Der Traum von einer bemannten Mission zum Mars ist seit Jahrzehnten ein zentrales Ziel der Raumfahrt. Doch bislang galt die Reisezeit zum Roten Planeten als eine der größten Herausforderungen. Standardmäßig dauerten bisherige Missionen sechs bis neun Monate mit chemischen Antrieben, was enorme Anforderungen an die Technologie, die Gesundheit der Astronauten und die Missionslogistik stellte. Die offizielle Vorstellung war, dass schnellere Antriebe wie Nuklearthermie oder Plasmaantriebe unbedingt nötig seien, um die Reisezeit signifikant zu reduzieren. Nun beweisen neue Studien und Missionkonzepte rund um das SpaceX Starship, dass ein Transit zum Mars innerhalb von nur drei Monaten machbar ist – mit herkömmlicher chemischer Raketentechnologie und durchdachten Trajektorien.
Dieses Novum könnte die Ära schneller, sicherer und effizienterer Marsreisen einläuten. Das Konzept der 90-Tage-Transitzeit basiert auf zwei speziell berechneten Flugbahnen für den Zeitraum der frühen 2030er Jahre. Diese Routen optimieren das Startfenster und die notwendige Geschwindigkeit, sodass die Starship-Raumfahrzeuge in etwa 90 bis 104 Tagen vom erdnahen Orbit ihren Weg zum Mars finden. Ein wesentliches Merkmal dieser Flugbahnen ist, dass sie im Rahmen der strengen Strahlenbelastungsgrenzen bleiben, die für das Raumfahrtpersonal vorgeschrieben sind. Im Vergleich zur herkömmlichen Reisezeit von rund sechs Monaten halbiert sich die kosmische Strahlenexposition damit.
Zudem verringert sich die Gefährdung durch den langzeitigen Aufenthalt in Mikrogravitation, was massive gesundheitliche Vorteile für die Crew bedeutet, etwa in Bezug auf Knochendichteverlust und das Risiko von Krebs. Die technische Grundlage der schnellen Marsmissionen ist die SpaceX Starship-Rakete, die mit chemischer Raketentechnologie und mehreren Betankungen im Erdorbit arbeitet. Das Missionsdesign sieht vor, dass für den Start zwei bemannte Starships und vier Frachtstarships eingesetzt werden. Für den bemannten Start sind etwa 15 Betankungen im erdnahen Orbit notwendig, um die enormen Treibstoffmassen von bis zu 1500 Tonnen zu fassen. Die Frachtstarships folgen einer weniger eiligen, energieeffizienteren Route mit vier Betankungen.
Das gesamte Missionspaket umfasst rund 45 Starts innerhalb eines kurzen Zeitfensters von wenigen Wochen, was eine bisher nie dagewesene Startfrequenz voraussetzt. Derzeitige Startleistungen von SpaceX mit der Falcon 9 zeigen eine Kapazität von etwa 15 Starts pro Monat, das Starship-Programm zielt jedoch auf eine Steigerung auf bis zu 100 Starts jährlich ab, um das ambitionierte Marsprogramm zu ermöglichen. Ein entscheidender Vorteil der Starship-Mission ist die Nutzung von sogenannten ISRU-Technologien (In Situ Resource Utilization) auf dem Mars. Dabei werden auf dem Planeten lokale Ressourcen wie Kohlendioxid aus der Atmosphäre und gefrorenes Wasser in den Eisvorkommen in Treibstoff für den Rückflug umgewandelt. Diese Technologie lässt sich mit Elektrolyseuren und Sabatier-Reaktoren umsetzen und ermöglicht es, pro Starship bis zu 1500 Tonnen Treibstoff direkt auf dem Mars herzustellen.
Solche Maßnahmen reduzieren den Startmassendruck aus der Erdumlaufbahn und senken die logistischen Herausforderungen der Versorgung erheblich. Chemisch basierte Antriebstechniken im Zusammenspiel mit präzise berechneten Flugbahnen sind der Schlüssel zur schnellen Marsüberquerung. Dabei spielt die spezifische Impulsleistung der Raptor-Vakuumtriebwerke von SpaceX eine wesentliche Rolle. Zwar ist der ambitionierte Wert von rund 380 Sekunden Isp (Spezifischer Impuls) noch nicht final erreicht worden, aber konservative Schätzungen von etwa 370 Sekunden zeigen, dass bereits heute mit der vorhandenen Technologie effiziente Transits möglich sind. Die Flugmechanik nutzt sogenannte Lambert-Lösungen, die die meistenergetisch günstigste Verbindung zwischen Erdorbit und Marsorbit berechnen.
Bei einem geplanten Start um den April 2033 oder Juli 2035 beträgt der nötige Geschwindigkeitszuschuss (Delta-V) etwa 4,6 Kilometer pro Sekunde beim Verlassen des erdnahen Orbits, gefolgt von gezielten Bremsmanövern nahe beim Mars, um die Ankunftsgeschwindigkeit für eine präzise Aerobremsung zu reduzieren. Aerocapture, also das Abbremsen durch atmosphärischen Widerstand in der dünnen Marsatmosphäre, ersetzt dabei komplexere und treibstoffintensive Orbitbremsmanöver. Solche Manöver können die Eintrittsgeschwindigkeit von etwa 9,7 km/s auf etwa 6,8 km/s senken, was eine relativ sichere atmosphärische Abbremsung ermöglicht. Die Hitzebelastung auf die Hitzeschutzkacheln von Starship bleibt dabei im beherrschbaren Bereich, wobei die Keramik-TPS eine ähnliche Robustheit wie das Shuttle aufweist und thermische Ströme von bis zu mehreren hundert Kilowatt pro Quadratmeter aufnehmen kann. Im Vergleich zur Rückkehr zur Erde zeigen Simulationen eine maximale aerodynamische Belastung von nur rund 3,5 g bei der Marsanreise - für die Crew gut verträglich.
