Das Universum überrascht uns immer wieder mit außergewöhnlichen Himmelskörpern und kuriosen Konstellationen. Eine jüngste Entdeckung von Wissenschaftlern beleuchtet ein System, das zuvor für unmöglich gehalten wurde: Ein Planet in einem engen Doppelsternsystem, der tatsächlich zwischen den beiden Sternen seine Bahn zieht. Die Rede ist vom System ν Octantis, wo ein Planet sich auf einer ungewöhnlichen Retrogradbahn befindet und eine Umlaufbahn hat, die um die Entfernung der Erde zur Sonne kreist. Dieses Szenario eröffnet nicht nur Fragen über die Entstehung solcher Planeten, sondern zeigt auch die Komplexität und Dynamik der Wechselwirkungen in engen Sternsystemen auf. ν Octantis ist ein Doppelsternsystem bestehend aus einem primären Stern, der etwas massereicher ist als unsere Sonne, mit etwa 1,6 Sonnenmassen, und einem Begleiter, der ein Weißer Zwerg ist und ungefähr halb so massereich wie unsere Sonne.
Der Begleiter bewegt sich auf einer elliptischen Bahn um den zentralen Stern mit einem Abstand zwischen zwei und drei Astronomischen Einheiten (AU). Das Besondere: Im Schlagschatten dieser Konstellation wurde ein Planet entdeckt, der eine Umlaufbahn einnimmt, die näher am Zentralstern liegt als die Bahn des Weißen Zwergs. Eine für Astronomen zunächst schwer erklärbare Tatsache war die Art der Umlaufbahn dieses Planeten. Er bewegt sich nämlich retrograd, was bedeutet, dass er sich entgegen der Flugbahn des Weißen Zwergs um den Zentralstern dreht. Retrograde Bahnen sind in Doppelsternsystemen äußerst selten und stellen sogar die Stabilität eines Planeten oftmals infrage.
Durch präzise Messungen mit dem HARPS-Instrument (High Accuracy Radial Velocity Planet Searcher) in Chile gelang es jedoch, den Planeten endgültig zu verifizieren und die Eigenart seiner Bahn zu bestätigen. Die Umlaufbahn des Planeten um den Zentralstern ist dabei mit ungefähr einer Astronomischen Einheit so bemessen, dass sie vergleichbar mit der Entfernung zwischen Erde und Sonne ist. Allerdings ist die Bahn elliptisch und zeigt eine Asymmetrie, durch die der Planet einerseits näher, andererseits weiter vom Stern entfernt ist. Zudem liegt die Bahn leicht geneigt, rund siebzehn Grad gegenüber der Ebene, auf der die beiden Sterne sich bewegen. Diese räumlichen und dynamischen Gegebenheiten lassen sich nicht leicht erklären, vor allem da in engen Doppelsternsystemen die gravitativen Kräfte meist verhindern, dass langlebige Planetenbahnen im Inneren der Sternenhälften existieren können.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Planet dort überhaupt entsteht und in einem stabilen Flug verbleibt, galt bislang als äußerst gering. Doch mit einem Weißen Zwerg als Begleiter eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Entstehungsgeschichte. Weiße Zwerge sind die Überreste von sonnenähnlichen Sternen, die nach ihrer Roten Riesenphase in einem letzten Akt der Entwicklung ihre äußeren Schichten abwerfen und sich zusammenziehen. Dieser Prozess kann zu einem erheblichen Massentransfer zwischen den Sternen führen, der bei ν Octantis möglicherweise eine entscheidende Rolle spielt. Der ehemals größere Begleiter könnte Material an den Primärstern abgegeben haben, aus dem sich eine sekundäre Akkretionsscheibe gebildet hat – ein Ort, an dem sich neue Himmelskörper formen können.
Daraus folgt die Hypothese, dass der Planet in ν Octantis möglicherweise wesentlich jüngeren Ursprungs ist als die Sterne selbst und nicht auf klassischem Wege während der Entstehung des Systems gebildet wurde. Vielmehr könnte das Planetenmaterial durch den Massentransfer entstanden sein und sich in einer neu entstandenen Gasscheibe gebildet haben, die sich im Inneren des Doppelsternsystems befindet. Diese Ungewöhnlichkeit trägt dazu bei, dass der Planet auf einer retrograden und leicht geneigten Bahn existieren kann. Alternativ besteht die Möglichkeit, dass ursprünglich Planeten weiter außen um beide Sterne oder um einzelne Sterne kreisten, deren Bahnen durch die gravitative Neuordnung des Systems gestört wurden. In einem solchen Szenario könnte eine komplexe Interaktion zwischen mehreren Himmelskörpern dazu geführt haben, dass zumindest ein Planet in den inneren Bereich des Systems stürzte und dort eine retrograde, stabile Umlaufbahn einnahm.
Diese Variante ist besonders interessant, da sie auf dynamische Prozesse und langwierige Wechselwirkungen innerhalb eines engen Doppelsternsystems hinweist. Die Stabilität dieser Umlaufbahn bleibt dennoch fraglich. Simulationen zeigen, dass die meisten möglichen Umlaufbahnen instabil sind und bereits nach einigen Millionen Jahren das System verlassen oder zerstört werden. Nur durch gewisse Ausrichtungsvarianten, wie das Planetenlaufbahnebenenmodell, das sich eng an die Ebene der beiden Sterne anlehnt, lässt sich eine langfristige Stabilität über mindestens fünfzig Millionen Jahre erzielen. Diese Forschung wirft spannende Fragen auf über das, was wir bislang über die Planetenentstehung in Mehrsternsystemen verstanden haben.
Während unser Sonnensystem aus einem einzelnen Stern besteht, sind Doppel- oder sogar Mehrfachsternkonstellationen im Universum häufig. Die Entdeckung, dass sich Planeten auch in solchen komplexen und dynamisch herausfordernden Umgebungen bilden und stabil existieren können, fordert bestehende Modelle heraus und liefert wertvolle Hinweise auf die Vielfalt der möglichen Exoplanetenwelten. Die besonderen Umstände von ν Octantis bedeuten zugleich, dass solche Systeme nur selten beobachtet werden können. Der komplizierte Verlauf der Entstehung, die Notwendigkeit eines Weißen Zwergs als Begleiter und die spezifische Umlaufbahn des Planeten machen diesen Fall zu einer Rarität. Dennoch gibt es Hinweise auf weitere Systeme mit ähnlich ungewöhnlichen und retrograden Planeten, etwa das Doppelsternsystem HD 59686.
Auch hier wird die Datenlage noch genauer untersucht, um Rückschlüsse auf die Entstehung und Stabilität zu ziehen. Für die astronomische Gemeinschaft ist die Bestätigung eines Planeten zwischen zwei Sternen auf einer retrograden, engen Umlaufbahn eine eindrucksvolle Errungenschaft technologischer Entwicklung und Beobachtungsgabe. Die Nutzung hochpräziser Instrumente wie HARPS ermöglicht es, subtile Signaturen von Exoplaneten in komplexen Systemen zu erkennen und zu analysieren. Parallel dazu treibt die theoretische Modellierung die Grenzen unseres Verständnisses an, um Phänomene zu erklären, die vor wenigen Jahren noch nicht einmal erahnt wurden. Die Entdeckung im System ν Octantis bringt auch die Möglichkeit ins Spiel, dass Planetenbildungen in engeren und dynamisch herausfordernden Sternumgebungen üblicher sein könnten, als wir bisher angenommen haben.