In der sich stetig wandelnden Welt des Einzelhandels und der Gastronomie ist Technologie ein immer wichtigerer Faktor geworden, um Abläufe effizienter zu gestalten und Kosten zu senken. Viele große Unternehmen setzen mittlerweile auf Automatisierungssysteme und digitale Lösungen, um den Betrieb zu optimieren und dem zunehmenden Kundenaufkommen gerecht zu werden. Starbucks, das weltweit führende Kaffeeunternehmen, verfolgt nun jedoch eine andere Strategie, die für viele Branchenbeobachter überraschend ist. Statt auf eine breite Einführung von Automatisierungstechnologien zu setzen, plant Starbucks, seine Investitionen verstärkt in die Aufstockung des Personals in den Filialen zu legen und die automatischen Systeme nur gezielt einzusetzen. Diese Entwicklung wurde von Starbucks-CEO Brian Niccol im April 2025 bekanntgegeben und markiert eine deutliche Abkehr von den bisherigen Bemühungen, mit Technik den Arbeitsaufwand in den Geschäften zu reduzieren.
Brian Niccol, der im September die Führung bei Starbucks übernommen hat, erklärt, dass die Verbesserung der Kundenerfahrung seine oberste Priorität ist. Er gibt offen zu, dass die bisherige Annahme, technische Ausstattung könne das reduzierte Arbeitskräftevolumen in den Stores wettmachen, sich als nicht korrekt herausgestellt hat. In der Praxis habe die Abnahme von Personal bei gleichzeitiger Ausweitung der Automatisierung nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Stattdessen habe die Qualität des Kundenkontakts gelitten, was sich negativ auf die Umsatzentwicklung ausgewirkt habe. Tatsächlich musste Starbucks Anfang 2025 einen Rückgang der Umsätze in Nordamerika vermelden.
Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres sank der Umsatz in vergleichbaren Filialen um ein Prozent, was die Erwartungen der Analysten übertraf. Dieses Ergebnis fiel trotz eines Wachstums im kanadischen Markt ernüchternd aus und war begleitet von einer Schrumpfung der Gewinnmargen über fünf aufeinanderfolgende Quartale hinweg. Diese wirtschaftliche Situation hat offensichtlich dazu geführt, dass Starbucks seine Strategie überdenkt und neu ausrichtet. Als Konsequenz aus den jüngsten Erfahrungen hat Starbucks unter Niccols Führung ein Pilotprojekt gestartet, bei dem in fünf Filialen die Personalstärke erhöht wurde. Die ersten Resultate zeigen Verbesserungen in der Kundenbetreuung und dem Betrieb der Filialen, was den Konzern dazu bewog, diese Maßnahme bundesweit auszuweiten.
Bis Mai 2025 sollen bereits zwischen 1.500 und 2.000 Filialen in den USA von mehr Mitarbeitern profitieren, und bis Jahresende wird die Zahl auf etwa 3.000 ansteigen. Niccol verweist darauf, dass diese Erhöhung der Mitarbeiterzahl zwar zu höheren Kosten führen wird, man jedoch mit einem entsprechendem Umsatz- und Wachstumsschub rechnet, der die Ausgaben rechtfertigt.
Die Entscheidung, die bisher geplante umfassende Einführung der sogenannten Siren-Systeme zurückzufahren, untermauert die neue Personalstrategie. Die Siren-Systeme, die 2022 eingeführt wurden, umfassen eine Kombination aus technischer Ausstattung sowie automatisierten Geräten, die den Zubereitungsprozess von Kaffeegetränken beschleunigen und vereinfachen sollen. Obwohl diese Technologie anfangs eine flächendeckende Implementierung erfahren sollte, hat Starbucks nun beschlossen, die Siren-Systeme nur noch in ausgewählten Filialen zu installieren. Dabei konzentriert sich das Unternehmen auf Standorte mit hohem Drive-Through-Verkehr und besonders starken Umsatzleistungen. Dieses zielgerichtete Vorgehen steht im Gegensatz zum Ansatz vieler anderer Gastronomieketten, die verstärkt auf umfassende Automatisierung setzen, um Arbeitskosten zu reduzieren.
Die Strategieänderung bei Starbucks zeigt auch einen grundsätzlichen Wandel in der Kundenansprache. Während moderne digitale Lösungen und Automatisierung zweifellos Vorteile bringen können, setzt das Kaffeeunternehmen stärker auf die persönliche Note und den menschlichen Kontakt. Im intensiven Wettbewerbsumfeld spielen Faktoren wie Freundlichkeit und Qualität der individuellen Bedienung eine immer größere Rolle. Kunden erwarten nicht nur zügige Abläufe, sondern auch eine angenehme Atmosphäre und authentische Interaktionen, die durch rein digitale Prozesse nur schwer zu erreichen sind. Der Schritt von Starbucks könnte Signalwirkung für die gesamte Branche haben.
