In den letzten Jahren hat sich die politische Landschaft in den USA zunehmend verhärtet und Polarisation ist ein prägendes Merkmal geworden. Besonders sichtbar wird dies in den Konflikten um die Justiz, die als unabhängige Institution immer wieder gegen die Politik der Trump-Administration entschieden hat. Doch was viele nicht erwartet hatten und kaum im Fokus der Öffentlichkeit stand, war die Welle der Drohungen und Belästigungen, die nicht nur die Richter selbst, sondern auch deren Familien traf. Dies wirft alarmierende Fragen zum Schutz von Richtern, zur demokratischen Gewaltenteilung und zur Sicherheit innerhalb der Gesellschaft auf. Seit dem Amtsantritt Donald Trumps im Januar 2025 wurde eine Vielzahl von Bundesrichtern beauftragt, die Rechtmäßigkeit von Regierungsmaßnahmen zu prüfen.
Viele dieser Richter, unabhängig davon, ob sie von republikanischen oder demokratischen Präsidenten ernannt wurden, haben sich nicht scheuen lassen, gegen Entscheidungen der Regierung zu urteilen, wenn diese gegen Gesetze oder verfassungsmäßige Prinzipien verstoßen. Doch als Folge dieser Entscheidungen sehen sich zahlreiche Richter und ihre Familien zunehmenden Angriffen ausgesetzt. Beispielhaft hierfür ist die Situation um U.S. District Judge James Boasberg.
Nach einem Urteil im April 2025, das Regierungsbeamte wegen Missachtung eines Gerichtsbeschlusses im Zusammenhang mit Abschiebungen von Migranten potenziell strafrechtlich belangte, löste dies eine sofortige und heftige Reaktion aus. Der Tesla-Gründer Elon Musk teilte auf dem sozialen Netzwerk X Beiträge, die die Arbeit von Boasbergs Tochter falsch darstellten. Daraus resultierten Aufrufe, sie zu inhaftieren, und weitere aggressive Äußerungen. Der Angriff richtete sich dabei nicht allein gegen den Richter, sondern auch gegen seine Tochter und seinen Bruder. Forderungen nach Festnahmen, gar nach Hinrichtungen, wurden öffentlich verbreitet.
Auch Richter John McConnell sah sich nach einem Urteil, das Trumps Kompetenzen bei der Aufhebung von Fördergeldern für Bildungs- und Sozialprogramme einschränkte, einer ähnlichen Situation gegenüber. Die Aktivistin Laura Loomer veröffentlichte auf Twitter ein Foto von McConnells Tochter, woraufhin mehr als 600 Anrufe und E-Mails mit Drohungen und beleidigenden Nachrichten das Gerichtsgebäude überschwemmten. Solche Angriffe sind kein Einzelfall, sondern Teil eines größeren Musters, das mindestens elf Bundesrichter und deren Familien betrifft. Diese Situation stellt eine beunruhigende Entwicklung dar, denn die Justiz ist ein grundlegender Pfeiler der Demokratie, der unabhängig sein muss, um rechtsstaatliches Handeln zu gewährleisten. Drohungen und Einschüchterungen gegen Richter oder deren Angehörige gefährden diese Unabhängigkeit und können zu einer Abschreckung potenzieller Bewerber für Richterämter führen.
Schon jetzt sorgen sich viele Juristen um die Sicherheit ihrer Familien, weshalb teilweise private Sicherheitsmaßnahmen oder Veränderungen im Alltag vorgenommen werden. Dabei sind die Drohungen vielfältig und reichen von anonymen Nachrichten mit Gewaltdrohungen, über doxxing – also der Veröffentlichung privater Daten im Internet – bis hin zur Lieferung von Pizzas an die privaten Haushalte der Richter als eine Art von Einschüchterung. Besonders perfide ist, dass solche Aktionen oftmals durch prominente Persönlichkeiten oder einflussreiche soziale Medien-Plattformen verstärkt werden. Elon Musk etwa teilte wiederholt Beiträge, die Richter und deren Familien öffentlich anprangern und so eine enorme Reichweite erzielen. In einigen Fällen wurden Fotos und private Informationen veröffentlicht, um Hass und Gewalt zu fördern.
