Nach monatelangen Kämpfen auf dem Schlachtfeld scheinen die Hoffnungen auf einen ukrainischen Gegenangriff, der Russland zurück an seine Grenzen drängen und Wladimir Putin demütigen würde, dahingeschmolzen zu sein. An die Stelle dieser Hoffnungen ist mittlerweile die Furcht vor einem möglichen Sieg des Invasors getreten. Die Frage "Was passiert, wenn die Ukraine verliert?" war einst ein rhetorisches Mittel, um die westlichen Verbündeten des Landes dazu zu bringen, mehr Geld und Waffen zu schicken. Doch zunehmend mutet die Frage weniger wie ein Gedankenexperiment an und eher wie eine erste Stufe der Notfallplanung. Eine Niederlage der Ukraine wäre eine ernüchternde Erfahrung für den Westen, ein modernes Suez-Moment.
Nachdem Amerika und Europa ihrem Verbündeten nun schon seit zwei Jahren moralische, militärische und finanzielle Unterstützung zuteilwerden lassen haben, haben sie - vielleicht unbewusst - ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt. Dass sie manchmal zögerten, diese Unterstützung zu leisten, würde die Situation nicht verbessern, sondern verschlimmern: Eher würde es Zweifler an liberalen Gesellschaften bestätigen, dass Demokratien nicht in der Lage sind, für ihre Interessen einzustehen. Eine erfolgreiche Invasion, die für Putin geopolitische Belohnungen mit sich bringt, wäre weitaus schlimmer. Russland aber auch China, Indien und weitreichende Anhänger in der südlichen Hemisphäre würden die Unterstützer der Ukraine als gute Gesprächspartner bei UN-Resolutionen und beim Feilschen um Formulierungen auf EU- und NATO-Gipfeln, aber als nicht sehr handlungsfähig einstufen. Das Einzeichnen ukrainischen Landes als russisches Territorium auf Landkarten würde die Idee stärken, dass Macht Recht schafft, zum Nutzen von Autokraten weltweit.
Schon jetzt schwebt die Warnung von George Robertson, einem ehemaligen NATO-Chef, im Raum: "Wenn die Ukraine verliert, werden unsere Feinde die Weltordnung bestimmen." Leider hat er wahrscheinlich recht. Dies könnte weitreichende Folgen haben und Taiwan sowie andere Nationale betreffen. Die Realität ist bedrückend und die Zukunft ungewiss. Was wird passieren, wenn die Ukraine wirklich verliert? Die Antwort darauf ist ungewiss und voller beunruhigender Möglichkeiten, die wir nicht außer Acht lassen sollten.
Diese Frage wird nicht nur die Ukraine beeinflussen, sondern auch den gesamten Westen und Europa in seinen Grundfesten erschüttern. Es gilt, einen klaren Kopf zu bewahren und zu überlegen, welche Maßnahmen getroffen werden können, um eine Situation zu verhindern, in der die Ukraine als Verlierer hervorgeht. Es ist an der Zeit für die internationale Gemeinschaft, zusammenzuarbeiten und solidarisch zu handeln, um das Schlimmste zu verhindern. Die Zukunft des Friedens und der Stabilität hängt von den Entscheidungen ab, die heute getroffen werden.