Die Lufthansa, als eine der weltweit führenden Fluggesellschaften, steht seit Jahren vor vielfältigen Herausforderungen. Neben intensivem Wettbewerbsdruck, insbesondere durch preisgünstige asiatische Airlines, sorgen auch interne Auseinandersetzungen mit Gewerkschaften für Turbulenzen. Klaus-Michael Kuehne, der mit seiner Firma Kuehne Aviation etwa 15 Prozent an Lufthansa hält und somit größter Einzelaktionär ist, äußerte jüngst deutliche Kritik – er fordert ein entschlosseneres Vorgehen der Lufthansa-Geschäftsleitung gegenüber den Gewerkschaften. Diese Forderung hat weitreichende Implikationen für die zukünftige Strategie und Ausrichtung des Konzerns. Kuehnes Standpunkt beruht auf der Annahme, dass die bisherigen Verhandlungsstrategien der Lufthansa-Manager mit den Arbeitnehmervertretern nicht ausreichend sind, um die strukturellen Probleme des Konzerns zu lösen.
Insbesondere bezeichnet er den Widerstand der Betriebsräte sowie häufiger Streiks als Handicap, das die operative Leistungsfähigkeit der Airline einschränkt. Gerade in Zeiten, in denen die Luftfahrtbranche nach der Corona-Pandemie sich neu erfinden muss und profitablere Transatlantik-Verbindungen entscheidend für den finanziellen Erfolg sind, kann ein zu lascher Umgang mit den Tarifparteien nach Ansicht des Investors nicht fortgesetzt werden. Die Lufthansa-Gruppe verfügt über ein Portfolio, das neben der Stamm-Airline auch Marken wie Swiss, Austrian Airlines und neuerdings Italiens ITA umfasst. Dieses breite Netzwerk muss unter effizienter Finanz- und Personalführung wettbewerbsfähig bleiben. Doch die anhaltenden Verhandlungen mit Gewerkschaften, die unter anderem hohe Lohnforderungen aufrechterhalten, hemmen die Erholung und weitere Entwicklungspläne.
Kuehne sieht in diesen Auseinandersetzungen nicht nur ein kurzfristiges Problem, sondern eine strukturelle Blockade, die grundlegende Veränderungen erschwert. Ein starker Fokus der Lufthansa liegt in der Erschließung und dem Ausbau besonders lukrativer transatlantischer Flugrouten. Diese Strecken sind von erheblicher Bedeutung, da sie wesentlich zum Gesamtergebnis beitragen können. Gleichzeitig ist es jedoch auch die härteste Front im Wettbewerb, da amerikanische und andere internationale Airlines aggressive und flexible Angebote machen. Um auf diesem Parkett zu bestehen, sind Kostenkontrolle und operative Effizienz unerlässlich.
Kuehne beobachtet, dass die derzeitigen Tarifverträge und der Einfluss der Gewerkschaften die nötige Flexibilität einschränken, was das Wachstumspotenzial der Lufthansa einschränken könnte. Darüber hinaus signalisiert die Entwicklung der Lufthansa-Aktie eine gewisse Stagnation. Obwohl die Aktienkurse im laufenden Jahr um etwa sechs Prozent gestiegen sind und damit in etwa die Performance von Air France-KLM widerspiegeln, hinkt Lufthansa dem britischen Airline-Konglomerat IAG deutlich hinterher. Für Investoren wie Kuehne ist dies ein klares Zeichen, dass das Unternehmen sich strategisch neu ausrichten muss und eventuell auch härter durchgreifen sollte, um die Profitabilität zu steigern. Die Forderung nach einem härteren Kurs gegenüber Gewerkschaften ist jedoch nicht ohne Risiken.
Das deutsche Arbeitsrecht bietet Arbeitnehmervertretern einen umfassenden Einfluss, und die stärkere Konfrontation könnte kurzfristig zu intensiveren Streiks und Spannungen führen. Lufthansa-Management muss also abwägen, wie es einerseits ein deutliches Signal an die Tarifparteien senden kann, andererseits aber den Betrieb weitgehend störungsfrei halten und die Motivation der Mitarbeiter aufrechterhalten kann. Neben den personellen und tariflichen Herausforderungen steht Lufthansa auch vor einem verschärften globalen Wettbewerb und geopolitischen Unsicherheiten. Die Digitalisierung und nachhaltige Transformationsprozesse setzen die Konzernführung zusätzlich unter Druck, um nicht nur auf finanzielle, sondern auch ökologische Herausforderungen zu reagieren. Kuehnes Forderung nach mehr Durchsetzungsvermögen kann hier auch als ein Ansporn verstanden werden, nicht nur die Lohnkosten zu kontrollieren, sondern das gesamte Geschäftsmodell dynamischer und widerstandsfähiger zu gestalten.
Als erfahrener Logistikunternehmer mit umfangreichen Beteiligungen an Unternehmen wie Kuehne + Nagel bringt Klaus-Michael Kuehne eine klare wirtschaftliche Perspektive ein. Sein Appell an die Lufthansa-Führung spiegelt das Bedürfnis wider, den Konzern langfristig zu stabilisieren und ihm zu ermöglichen, im globalen Wettbewerb gegen Airlines aus Asien, den USA und Europa zu bestehen. Für Kuehne ist dies nur möglich, wenn die internen Kräfteverhältnisse neu justiert werden und die Führung nicht davor zurückschreckt, schwierige Entscheidungen gegen Widerstand aus der Belegschaft durchzusetzen. Insgesamt verdeutlicht die Debatte um das Verhältnis zwischen Lufthansa-Management und Gewerkschaften die komplexen Herausforderungen, die große Fluggesellschaften derzeit bewältigen müssen. Einerseits steht die Notwendigkeit, profitabel zu wirtschaften und wachstumsstarke Märkte zu bedienen, im Vordergrund.
Andererseits sind soziale und arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen sowie die Beziehungen zu Arbeitnehmervertretungen entscheidend für die Handlungsfähigkeit und den Zusammenhalt im Unternehmen. Lufthansa befindet sich damit an einem Scheideweg, an dem strategische Weichen gestellt werden müssen. Der Ruf von Klaus-Michael Kuehne nach einem härteren Durchgreifen ist ein Ausdruck des Drucks, unter dem der Konzern steht, und der Wunsch, den Kurs klarer und entschlossener zu verfolgen. Ob sich die Geschäftsleitung dieser Forderung anschließt und wie die Gewerkschaften auf eine solche Veränderung reagieren werden, bleibt spannend für Investoren, Mitarbeiter und den gesamten europäischen Luftfahrtmarkt. Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, ob Lufthansa mit einem neuen Führungsstil und einer strikteren Tarifpolitik die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit schaffen kann.
Für den größten Aktionär Kuehne und für alle Stakeholder ist klar, dass es höchste Zeit ist, konstruktive, aber auch konsequente Maßnahmen zu ergreifen, um die Zukunft der deutschen Fluggesellschaft zu sichern.