Der US-amerikanische Einzelhandelsriese Kohl's befindet sich aktuell in einer Phase erheblicher Unruhe und Unsicherheit. Im Mittelpunkt steht nicht nur ein überraschender Wechsel in der Führungsebene, sondern auch die Auswirkungen wirtschaftspolitischer Faktoren, insbesondere die Volatilität durch Zölle, die das international verflochtene Geschäftsmodell des Unternehmens stark beeinflussen. Diese Kombination wirft Schatten auf die Validität der bisherigen Jahresprognosen und veranlasst Analysten, die Zukunftsaussichten von Kohl's neu zu bewerten. Im Mai 2025 rückte der Vorstand von Kohl's die Aufmerksamkeit auf sich, indem der erst im Januar eingestellte CEO Ashley Buchanan von seinem Posten entbunden wurde. Buchanans Amtszeit war nur von kurzer Dauer, und sein plötzlicher Abgang setzt das Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen.
Dem Bericht zufolge wurde Buchanan vorgeworfen, Geschäftschancen einem Anbieter zuzuschlagen, mit dem er persönliche Verbindungen pflegte. Dieses Fehlverhalten führte zu seiner raschen Entlassung und hinterließ eine Führungslücke in einer ohnehin schon schwierigen Phase. Die Personalie ist dabei nicht einfach nur ein internes Managementproblem, sondern hat weitreichende Auswirkungen auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Buchanans Ziel war es, einen langanhaltenden Einbruch der Verkaufszahlen zu beheben und einen Wendepunkt für Kohl's zu initiieren. Durch seine abrupte Abberufung sind nun wichtige Pläne zur Stabilisierung des Geschäfts vorerst auf Eis gelegt.
Der neue Interim-CEO Michael Bender, ein erfahrener Manager innerhalb des Unternehmens, steht vor der komplexen Aufgabe, schnellstmöglich Vertrauen bei Investoren und Kunden zurückzugewinnen und ein tragfähiges Konzept vorzulegen, um Umsatzrückgänge und Margendruck entgegenzuwirken. Parallel zu den internen Umwälzungen sieht sich Kohl's zudem externen wirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt. Seit einiger Zeit wirken sich die von der US-Regierung unter Präsident Donald Trump veranlassten Zollmaßnahmen auf die Handelsbeziehungen zu wichtigen Partnern aus. Vor allem die für Einzelhändler bedeutsamen Importgüter sind von teils erheblichen Zusatzabgaben betroffen. Kohl's, dessen Geschäftsmodell stark von Importen abhängt, konnte sich dieser Entwicklung kaum entziehen.
Die daraus resultierenden erhöhten Kosten sind kaum durch Preiserhöhungen an den Endkunden weiterzugeben, ohne das Kaufverhalten negativ zu beeinflussen. Die Auswirkungen dieser Zollpolitik sind branchenweit spürbar. Wie der Bericht zeigt, haben unter anderem Konkurrenten wie Macy's ebenfalls ihre Prognosen für das laufende Jahr entweder gesenkt oder komplett zurückgezogen. Die Unwägbarkeiten im Markt zwingen viele Unternehmen dazu, vorsichtiger zu agieren, was sich negativ auf die Planungssicherheit auswirkt. Analysten beobachten die Situation mit großer Skepsis und machen deutlich, dass die Handelskonflikte und deren Folgen für Konsumentenpreise und Wirtschaftswachstum das gesamte Einzelhandelssegment vor massive Probleme stellen.
Ein weiterer Faktor, der die Jahresprognosen von Kohl's unter Druck setzt, sind veränderte Konsumgewohnheiten. Die letzten Monate waren gekennzeichnet von rückläufigem Verbrauchervertrauen und vorsichtigerem Einkaufsverhalten. Trotz einer kurzzeitigen Erholung infolge einer Deeskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China – die das Verbrauchervertrauen nach fünf Monaten Rückgang leicht anhob – bleiben Sorgen vor weiteren Preissteigerungen und wirtschaftlichen Verwerfungen präsent. Die daraus resultierende Zurückhaltung beim Konsum schlägt sich direkt auf die Umsätze nieder und setzt Einzelhändler unter Druck, neue Strategien zu entwickeln, um den veränderten Marktbedingungen gerecht zu werden. Experten warnen davor, dass Kohl's kaum Mittel hat, sich gegen die negativen Effekte der Zölle zu schützen.
Da praktisch das gesamte Sortiment importiert wird und das Unternehmen ausschließlich auf dem US-amerikanischen Markt operiert, sind die Möglichkeiten, Kostenerhöhungen intern abzufedern, begrenzt. Dies zwingt die Führungsebene dazu, schwerwiegende Einschnitte und Umstrukturierungen in Betracht zu ziehen oder alternative Geschäftsmodelle zu finden, die weniger von internationalen Lieferketten abhängig sind. Im Mai fasste Kohl's bereits eine erste vorsichtige Prognose zusammen und erwartete einen Rückgang der vergleichbaren Umsätze im ersten Quartal zwischen 4 und 4,3 Prozent. Zudem kalkulierte das Unternehmen mit einem Verlust je Aktie im Bereich von 20 bis 24 Cent. Die Analyse von Experten positioniert diese Schätzungen allerdings als zu optimistisch und geht von einem Umsatzrückgang um etwa fünf Prozent sowie einem Verlust je Aktie von circa 26 Cent aus.
Diese Differenzen zeigen die Unsicherheit im Markt und die schwierige Bewertung der zukünftigen Geschäftsentwicklung. Vor dem Hintergrund dieser Faktoren wird erwartet, dass Kohl's bei der bevorstehenden Quartalsberichterstattung seine Jahresprognosen womöglich gar nicht mehr kommuniziert. Diese Maßnahme ist in der Branche nicht ungewöhnlich, wenn Unternehmen sich mit einer Kombination aus internen Problemen und externen Unsicherheiten auseinandersetzen müssen. Ein Verzicht auf klare Aussichten soll Investoren zwar vorübergehend von falschen Erwartungen bewahren, gibt aber gleichzeitig ein Signal, dass das Management noch keine ausreichende Kontrolle über die Situation erreicht hat. Die Rolle von Michael Bender als Interim-CEO wird damit besonders kritisch betrachtet.
Seine Aufgabe wird nicht nur darin liegen, kurzfristig Stabilität herzustellen, sondern auch eine glaubwürdige Strategie für die mittlere Frist zu entwickeln. Analysten wie David Silverman von Fitch betonen, dass Buchanans früher Wechsel die Bemühungen zur Rückgewinnung von Marktanteilen in der Kernkategorie Bekleidung verzögern könnte. Effektive Maßnahmen gegen die anhaltenden Umsatzverluste sind unverzichtbar, um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Rivalen zu sichern. Zusammenfassend befindet sich Kohl's an einem Wendepunkt. Die Kombination aus Führungswechsel, einer angespannten Handelsumgebung mit zollbedingten Kostendruck und einem anspruchsvollen Konsumklima stellt das Unternehmen vor komplexe Herausforderungen.