In einer bemerkenswerten Entwicklung auf dem Finanz- und Rechtssektor haben die Northern Mariana Islands, ein US-Territorium im Pazifik, einen wichtigen Schritt in Richtung Einführung eines durch den US-Dollar gedeckten Stablecoins unternommen. Nachdem der Gouverneur Arnold Palacios das entsprechende Gesetz im April zunächst vetoerte, stimmte der Senat des Territoriums am 9. Mai mit deutlicher Mehrheit für die Aufhebung dieses Veto. Damit erhält das umstrittene Stablecoin-Gesetz eine zweite Chance, nun steht die Abstimmung im Haus der Abgeordneten bevor. Der Senator Carl King-Nabors, Mitautor des Gesetzes und Vertreter der Insel Tinian, betonte, wie besonders stringent und effizient die Kontrolle des Online-Gamings durch digitalen Zahlungsverkehr mit dem Stablecoin sei.
Er sieht das Gesetz als wichtigen Schritt zur dringend benötigten wirtschaftlichen Diversifizierung, gerade angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen infolge der Pandemie. Seine Argumentation basiert auf dem Wunsch, innovative Einnahmequellen insbesondere im digitalen Sektor zu erschließen, ohne Umweltbelastungen oder großen Infrastrukturaufwand. Tinian, mit kaum mehr als 2000 Einwohnern ein kleines Eiland im nördlichen Pazifik, leidet wirtschaftlich vor allem wegen der stark vom Tourismus abhängigen Struktur. Der Fokus auf den Ausbau und die Legalisierung von internetbasierten Casinos sowie die Einführung eines von der lokalen Regierung ausgegebenen Stablecoins, genannt Marianas US Dollar (MUSD), können für die Region eine neue Einnahmequelle bedeuten. Das Projekt sieht vor, dass die Stablecoin vollständig durch Bargeldreserven sowie US-Staatsanleihen gedeckt wird, die vom Schatzmeister der Gemeinde gehalten werden.
Die Verwaltung und Herausgabe des digitalen Tokens soll die Firma Marianas Rai Corporation übernehmen, welche auf der eCash-Blockchain aufbaut. Die eCash-Blockchain ist eine Abspaltung von Bitcoin Cash, die wiederum ein Fork von Bitcoin ist, und wurde 2021 umbenannt. Die Nutzung einer solchen Technologie soll es ermöglichen, die Stablecoin-Technologie sicher, transparent und nachvollziehbar zu betreiben. Durch die Integration mit Online-Spielangeboten könnte Tinian eine Vorreiterrolle in der amerikanischen Kryptolandschaft einnehmen, indem es nicht nur ein wirtschaftliches Experiment wagt, sondern auch den regulatorischen Rahmen mitgestaltet. Der Gouverneur Arnold Palacios hatte das Gesetz ursprünglich mit dem Hinweis auf mögliche rechtliche Probleme und Unverfassungskonformitäten abgelehnt.
In seinem Veto-Schreiben wurde befürchtet, dass eine Regulierung des Stablecoins und die Lizenzierung von Online-Casinos Bereiche betreffe, die nicht klar auf Tinian beschränkt werden könnten. Diese Unsicherheiten führen laut Palacios zu einem hohen Risiko, da bundesstaatliche und föderale Gesetze und Restriktionen beachtet werden müssten. Demokratische Senatorin Celina Babauta äußerte zudem ihre Bedenken bezüglich mangelnder Ressourcen und Kapazitäten zur Überwachung und Durchsetzung der Gesetzgebung. Sie warnte davor, dass Online-Glücksspiel und der damit verbundene Stablecoin eine zu große Belastung für die lokalen Behörden darstellen könnten. Babauta plädiert außerdem für eine breitere wirtschaftliche Diversifikation und hofft, dass die Regierung nicht ausschließlich auf Glücksspiele als Einnahmequelle setzt.
Doch trotz dieser Kritik fand das Gesetz in der Mehrheit des Senats großen Anklang. Die Legislativkammer stimmte mit 7 zu 1 Stimmen für die Aufhebung des Gouverneursveto. Voraussichtlich wird das Gesetz demnächst im 20-köpfigen Repräsentantenhaus behandelt, wo eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, um den Veto endgültig zu überstimmen und das Gesetz in Kraft zu setzen. Die Potenziale, die mit der Einführung eines lokal regulierten Stablecoins verbunden sind, werden von Befürwortern vor allem mit einer größeren Transparenz und Kontrolle durch die Blockchain-Technologie unterstrichen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Währungen sollen Stablecoins den Geldfluss und Transaktionen genau dokumentieren und nachvollziehbar machen.