Die Geschichte wird zusätzlich bedrückender, wenn man die reale Gefahr für Richter und ihre Familien in den Blick nimmt. In der Vergangenheit kam es bereits zu tödlichen Gewaltakten, bei denen Familienmitglieder von Richtern gleichsam Opfer wurden. Der Fall von Richterin Esther Salas, deren Sohn 2020 von einem Verirrten ermordet wurde, zeigt das erschreckende Ausmaß der Bedrohungen. Eine ähnliche Tragödie ereignete sich vor zwei Jahrzehnten mit Richterin Joan Lefkow. Diese grausamen Vorfälle belegen die Notwendigkeit eines effektiven Schutzes und eines gesellschaftlichen Umdenkens.
Die politische Rhetorik trägt erheblich zur Verschärfung dieser Situation bei. Präsident Trump selbst hat Richter wiederholt öffentlich angegriffen, sie als „korrupt“, „linksradikal“ oder „out of control“ bezeichnet und im März 2025 sogar zur Amtsenthebung eines Bundesrichters aufgerufen. Solche Äußerungen sind nicht nur respektlos gegenüber einer unabhängigen Institution, sondern setzen auch ein fatales Signal, das Gewaltbereitschaft bei Anhängern schürt. Der Vorsitzende einer Sicherheitskommission für die Bundesjustiz, U.S.
Circuit Judge Richard Sullivan, beschreibt die Drohungen gegen Richter und deren Familien als direkte Angriffe auf die Verfassung und die Demokratie. Die Justiz sichert als Kontrollinstanz das Gleichgewicht der Macht zwischen Exekutive, Legislative und Judikative. Wenn Richter eingeschüchtert oder bedroht werden, steht das gesamte System auf dem Spiel. Der Schutz dieser Richter obliegt unter anderem dem U.S.
Marshals Service, der Beobachtungen zufolge wenig Personal für den erweiterten Schutz hat. Dies wird besonders problematisch, wenn nicht nur die Richter selbst, sondern auch ihre erwachsenen Kinder oder andere Familienmitglieder, die oft unabhängig leben, geschützt werden müssen. Für die Marshals bedeutet das eine enorme Herausforderung, da diese Sicherungsmaßnahmen Ressourcen binden, die für andere Aufgaben nötig wären. Die Eskalation dieser Bedrohungen hat auch eine nachhaltige Wirkung auf die Arbeit der Richter. Neben der offensichtlichen physischen und psychischen Belastung bringen solche Angriffe die Unparteilichkeit und Furchtlosigkeit der Judikative in Gefahr.
Richter berichten davon, ihre Aktivitäten einzuschränken, weniger in der Öffentlichkeit präsent zu sein oder gar umzuziehen, um ihre Familien zu schützen. Das erschwert den Zugang der Gesellschaft zu einer transparenten und unabhängigen Justiz sowie die Rekrutierung hochqualifizierter Juristen für solche Ämter. Die politische Spaltung und die bedrohliche Stimmung in der Gesellschaft führen also nicht nur zu verbalen Angriffen, sondern haben reale Konsequenzen für die Handlungsfähigkeit der Justiz in den Vereinigten Staaten. Die laufenden Fälle gegen die Trump-Administration betreffen wesentliche Bereiche wie die Migration, Bildungsfinanzierung und die Kompetenzverteilung zwischen Präsident und Gerichten. Besonders in diesen politischen und gesellschaftlich sensiblen Themen ist die Arbeit der Richter unverzichtbar, um Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.
Abschließend verdeutlicht die Situation rund um die Angriffe auf Richterfamilien ein Gesamtszenario, das von wachsender politischer Intoleranz geprägt ist. Die Demokratie und der Rechtsstaat in den USA stehen vor der Herausforderung, nicht nur die richterliche Unabhängigkeit zu schützen, sondern auch die Sicherheit von Menschen zu garantieren, die im Dienst der Gesellschaft stehen. Erfolgreiche Lösungen könnten in einer konsequenteren Strafverfolgung von Bedrohungen, einer verstärkten finanziellen Ausstattung der Sicherheitsbehörden sowie in einem gesellschaftlichen Bewusstseinswandel liegen, der respektvolles Miteinander und politische Meinungsverschiedenheiten ohne Gewalt zulässt. Die Bundesjustiz hat bereits Schritte unternommen, um auf die gesteigerte Bedrohungslage zu reagieren. So wurde eine Taskforce ins Leben gerufen, die Vorschläge zur Sicherung der Richtersicherheit entwickeln soll.