- und Festplattenindustrie ist dabei besonders prägnant.

Er beschreibt, wie Unternehmen wie Seagate, IBM und Shugart Associates im Laufe der Zeit mit kleineren, billigeren Datenträgern neue Kundensegmente bedienten – unter anderem durch Produkte mit geringerer Leistung, die zunächst weniger profitabel erschienen, aber den Massenmarkt revolutionierten. Christensen unterteilt Innovationen in sustainende Innovationen, also inkrementelle Verbesserungen bestehender Produkte, und disruptive Innovationen, die völlig neue Märkte schaffen oder bestehende Marktstrukturen verändern. Lepore zeigt jedoch auf, dass gerade die Disketten- und Festplattenindustrie weit weniger linear und dramatisch war als von Christensen dargestellt. So war Seagate trotz einiger Versäumnisse keineswegs ein Opfer disruptiver Kräfte, sondern entwickelte sich, entgegen der Theorie, zu einem der Marktführer mit steigenden Umsätzen und anhaltendem Erfolg. Gleichzeitig missachten Kritiker wie Christensen komplexe Faktoren wie Branchenkonsolidierungen, Managementstrategien oder makroökonomische Einflüsse, die das tatsächliche Bild prägen.

Die sogenannten Aufsteiger, die disruptive Innovationen zu verkörpern scheinen, verschwanden oft ebenso schnell wie sie aufgetaucht sind. Eine ähnliche Kritik trifft die Anwendung der Theorie auf andere Branchen. So wird im Bereich der Baumaschinen die „Disruption“ durch die Einführung hydraulischer Techniken als Verdrängung der älteren Kabeltechnik dargestellt. Doch eine historische Überprüfung offenbart, dass viele Unternehmen, die als „neue Marktteilnehmer“ gelten, zuvor schon lange im Geschäft waren und lediglich neue Technologien adaptieren. Die oft behauptete Vernichtung der Etablierten entsprach in Wirklichkeit eher dem typischen Wandel ganzer Branchen, der durch finanzielle Krisen, Marktzyklen und Innovationen vorangetrieben wird.

Die Anwendung der Disruptions-Theorie auf den Einzelhandel führt zu ähnlichen Fehlinterpretationen. Die Erfolge von Kmart und Target sowie die Probleme von Woolco werden als Illustration dafür genutzt, dass traditionelle Geschäftsmodelle und disruptive Modelle nicht koexistieren können. Allerdings blenden solche Betrachtungen begründete Rückschläge, wie die Insolvenz von Kmart in den frühen 2000er Jahren, aus und verkennen, dass wirtschaftlicher Erfolg häufig durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird – nicht nur durch ein „richtiges“ oder „falsches“ Innovationsverhalten. Noch problematischer wird es, wenn die Theorie auf Non-Profit- und öffentliche Institutionen wie Universitäten, Schulen oder Journalismus angewandt wird. Diese Bereiche haben andere Zielsetzungen als rein gewinnorientierte Unternehmen und können daher nicht einfach nach dem gleichen Innovationsmodell beurteilt werden.

Bildung, Gesundheit oder Medien haben gemeinnützige Verpflichtungen, ein komplexes Beziehungsnetz und eine Vielfalt von Anspruchsgruppen, die mit den Marktgesetzen nur schwer vereinbar sind. Die Annahme, dass disruptive Innovation automatisch auch Fortschritt bedeutet, übersieht diese Unterschiede und kann zu Politik und Entscheidungen führen, die mehr Schaden als Nutzen bringen. In ihrem kritischen Text hinterfragt Lepore auch die vermeintliche Vorhersagekraft der Disruptions-Theorie. Christensen selbst musste im Rahmen eines von ihm gegründeten Fonds herbe Verluste hinnehmen und gab 2007 eine falsche Prognose für die Erfolgschancen des iPhones ab, die sich als völlig falsch erwies. Historische Analyse und Zukunftsprognosen sind demnach oft nicht so eindeutig, wie die Theorie es suggeriert.

Die popularisierte Form der Disruption fußt somit weniger auf einer belastbaren wissenschaftlichen Basis als vielmehr auf rückblickenden Interpretationen ausgewählter Fälle, die die Komplexität wirtschaftlicher Entwicklungen nicht in vollem Umfang widerspiegeln. Die Idealisierung von Innovation zeigt sich auch in der sprachlichen Verwandlung des Begriffs. „Innovation“ löst das frühere Fortschrittsdenken ab, transportiert aber weniger Aufbruchsstimmung im humanistischen Sinn als vielmehr die Verheißung neuer Marktchancen und technologischer Modernisierung. Dabei wird selten kritisch reflektiert, ob eine Neuerung tatsächlich eine Verbesserung für Gesellschaft und Einzelne bedeutet – oder lediglich eine Veränderung zugunsten ökonomischer Verwertbarkeit darstellt. Die gezielte Auswahl von Fallbeispielen und die Zurückweisung widersprüchlicher Fakten karamellisieren die Theorie zusätzlich.

Lepore führt exemplarisch den Fall Morrison-Knudsen an, dessen starke Orientierung auf disruptive Innovation im Bereich Bahn- und Massentransportsysteme in den frühen 1990er Jahren letztlich zum Untergang des Unternehmens führte. Dies widerspricht der typischen Argumentation, dass störende Innovationen per se zum Erfolg führen. Schließlich thematisiert Lepore auch die soziale Dimension der Innovationserzählung. Startups werden aufgefordert, rücksichtslos und unnachgiebig zu agieren – Loyalität, soziale Verantwortung und nachhaltige Visionen bleiben außen vor. Investoren hofieren eine Kultur des permanenten Umbruchs, des „Disrupt or be disrupted“, die auf Angst und Immanenz von Krisen basiert.

Diese Haltung steht im starken Kontrast zu tatsächlichen Bedürfnissen von Unternehmen, Mitarbeitern und Gesellschaft, die Stabilität und Verantwortung schätzen. Die Kritik der Disruptions-Theorie ist damit weit mehr als eine reine akademische Auseinandersetzung. Sie fordert ein Umdenken in der Art und Weise, wie wir über Veränderung, Fortschritt und Erfolg nachdenken. Innovation sollte nicht als Allheilmittel und unausweichliche Naturgewalt glorifiziert werden, sondern im Kontext von Nachhaltigkeit, sozialer Verantwortung und realen Bedingungen betrachtet werden. Nur so lassen sich Fehlentwicklungen vermeiden und echte Verbesserungen erreichen.

Zusammenfassend offenbart sich, dass das Evangelium der Innovation oft am Wunsch nach einfachen Erklärungen und dramatischen Narrativen haftet, die komplexe ökonomische und gesellschaftliche Prozesse stark vereinfachen. Eine differenzierte und nüchterne Betrachtung ist dagegen die Grundlage für nachhaltigen Erfolg und echten Fortschritt – unabhängig davon, ob Unternehmen, Schulen oder ganze Volkswirtschaften betroffen sind.

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