TikTok hat sich in den letzten Jahren zu einer der populärsten Social-Media-Plattformen weltweit entwickelt, insbesondere unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Plattform besticht durch ihren schnellen und kurzweiligen Content, der Nutzer oft in einen sogenannten „Endlos-Scroll“ versetzt. Dabei entstehen Trends und Memes, die längst nicht immer nur harmlos oder unterhaltsam sind. Eine besonders besorgniserregende Entwicklung ist die zunehmende Verbreitung von sogenannten Brainrot-Clips, die nicht nur widersprüchliche und bizarre Inhalte präsentieren, sondern auch unter dem Deckmantel humorvoller und ironischer Memes alt-right oder rechtsextreme Ideologien normalisieren. Dieses Phänomen zeigt die tiefgreifende Herausforderung, die Social-Media-Plattformen wie TikTok im Umgang mit extremistischer Propaganda heutzutage haben.
Brainrot auf TikTok beschreibt im Kern eine Art des konsumorientierten, repetitiven Medienkonsums, bei dem Nutzer in eine Spirale aus unzusammenhängenden, teils surrealen kurzen Videos eintauchen, bis das Gehirn scheinbar „durchdreht“ oder „ausgelötet“ wird. Auf den ersten Blick ist dies oft harmlos, zeigt aber deutliche Überschneidungen mit bestimmten Subkulturen, insbesondere im Bereich der Underground-Rap- und Meme-Szenen. Dort vermischen sich alltägliche Popkultur-Referenzen mit verschwörungstheoretischem Gedankengut und rassistischen Codes, die sich leicht hinter Ironie und absurder Ästhetik verstecken. Ein besonders auffälliges Beispiel dafür ist der wiederkehrende Bezug auf die mythologischen Konzepte von "Vril" und "Agartha“. Diese Begriffe stammen ursprünglich aus esoterischen und okkultistischen Schriften des 19.
Jahrhunderts und beschreiben imaginäre Urkräfte oder verborgene Gesellschaften unter der Erde. In der Geschichte wurden solche Mythen teils von rechtsextremen Gruppen, insbesondere den Nationalsozialisten, vereinnahmt, um pseudowissenschaftliche Herrschaftsansprüche zu legitimieren. Auf TikTok werden diese Begriffe jedoch in Form von ästhetisch aufwendig gestalteten Clips präsentiert, die einen futuristisch-mystischen Eindruck erwecken und teilweise mit harter elektronischer Musik unterlegt sind. Dabei entstehen Collagen aus Symbolen, historischen Referenzen und scheinbar zusammenhanglosen Bildern, die im Netz schnell zu einer eigenen Memekultur aufblühen. Was zunächst wie ironischer Overload wirkt, entpuppt sich bei genauerer Analyse als Strategie, um eine gewisse alt-right Weltsicht zu glorifizieren und zu verschleiern.
Rap-Künstler wie Nettspend, der als übersteigerte blonde, blauäugige Figur in diesen Bearbeitungen gefeiert wird, werden zu Symbolfiguren verklärt, die als „weiße Retter“ oder „Auserwählte“ bezeichnet werden. Solche Zuschreibungen sind keine bloßen Meme-Übertreibungen, sondern dienen dazu, rechtsextreme Ideologien in jugendfreundlicher, popkultureller Verpackung zu verbreiten, sodass die Grenze zur echten Radikalisierung verschwimmt. Die TikTok-Community ist dabei keineswegs homogen. Während viele Nutzer die Videos als satirische Anspielungen entlarven und sich darüber amüsieren, gibt es durchaus eine kritische Masse von Menschen, die diese Memes ernst nehmen und in ihnen eine Art spirituelle oder politische Wahrheit sehen. Die Vermischung von Humor, Parodie und Hassbotschaften wird durch den Algorithmus der Plattform verstärkt, der Nutzer mit immer mehr ähnlichen Inhalten versorgt, wodurch die Masse an sich unschuldiger Clips die Sichtbarkeit extremistischer Ideen erhöht.
Beunruhigend ist auch die Kombination dieser Memes mit bestehenden rechten Bewegungen. Die Inhalte greifen von Zeit zu Zeit auch explizit auf alteingesessene Forderungen nach ethnisch homogenen Gesellschaften zurück, die im Internet etwa unter dem Hashtag #SaveEurope diskutiert werden. Die Transformation bekannter europäischer Pop-Musikstücke zu vermeintlichen Hymnen für rassistische Kampagnen ist ein konkretes Beispiel, wie die angedeuteten Ideologien im digitalen Raum praktischen Einfluss bekommen. Diese Entwicklung blieb nicht ohne Folgen: In der realen Welt kam es zu Übergriffen, etwa einem Angriff auf eine schwarze Frau in einem deutschen Lokal, während ein Musikstück mit alt-right Devotionalien im Hintergrund spielte. TikTok für seine Community-Regeln und Inhalte zu kritisieren, hat in den letzten Jahren Konjunktur gehabt.
