Die National Institutes of Health (NIH) haben im Juni 2025 eine beispiellose Aktion erlebt: Hunderte von Mitarbeitenden der Behörde, traditionell eine zurückhaltende Gruppe von zivilen Beamten, haben ihren Mut zusammengenommen und eine öffentliche Erklärung gegen die inneren Zustände unter der Leitung von Dr. Jay Bhattacharya veröffentlicht. Diese öffentliche Kritik, bekannt als die "Bethesda Declaration", richtet sich nicht nur gegen den Leiter der NIH, sondern auch gegen die Richtlinien der Trump-Administration, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Forschung und die öffentliche Gesundheit in den Vereinigten Staaten haben. Dieses Ereignis ist bemerkenswert, da es die jahrzehntelang geltende Zurückhaltung der NIH-Mitarbeitenden durchbricht und schwere Vorwürfe erhebt, die die Zukunft der biomedizinischen Forschung gefährden könnten. Die NIH sind eine der bedeutendsten Institutionen weltweit, wenn es um die Finanzierung und Förderung von medizinischer und gesundheitlicher Forschung geht.
Alltäglich sorgen Mitarbeitende in den zahlreichen Instituten und Zentren der NIH dafür, dass Forschungsprojekte, von epidemiologischen Studien bis hin zu klinischen Versuchen, reibungslos ablaufen. Jahrzehntelang galten sie als unpolitisch und neutral, was ihre Rolle als Hüter der öffentlichen Gesundheit verstärkt hat. Umso erschütternder ist die öffentliche Kritik an der Führung, die derzeit auf breiter Front ihre Glaubwürdigkeit erschüttert. Der Kern der Kritik in der Bethesda Declaration richtet sich gegen drastische Kürzungen und die politisch motivierte Umstrukturierung der Forschungsförderung. Seit dem Amtsantritt von Dr.
Bhattacharya und mit der Unterstützung der Trump-Administration wurden mehr als 2.100 Forschungsprojekte im Wert von rund 9,5 Milliarden US-Dollar eingestellt. Hinzu kommen Verträge in Höhe von über 2,6 Milliarden US-Dollar, die abrupt aufgehoben wurden. Diese Entscheidung betrifft nicht nur traditionelle medizinische Forschung, sondern auch essenzielle Programme, die sich mit den drängenden Herausforderungen unserer Zeit befassen: Covid-19, Long Covid, Impfforschung, gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels, LGBTQ-Gesundheit sowie Studien zu gesundheitlichen Ungleichheiten. Auch Förderungen, die auf die Diversifizierung der Wissenschaftscommunity abzielten, wurden abgesagt – ein Schritt, der langfristige Folgen für die Chancengleichheit und Innovationskraft der Forschungslandschaft haben wird.
Die Konsequenzen dieser Maßnahmen sind weitreichend. Durch den Abbruch von Forschungsprojekten werden Patienten und Studienteilnehmende im Stich gelassen, die sich freiwillig in klinischen Studien engagieren, um medizinischen Fortschritt zu ermöglichen. Die Investitionen, die oft durch jahrelange Planung und intensive Evaluation der Antragstellungen entstanden sind, werden verschwendet, was auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in wissenschaftliche Institutionen erheblich schwächt. Wissenschaftlicher Fortschritt lebt von Kontinuität, gegenseitigem Vertrauen und der Unabhängigkeit von politischem Einfluss – Werte, die durch die aktuellen Entwicklungen massiv unter Druck geraten. Noch weiter reicht die Kritik am Stil und Vorgehen der Führung der NIH.
Die erneute Beschneidung der sogenannten indirekten Kosten, also jener Fördermittel, die Universitäten für Forschungseinrichtungen und Infrastruktur zugeteilt werden, führt zu einer Schwächung der institutionellen Basis. Gleichzeitig wurden hunderte Mitarbeiter entlassen, was neben einem Know-how-Verlust auch das Arbeitsklima und die Arbeitsfähigkeit der Behörde insgesamt beeinträchtigt. Zudem werden seit Amtsantritt aus politischen Gründen hochqualitative, von Fachbegutachtungen bestätigte Forschungsvorhaben außer Kraft gesetzt. Die Aufkündigung internationaler Kooperationen läuft dem Prinzip globaler Zusammenarbeit in Wissenschaft und Gesundheit fundamental entgegen. Solche Einschnitte isolieren die NIH von der weltweiten Forschungscommunity und behindern den dringend notwendigen Wissensaustausch.
