Die Gitarre ist ohne Zweifel eines der prägendsten Musikinstrumente des 20. Jahrhunderts und hat in vielfältiger Weise die Entwicklung der amerikanischen Musik und Kultur beeinflusst. Nun findet eine bemerkenswerte Sammlung von fast sechshundert außergewöhnlichen Gitarren ihren Weg in das Metropolitan Museum of Art in New York, das Met. Diese Sammlung entstanden durch die Leidenschaft und das unermüdliche Engagement zweier Männer, Perry Margouleff und Dirk Ziff, die über Jahrzehnte hinweg die besten und seltensten Gitarren des vergangenen Jahrhunderts gesammelt haben, erzählt nicht nur von Instrumenten, sondern von einem Stück lebendiger Kulturgeschichte und technischer Innovation. Die Geschichte dieser Sammlung ist ebenso faszinierend wie geheimnisvoll.
Als Jayson Dobney 2007 zum Kurator für Musikinstrumente am Met ernannt wurde, wusste er von den Gerüchten im Gitarrenkreis um eine private, nahezu mythische Gitarrenschatzkammer irgendwo in der New Yorker Region – eine Sammlung, die außergewöhnliche Exemplare von Fender Strats, Gibson Les Pauls, Martin-Akustikgitarren und weiteren legendären Marken vereinte. Für das Met, das zwar berühmte historische Instrumente wie drei Stradivari-Geigen oder das älteste Klavier der Welt beherbergt, fehlte bislang eine bedeutende Repräsentation des zwanzigsten Jahrhunderts, besonders im Bereich der populären Musik. Ein erster Kontakt zwischen Dobney und Perry Margouleff entstand bei der Vorbereitung einer Ausstellung 2011, die sich den italienisch-amerikanischen Gitarrenbauern widmete, deren Archtop-Gitarren für den Jazz unverzichtbar waren. Margouleff, selbst ein erfahrener Gitarrenkenner und Produzent, präsentierte dem Kurator einen kleinen Ausschnitt seiner Sammlung als anonymer Leihgeber. Doch das, was der Kurator an jenem Tag zu sehen bekam, war nur die Spitze des Eisbergs.
Das wahre Herzstück der Sammlung blieb verborgen – eine Herausforderung für das Met, aber auch eine Verheißung. Zu dieser Zeit war das Gesicht hinter dem Schatz weitgehend unbekannt: Dirk Ziff, ein wohlhabender Verlegererbe, Finanzier und selbst passionierter Gitarrist mit Musikerfahrung an der Seite von Stars wie Carly Simon. Mit Margouleff verband ihn eine jahrzehntelange Zusammenarbeit und Freundschaft, gemeinsam bauten sie diese außergewöhnliche Sammlung auf, die inzwischen als die weltweit beste und umfangreichste ihrer Art gilt. Die Gitarren in dieser Sammlung sind weit mehr als begehrte Objekte für Sammler. Sie erzählen die Geschichte der amerikanischen Kultur vom Anfang des 19.
Jahrhunderts an über die Entwicklung der Musik bis hin zu ikonischen Auftritten und musikalischen Revolutionen. Von Christian Frederick Martin, der 1833 aus Deutschland in die USA kam und das Fundament für einen der berühmtesten Gitarrenbauer legte, über die erste elektrifizierte Gitarre bis zu den Prototypen von Fender und Gibson. Jedes Instrument ist Teil eines größeren Narrativs, das zeigt, wie sich das Spiel und der Klang der Gitarre in der Gesellschaft etablierten und veränderten. Besonders beeindruckend sind die frühen elektrischen Gitarren, die lange vor der Explosion des Rock ’n’ Roll entstanden, darunter Originale wie der „Klunker“ von Les Paul, eine modifizierte Epiphone aus 1941, die als Vorläufer der modernen Solid-Body-Gitarre gilt. Auch die Prototypen von Leo Fender, darunter der berühmte Stratocaster, sind in der Sammlung vertreten.
Diese Instrumente sind Zeugnisse technischer Pionierarbeit, bei denen experimentelle Materialien zum Einsatz kamen, deren Alterungsprozess heute sichtbare Spuren und Geschichten trägt. Der kulturelle Einfluss dieser Instrumente ist enorm. Die Gitarre wurde durch Legenden wie Woody Guthrie, Jimi Hendrix, Eric Clapton und Keith Richards zu einem Symbol für Freiheitsdrang, Rebellion und künstlerischen Ausdruck. Es sind Instrumente, die mit den Bewegungen für Bürgerrechte, kulturellen Wandel und musikalischen Umbrüchen verbunden sind. Viele der Gitarren waren nicht nur Spielzeug für Berühmtheiten, sondern aktive Träger von Geschichte.