Zwar bemüht sich die Plattform, klar gegen Hass und Hetze vorzugehen, doch wird schnell ersichtlich, wie schwierig es ist, subtile und oft ironisch getarnte Propaganda auszumerzen. Dies hängt zum einen mit der Art der Brainrot-Videos zusammen, die in ihrem schnellen, fragmentierten Format Grenzen verwischen und Inhalte kontextlos vermischen. Zum anderen erschwert die misanthropische und absurde Gestaltung der Videos jede eindeutige Moderation. So wird aus der vermeintlichen Parodie schnell eine virale Radikalisierung ohne klare Kennzeichnung. Eine weitere Dimension ist die politische Instrumentalisierung solcher Formate.
Rechtspopulistische Parteien und Bewegungen, etwa die FPÖ in Österreich, nutzen gezielt TikTok und entsprechende Memes, um ihre Botschaften zu verbreiten und jüngere Zielgruppen anzusprechen. Die Aufbereitung erfolgt in einer Weise, die traditionelles politisches Marketing alt aussehen lässt – schnelle Schnitte, aggressive Musik, eingängige Hashtags. Vor allem in Zeiten, in denen politische Kommunikation immer mehr digital stattfindet, birgt dies ein erhebliches Risiko. Die Verlockung für junge Menschen, die in einer Welt voller Unsicherheit und Wandel nach Identität und Gemeinschaft suchen, ist nachvollziehbar. Viele fühlen sich von der Wiederkehr vermeintlicher Utopien und Heldenerzählungen inmitten der absurden Memes angezogen.
Die verschwommene Differenz zwischen Kritik, Ironie und Überzeugung macht es aber umso wichtiger, dass Aufklärung in Schulen und Elternhäusern und eine bewusste Medienkompetenzförderung etabliert werden. Nur so können junge Menschen lernen, unterschwellige Botschaften zu erkennen und sich souverän mit digitalen Inhalten auseinanderzusetzen. Darüber hinaus brauchen Plattformen wie TikTok stärkere, intelligentere Algorithmen zur Erkennung und Intervention bei schädlichen Inhalten. Die insgesamt wachsende Bedeutung solcher Kurzvideo-Formate macht es unvermeidlich, technische und ethische Herausforderungen in Einklang zu bringen. Weiterhin muss gesellschaftlich diskutiert werden, wie Propaganda und digitale Memekultur in Zukunft reguliert werden sollen, ohne künstlerische Freiheit und freie Meinungsäußerung zu ersticken.
Allerdings zeigt die Analyse der TikTok-Brainrot-Szene auch, wie sich digitale Subkulturen schnell weiterentwickeln und anpassen können. Was gestern noch als harmloses Nischenphänomen galt, kann im Handumdrehen zum Vehikel für neue Ideologien werden. Die Verbreitung rechtsextremer Symbole und Codes in scheinbar unschuldigen Memes macht den Kampf gegen Hass und Rassismus im Internet komplexer als je zuvor. Es bleibt eine wesentliche Aufgabe der Gesellschaft, das Aufdecken, Dokumentieren und öffentlich Diskutieren solcher Entwicklungen zu fördern. Nur durch gezielte Bildung, kritischen Diskurs sowie technische und soziale Maßnahmen kann verhindert werden, dass gefährliche Ideologien unter der Oberfläche von digitaler Unterhaltung weiterwuchern und normalisiert werden.
Abschließend verdeutlicht die TikTok-Situation, wie schmal der Grat zwischen Popkultur und politischer Radikalisierung im digitalen Zeitalter ist. Brainrot-Trends sind kein bloßer Spaß, sondern ein Spiegelbild aktueller gesellschaftlicher Spannungen und technologischer Herausforderungen. Die Art und Weise, wie Jugendliche diese Plattform nutzen und welche Inhalte sie konsumieren, erfordert eine verstärkte Aufmerksamkeit seitens Pädagogen, Eltern, Politik und Technologieunternehmen, um eine demokratische, vielfältige und offene Gesellschaft zu bewahren.