Im Juni 2025 sorgte Robert F. Kennedy Jr., der seit Kurzem das Amt des US-Gesundheitsministers innehat, für erhebliches Aufsehen, als er die Ernennung von acht neuen Mitgliedern für das Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) bekanntgab. Dieses Komitee nimmt eine zentrale Rolle bei der Bewertung und Empfehlung von Impfungen in den Vereinigten Staaten ein. Die schnellen Berufungen und die Auswahl der Kandidaten rufen unter Experten große Bedenken hervor und werfen Fragen über die Zukunft der Impfpolitik und des öffentlichen Gesundheitsschutzes auf.
Das ACIP ist traditionell ein Expertengremium, das sicherstellen soll, dass Impfempfehlungen auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Es wirkt als Berater für die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und beeinflusst dadurch maßgeblich medizinische Leitlinien und Versicherungsleistungen, die für Impfungen in den USA gelten. In der Vergangenheit nahm die Zusammensetzung des Komitees Jahre in Anspruch, um eine sorgfältige Auswahl hochqualifizierter Fachkräfte zu gewährleisten. Die jüngsten Ernennungen von Kennedy hingegen erfolgten innerhalb von nur zwei Tagen, was auf äußerst hastiges und wenig transparentes Vorgehen hindeutet. Ganz besonders kritisch betrachtet wird die Berufung von Robert Malone.
Malone ist eine der kontroversesten Figuren in der Impfdebatte. Er behauptet fälschlicherweise, der Erfinder der mRNA-Impfstoffe zu sein, eine Behauptung, die von der Wissenschaftsgemeinschaft scharf zurückgewiesen wird. Seit Jahren verbreitet er Fehlinformationen und Verschwörungstheorien rund um mRNA-Impfstoffe, darunter unbelegte Behauptungen, dass diese Impfungen Hirn- und Herzschäden verursachen könnten oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigten. Solche Aussagen haben nicht nur wissenschaftliche Diskurse verzerrt, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in lebensrettende Impfungen untergraben. Malones Rolle geht über das Verbreiten von Falschinformationen hinaus.
Während eines Ausbruchs von Masern in Westtexas im Januar 2025 stellte er Behauptungen auf, die wissenschaftlich unbegründet waren und die Reaktion der Behörden unterminierten. Er stellte sich gegen anerkannte medizinische Erkenntnisse, indem er versuchte, die Ursachen für Todesfälle falsch darzustellen und die Gefahren dieser hochansteckenden Krankheit herunterzuspielen. Nicht minder besorgniserregend ist die Ernennung von Martin Kulldorff. Kulldorff ist als Mitautor der sogenannten Great Barrington Declaration bekannt geworden, die während der COVID-19-Pandemie eine Strategie propagierte, bei der die Bevölkerung weitgehend ungeschützt dem Virus ausgesetzt werden sollte, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Diese Haltung wurde international von Fachleuten scharf kritisiert und als ethisch bedenklich eingestuft, da sie mit vermeidbaren Todesfällen und einer Überlastung des Gesundheitswesens in Verbindung gebracht wurde.
Weitere problematische Kandidaten auf Kennedys Liste sind Vicky Pebsworth, die Mitglied im Vorstand des National Vaccine Information Center ist. Diese Organisation ist eine der ältesten und einflussreichsten Anti-Impf-Gruppen in den USA und fördert die längst widerlegten Behauptungen, dass Impfungen Autismus verursachen. Derartige pseudowissenschaftliche Narrative haben trotz ihrer mangelnden Faktengrundlage erheblichen Schaden angerichtet, indem sie Impfskeptizismus verstärken und die Bereitschaft zur Impfung verringern. Auch Retsef Levi wurde ernannt, der mit mehreren wissenschaftlich fragwürdigen Veröffentlichungen aufgefallen ist, darunter Arbeiten, die vor Risiken durch COVID-19-Impfstoffe warnten, ohne diese Behauptungen ausreichend zu stützen. Zudem arbeitet er mit bekannten Impfgegnern wie Joseph Ladapo, dem Generalsekretär für das Gesundheitswesen in Florida, zusammen, der ebenfalls für seine kontroversen Ansichten berüchtigt ist.
Die übrigen vier Neumitglieder – Joseph R. Hibbeln, ein Psychiater, der Kinderarzt Cody Meissner, der Notfallmediziner James Pagano und Michael Ross, ein Professor für Gynäkologie und Geburtshilfe – bringen verschiedene medizinische Hintergründe mit. Allerdings werfen die prominenteren Kontroversen um die anderen Appointees einen Schatten auf das gesamte Gremium und werfen Zweifel an dessen zukünftiger wissenschaftlicher Unabhängigkeit auf. Kritiker befürchten, dass die neuen Mitglieder, insbesondere diejenigen mit nachgewiesener Verbreitung von Fehlinformationen und engen Verbindungen zu Anti-Impf-Bewegungen, die Empfehlungen der CDC und somit Gesundheitspolitik und -praxis in den USA negativ beeinflussen könnten. Die Gefahr besteht darin, dass lebensrettende Impfprogramme geschwächt werden und sich dadurch Impfraten verschlechtern, was zu vermeidbaren Krankheits- und Todesfällen führt.
Die plötzliche Entlassung aller vorherigen Mitglieder durch Kennedy nährte zudem den Eindruck, dass eine bewusste Neuausrichtung des Komitees mit einer ideologischen Agenda einhergeht. Trotz Kennedys Beteuerung, keine sogenannten „Ideological Anti-Vaxxers“ einzusetzen, zeigt die Realität der Ernennungen ein deutlich anderes Bild. Historisch gesehen war das ACIP ein Bollwerk für die evidenzbasierte Impfpolitik in den USA und hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Impfstoffe wie gegen Masern, Polio oder COVID-19 breite Akzeptanz erhielten und Millionen von Menschenleben retteten. Der Zusammenschluss von Wissenschaft, medizinischer Praxis und öffentlicher Gesundheit schaffte Vertrauen und ein hohes Sicherheitsniveau im Umgang mit Impfstoffen. Die aktuellen Entwicklungen werfen nun die Frage auf, ob das amerikanische Gesundheitssystem unter Kennedy an dieser wichtigen Säule der öffentlichen Gesundheit rüttelt.
Eine Schwächung des ACIP könnte weitreichende Konsequenzen haben – nicht nur für die USA, sondern auch im globalen Kontext, da die amerikanischen Empfehlungen weltweit Referenzcharakter besitzen. Die Rolle von Medien, Fachgesellschaften und der breiten Öffentlichkeit wird gerade jetzt besonders wichtig. Eine sachliche und wissenschaftlich fundierte Debatte ist gefordert, um den Prozess der Entscheidungsfindung bei der Impfstoffbewertung transparent und verlässlich zu halten. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Auswahl der neuen CDC-Impfkomitee-Mitglieder unter Robert F. Kennedy Jr.
zum jetzigen Zeitpunkt mit großer Skepsis betrachtet wird. Im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Politik und gesellschaftlichen Einstellungen zu Impfungen ist es essenziell, dass Entscheidungen über die öffentliche Gesundheit auf belastbaren Daten und nicht auf ideologischen Positionen basieren. Nur so können Impferfolge gesichert und erneute Krankheitsausbrüche sowie Misstrauen in der Bevölkerung vermieden werden.