Zudem bietet die globale Akzeptanz von US-Dollar-gebundenen Stablecoins eine gewisse Sicherheit für Investoren und Nutzer. Die Northern Mariana Islands befinden sich in einem Wettlauf mit anderen US-Bundesstaaten und Territorien um die Positionierung im neuen digitalen Finanzmarkt. Insbesondere der US-Bundesstaat Wyoming ist ebenfalls aktiv in Bemühungen, einen eigenen staatlichen Stablecoin auf den Markt zu bringen, mit einem geplanten Startzeitpunkt im Juli 2025. Die Idee, Stablecoins als offizielle Zahlungsmittel in öffentlichen Hand zu etablieren, ist bisher einzigartig in den USA. Die Verbindung mit einem regulierten Sektor wie Online-Glücksspielen soll nicht nur neue Einnahmequellen erschließen, sondern auch zu einem Modell für innovative Anwendungen digitaler Währungen in der Verwaltung und Wirtschaft werden.
Allerdings ist die Rechtslage in den USA bezüglich Stablecoins und Kryptowährungen nach wie vor uneinheitlich und komplex. Auf Bundesebene sind Gesetzgebungsverfahren wie der Guiding and Establishing National Innovation for US Stablecoins (GENIUS) Act und der Stablecoin Transparency and Accountability for a Better Ledger Economy (STABLE) Act ins Stocken geraten. Beide Initiativen verloren zeitweise die Unterstützung von Demokraten, unter anderem aufgrund politischer Spannungen und Verbindungen zu kontroversen Persönlichkeiten im Kryptobereich. Die Northern Mariana Islands könnten, wenn es ihnen gelingt, ihr Gesetz durch alle Instanzen zu bringen, zum Vorreiter in einem Bereich werden, der von Unsicherheit aber auch von großem Innovationspotenzial geprägt ist. Die Politik vor Ort zeigt sich entschlossen, nicht nur kurzfristig auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu reagieren, sondern mit digitalen Lösungen eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.
Für die kleine Bevölkerung und die Wirtschaft der Insel könnte der stabile und gesetzlich geregelte digitale Dollar den Weg zu einem diversifizierteren Wirtschaftsmodell ebnen, das weit über den traditionellen Tourismus hinausgeht. Dies könnte angesichts des begrenzten Platzes und der ökologischen Sensibilität der Region besonders wertvoll sein. Die Technologie hinter MUSD ermöglicht nach Ansicht der Befürworter eine stärkere Kontrolle und einen besseren Überblick über Casino-Transaktionen dank blockchainbasierter Transparenz. Somit könnten nicht nur illegale Aktivitäten effektiver bekämpft, sondern auch das Vertrauen der Nutzer in digitale Zahlungsformen gestärkt werden. Der weitere Verlauf der Gesetzgebung wird in den kommenden Monaten mit Spannung erwartet.
Sollte das Repräsentantenhaus dem Entwurf zustimmen, wäre dies ein bedeutender Schritt für die Northern Mariana Islands und die Zukunft der Stablecoins in den Vereinigten Staaten. Damit würden neue Maßstäbe für regulatorische Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Diversifizierung in US-Territorien gesetzt. Die Neuigkeiten aus Tinian zeigen exemplarisch, wie dezentrale Technologien und traditionelles Regierungshandeln miteinander verschmelzen können, um innovative Lösungen für lokale Herausforderungen zu finden. In einer Zeit, in der digitale Währungen weltweit auf dem Vormarsch sind, könnten solche Pilotprojekte wichtige Impulse für die globale Finanzlandschaft liefern. Nicht zuletzt ist es ein spannendes Beispiel dafür, wie politische Entscheidungsprozesse in kleinen Territorien von globalen Trends beeinflusst werden und gleichzeitig wiederum rückwirkend den technologischen Fortschritt prägen können.
Die Northern Mariana Islands begeben sich damit auf ein Neuland, das von Innovation, Risiko und vielversprechendem Potenzial gleichermaßen geprägt ist.