Auch beim Rückflug ist eine schnelle Mission möglich. Die Studie identifiziert dabei die Gelegenheit des Sommers 2035 als optimalen Rückkehrstartpunkt. Hier beträgt der nötige Geschwindigkeitszuschuss für den Übertritt von einem niedrigen Marsorbit zur Erde etwa 4,3 km/s. Die Flugzeit vom Mars zur Erde beträgt ebenfalls rund 90 Tage und beinhaltet wiederum eine Aerocapture-Manöver-Ankunft in der Erdatmosphäre. Eine alternierende günstigere Gelegenheit mit 104 Tagen Transitzeit tritt 2037 ein, bei der eine geringere Reentry-Geschwindigkeit und damit eine einfachere aerodynamische Belastung die Sicherheit des Flugzeugs weiter verbessert.
Die Belastungen bei der Rückkehr zur Erde bleiben moderat, mit Spitzenbeschleunigungen unter 1,5 g. Die Aufrechterhaltung der erforderlichen Treibstoffkryostabilität über die dreimonatige Reise stellt eine technische Herausforderung dar, doch Untersuchungen zur thermischen Isolation der Treibstofftanks im Starship zeigen, dass die Wärmeverluste beherrschbar sind. Die Tankkonstruktionen aus Edelstahl, kombiniert mit Keramikkacheln als thermische Barriere, erlauben eine Auslegung, bei der die Abstrahlleistung die zugeführte Wärme übersteigt, was auf minimale Verdampfung von flüssigem Sauerstoff und Methan hindeutet. Zusätzlich helfen thermische Steuerungssysteme während des Flugs dabei, die Tanks in optimalen Temperaturbereichen zu halten. Die kurzen Transitzeiten bieten bedeutende Vorteile für die Gesundheit der Astronauten.
Die verringerte Exposition gegenüber kosmischer Strahlung halbiert etwa das Risiko für strahlenbedingte Langzeiterkrankungen, wie Krebserkrankungen oder Schäden am zentralen Nervensystem. Ebenso sinkt aufgrund kürzerer Schwerelosigkeit die Rate des Knochen- und Muskelverlustes, was die körperliche Leistungsfähigkeit bei der Ankunft auf dem Mars maßgeblich verbessert. Psychologische Belastungen durch Isolation und Enge können zudem besser bewältigt werden, wenn die Dauer der Mission absehbar und kompakt ist. Jedoch bringt das Konzept der schnellen Marsmission auch bedeutende logistische Herausforderungen mit sich. Die hohe Startfrequenz der Starship-Flüge verlangt von Raumfahrtagenturen, privaten Unternehmen und den involvierten Bodensystemen eine noch nie dagewesene Organisation und Betriebseffizienz.
Die Entwicklung und der Aufbau großangelegter ISRU-Anlagen auf der Marsoberfläche müssen zuverlässig funktionieren, um vor Ort ausreichend Treibstoff zu erzeugen und so den Rückflug zu gewährleisten. Diese Technologien befinden sich derzeit noch in der Entwicklung und erfordern intensive Tests und Validierungen. Darüber hinaus fehlen bislang noch detaillierte, hochauflösende aerothermodynamische Simulationen, die Prognosen der Wärmelasten und mechanischen Belastungen während der atmosphärischen Eintritte präzisieren. Die Studien basieren bisher auf bewährten Näherungsmodellen wie der Sutton-Graves-Gleichung und zwei-Körper-Approximationen der Flugbahnen. Für eine endgültige Sicherheitstechnische Beurteilung sind umfassendere Multiphysiksimulationen nötig.
Auch müssen Starship und seine Triebwerke die prognostizierten Leistungen tatsächlich erreichen, inklusive der effektiven spezifischen Impulse und der strukturellen Masse. Nicht zuletzt müssen lebenserhaltende Systeme, medizinische Infrastruktur und psychologische Betreuung für eine immer noch monatelange Reise gründlich getestet und weiterentwickelt werden. Neue Missionen der NASA und SpaceX, wie die der NASA Artemis-Mondmissionen, helfen dabei, solche Systeme in definierten Raumfahrtumgebungen zu erproben. Die Erfolge und Erkenntnisse aus diesen Vorläufermissionen werden entscheidend sein, um das schnelle Marsreise-Konzept weiter zu verfeinern und umzusetzen. Alles in allem markieren die heute vorliegenden Erkenntnisse und Konzepte einen Wendepunkt in der bemannten Marsforschung.
Die Aussicht, den Transit von bis zu neun Monaten auf nur drei zu verkürzen und dabei innerhalb akzeptabler Strahlen- und Belastungsgrenzen zu bleiben, schafft neue Paradigmen für Planung, Sicherheit und Effizienz interplanetarer Missionen. SpaceX Starship steht im Zentrum dieses Wandels als technisch realisierbare und kosteneffiziente Plattform. Diese Entwicklung könnte die nächsten Jahrzehnte der Marsforschung prägen und den Menschen den Weg zu einem dauerhaften Aufenthaltsort auf dem Roten Planeten ebnen.