Woody Guthries berühmter Schriftzug „This Machine Kills Fascists“ auf seiner Akustikgitarre illustriert die politische Dimension, die manche Gitarren annehmen können. Das Met öffnet mit dieser Sammlung nicht nur seine Tore für ein Publikum, das sich für Musikkultur interessiert, sondern stellt auch die handwerkliche Kunst, das Design und die technische Innovation der Gitarrenbauer in den Mittelpunkt. Beweggründe der Sammler und des Museums sind nicht etwa die Namensbekanntheit der Musiker, sondern vielmehr das Instrument selbst als Kunstobjekt und technisches Wunderwerk, das maßgeblich die Kultur verändert hat. Die Sammlung umfasst seltene und historische Stücke von Marken wie Gibson, Fender, Martin, Gretsch und D’Angelico – oft sind es Originale in makellosem Zustand, die von den Kuratoren sorgfältig bewahrt werden. Die Zukunft der Gitarren im Museum setzt einen interessanten Kontrapunkt zur Fürsorge für den Erhalt dieser historischen Instrumente.
Die Stücke sollen spielbar bleiben und für Musiker zugänglich sein, um den Klang lebendig zu halten. Anders als bei anderen kostbaren Exponaten, wie den Gitarren von Andrés Segovia, die unter der Auflage stehen, nicht gespielt zu werden, will das Met neue Wege gehen, um das Instrument nicht in einen musealen Zustand des stummen Betrachtens zu verbannen. Vernetzte Musiker und Studenten könnten so die Möglichkeit erhalten, diese einzigartigen Klangerlebnisse unmittelbar zu erfahren. Die Ausstellung widmet sich sowohl der historischen Entwicklung der Gitarre als auch den kulturellen Aspekten, die sie mitprägt. Sie wird die Geschichten von Handwerkern, den kulturellen Kontexten und den musikalischen Meilensteinen erkunden, die mit den Instrumenten verbunden sind.
Damit entsteht eine interdisziplinäre Perspektive auf das Zusammenspiel von Technik, Kunst und Gesellschaft. Die Sammlung illustriert ferner, wie die Gitarrenmode und ihre technische Entwicklung eng verbunden sind – vom handgefertigten Einzelstück hin zur industriellen Massenproduktion und den Auswirkungen auf Klang und Qualität. Die anschließende Verflachung des Designs durch „Bean Counters“ und Bürokraten, wie Margouleff sie nennt, zeigt den Verlust von Magie und Individualität in der Moderne auf, was durch das Sammeln und Bewahren dieser historischen Gitarren anschaulich gemacht wird. Die Geschichte derjenigen, die diese Instrumente sammelten, erzählt von Leidenschaft, Mut und Weitblick. Perry Margouleff begann schon als Kind von der emotionalen Kraft der Gitarre fasziniert, zog sich für dieses Hobby eigene Grenzenlosigkeit zu und wurde schließlich Profi-Produzent und Historiker.
Dirk Ziff nutzte sein finanzielles Polster, um den Sammlungsprozess gemeinsam mit Margouleff zu ermöglichen, und über Jahrzehnte wuchs daraus eine der bedeutendsten privaten Sammlungen weltweit. Die Sammlung und ihre Präsentation im Met unterstreichen auch die Rolle von Gitarren als Symbolik für ein breites Publikum. Sie zeigen, wie sich die Gitarre als „Instrument des Volkes“ inszeniert hat und für kulturelle Vielfalt, Freiheit und Kreativität steht. Diese Gegensätzlichkeit zur traditionellen Museumswelt, die oft elitär und top-down geprägt ist, öffnet ein neues Kapitel für die Integration populärer Kunstformen in bedeutende kulturelle Institutionen. Mit der Eröffnung einer dauerhaften Galerie zur Geschichte und Entwicklung der amerikanischen Gitarre wird das Met künftig als wichtige Anlaufstelle für Gitarrenliebhaber, Musikhistoriker und die breite Öffentlichkeit fungieren.
Besucher können dort die Verbindungen zwischen Technik, Handwerkskunst und gesellschaftlicher Entwicklung nachverfolgen und gewinnen dadurch ein tieferes Verständnis für ein Instrument, das wesentlich zur Formung der modernen Kultur beitrug. Abschließend zeigt die Geschichte dieser Sammlung, wie private Leidenschaft und sorgfältige Bewahrung zu einem bedeutenden kulturellen Gewinn werden können. Die Entscheidung von Dirk Ziff und Perry Margouleff, ihre Sammlung dem Met zu übergeben, steht für die Vision, Wissen und Geschichte öffentlich zugänglich zu machen und die kulturelle Bedeutung der Gitarre als Kunstwerk und Mediengerät zu feiern. Die Gitarrensammlung im Met ist somit nicht nur ein Museum der Vergangenheit, sondern ein lebendiger Schatz, der die Zukunft der Musikgeschichte mitgestalten wird.