Dr. Bhattacharya selbst steht im Zentrum der Debatte. Seine Reaktionen auf die Vorwürfe sind nicht nur als abweisend beschrieben worden, sondern auch als Zeichen eines Führungsstils, der jegliche Kritik als Missverständnis abtut und jeglichen Dialog verweigert. Bereits zuvor hatte er Kontroversen ausgelöst, etwa mit der eigenen "Great Barrington Declaration", die während der Pandemie eine kontroverse Herdenimmunitätsstrategie propagierte. Seine Einstellung, Wissenschaft offensichtlich ideologisch zu instrumentalisieren, steht im starken Widerspruch zu den Grundsätzen der NIH, die als unparteiische Förderinstitution wissenschaftliche Exzellenz und öffentliche Gesundheit in den Mittelpunkt stellen.
Die mutige Entscheidung der Mitarbeitenden, öffentlich Stellung zu beziehen, zeugt von einem tiefen Verantwortungsgefühl gegenüber der Wissenschaft und den Bürgerinnen und Bürgern. Sie stellen sich damit nicht nur gegen eine Führung, die sie als destruktiv empfinden, sondern riskieren auch ihren Arbeitsplatz in einer Zeit, die von Unsicherheit und Umbrüchen geprägt ist. Es ist selten, dass Beamte – vor allem im sensiblen Bereich der Gesundheitsforschung – ihr Schweigen brechen und damit ein deutliches Zeichen setzen: nämlich, dass der Schutz von Wissenschaft und Gesundheit keine Parteipolitik sein darf. Diese Bewegung hat breite Unterstützung erfahren. Neben den Unterzeichnenden der Bethesda Declaration selbst haben rund 40 renommierte Forschende, darunter 20 Nobelpreisträger, ihre Solidarität bekundet.
Innerhalb weniger Tage unterzeichneten mehr als 10.000 Personen aus Wissenschaft, Medizin und Gesellschaft die Erklärung. Dieses breite Bündnis symbolisiert die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit der Lage. Wissenschaft und öffentliche Gesundheit sind elementare Säulen der Gesellschaft, deren Schutz über Parteigrenzen hinausgehen muss. In der breiteren politischen Landschaft zeigt sich, dass der Kampf um die Zukunft der NIH und der Forschungsförderung ein Spiegelbild größerer gesellschaftlicher Konflikte ist.
Die Kürzungen im Gesundheitsbereich und die ideologische Einflussnahme auf staatliche Forschungseinrichtungen stellen einen Angriff auf evidenzbasiertes Handeln und die Wahrung öffentlicher Interessen dar. Die kommenden Haushaltsdebatten und politischen Entscheidungen werden darüber entscheiden, ob die US-Forschung weiterhin als globaler Vorreiter agieren kann oder unter dem Druck politischer Kurzsichtigkeit leidet. Es ist eine Zeit, die nicht nur Mut und Integrität von Seiten der NIH-Mitarbeitenden erfordert, sondern auch ein kollektives Engagement von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Aktivistinnen und Aktivisten sowie der Politik und Öffentlichkeit gleichermaßen. Der Kampf geht weit über die Mauern der NIH hinaus, er steht für eine Gesellschaft, die Wissenschaft als unabhängige Instanz anerkennt und als unverzichtbaren Pfeiler für Fortschritt und Gesundheitsversorgung begreift. Der Fall zeigt auch auf, wie wichtig es ist, Mechanismen des Schutzes für Whistleblower in staatlichen Institutionen zu stärken.
Wer es wagt, unter Missständen zu leiden und diese öffentlich anzuprangern, muss auf transparente Verfahren und Schutz vor Repressalien bauen können. Gerade in Zeiten, in denen Wissenschaft und Fakten zunehmend in den Mittelpunkt politischer Auseinandersetzungen geraten, ist der Erhalt von Integrität und Vertrauen essenziell. Insgesamt ist die öffentliche Erklärung der NIH-Mitarbeitenden ein historischer Moment, der eine klare Botschaft sendet: Wissenschaftliche Freiheit, die Bewahrung öffentlicher Gesundheitsinteressen und die Wertschätzung der Menschen, die täglich daran arbeiten, sind nicht verhandelbar. Die Mutigen bei den NIH laden ein, sich ihnen anzuschließen, nicht nur symbolisch, sondern mit Engagement und Forderungen an politische Verantwortungsträger. Nachhaltiger Fortschritt ist nur möglich, wenn Wissenschaft unabhängig bleibt und staatliche Fördermittel entsprechend ihrer Grundsätze eingesetzt werden.
Der Fall NIH unter der Leitung von Dr. Bhattacharya und im politischen Einfluss der Trump-Administration steht exemplarisch für die Gefahren politischer Einflussnahme in wichtigen Forschungsinstitutionen. Er mahnt zur Wachsamkeit und zum Handeln, um den Schaden einzudämmen und die Grundlagen für eine zukunftsfähige Forschungslandschaft zu sichern. Die kommenden Monate werden zeigen, wie solidarisch die Gesellschaft und die Politik mit den mutigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist, die sich gegen die Instrumentalisierung und Vernichtung von biomedizinischem Wissen zur Wehr setzen.