Nach Jahren des Fokus auf Technologieinvestitionen und Automatisierung zeigt sich, dass der menschliche Faktor nicht unterschätzt werden darf. Gerade in der Gastronomie hat sich die Bedeutung von Servicequalität immer wieder als entscheidender Erfolgsfaktor erwiesen. Zudem macht die Erfahrung bei Starbucks deutlich, dass Automatisierung allein nicht automatisch eine Reduktion der Personalkosten oder eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit garantiert. Gleichzeitig birgt die Entscheidung, mehr Personal einzustellen, auch Herausforderungen für das Unternehmen. Höhere Mitarbeiterzahlen führen zu steigenden Personalkosten, was in einem Umfeld schrumpfender Margen eine erhebliche Belastung darstellt.
Dazu kommen Anforderungen an Schulung, Mitarbeiterbindung und die Gestaltung effizienter Arbeitsprozesse, um die zusätzlichen Ressourcen auch entsprechend nutzen zu können. Die Umsetzung der Personaloffensive verlangt von Starbucks ein sensibles Management, das den Spagat zwischen Kostenkontrolle und Servicequalität erfolgreich meistert. Interessant ist auch der Vergleich zu anderen Akteuren der Gastronomiebranche. Beispielhaft sei Chipotle genannt, wo CEO Brian Niccol vor seiner Zeit bei Starbucks tätig war. Dort setzt man weiterhin stark auf Automatisierungstechnologien, auch mit dem Ziel, langfristig Personalkosten zu senken.
Während Chipotle damit einen technikgetriebenen Weg verfolgt, wählt Starbucks bewusst den Kurs hin zu mehr menschlicher Präsenz und persönlichem Kundenservice. Diese unterschiedlichen Ansätze zeigen, wie vielfältig die Strategien im Sektor sein können und wie wichtig es ist, das Geschäftsmodell individuell an Zielgruppen, Marktbedingungen und Unternehmensphilosophie anzupassen. Neben der Verbesserung der Kundenerfahrung verfolgt Starbucks mit der Zurückhaltung bei der Automatisierung auch das Ziel, durch gezielte Investitionen die Effizienz in den am besten geeigneten Filialen zu steigern. Das Unternehmen setzt darauf, dass die technischen Systeme dort, wo sie mit hoher Auslastung und spezialisierter Nutzung zum Einsatz kommen, den größten Nutzen entfalten. Gleichzeitig will man dadurch vermeiden, dass weniger frequentierte Filialen mit kostspieliger Technik ausgestattet werden, die nicht den erwarteten Mehrwert bringt.
Die Entscheidung, mehr Mitarbeiter zu beschäftigen und Automatisierung selektiv einzusetzen, passt auch zu einem aktuellen gesellschaftlichen Trend, der den Wert von Arbeit und den Wunsch nach mehr zwischenmenschlicher Begegnung betont. Gerade in urbanen Regionen mit hoher Kundenfrequenz sind menschliche Baristas nicht nur Bedienstete, sondern auch Botschafter der Marke und Element eines sozialen Erlebnisses, das digitale Systeme nur schwer ersetzen können. Zukünftig wird es für Starbucks entscheidend sein, die Balance zwischen technologischem Fortschritt und persönlichem Service zu halten. Die Einführung neuer Technologien sollte die Mitarbeiter unterstützen und nicht ersetzen, um so die Effizienz zu erhöhen und gleichzeitig die Qualität der Kundenbeziehung zu stärken. Dies erfordert eine flexible, schrittweise Herangehensweise, die genau auf die jeweiligen Bedürfnisse und Gegebenheiten der einzelnen Filialen abgestimmt ist.
Starbucks beweist mit seiner neuen Strategie, dass Innovation nicht immer nur durch neue Technologie definiert wird, sondern auch durch die Bereitschaft, bestehende Ansätze zu überdenken und die Prioritäten neu zu setzen. Durch die Investition in Mitarbeiter und die selektive Nutzung technischer Systeme schafft das Unternehmen eine solide Basis, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Abschließend bleibt abzuwarten, wie sich die neuen Maßnahmen in der Praxis auswirken und welche Reaktionen Kunden, Mitarbeiter und der Wettbewerb darauf zeigen werden. Klar ist jedoch, dass Starbucks mit dem Verzicht auf eine breitflächige Automatisierung und der Hinwendung zu mehr Personal einen mutigen Schritt gegangen ist, der die Diskussion um die Rolle von Technik und Mensch in der Gastronomiebranche nachhaltig bereichern wird.