Die globale Coronavirus-Pandemie, die im Jahr 2020 begann, hat nicht nur gesundheitliche Krisen ausgelöst, sondern auch tiefgreifende wirtschaftliche Veränderungen bewirkt. Eines der zentralen Themen, das im Zuge der Krisenbewältigung immer wieder zur Sprache kommt, ist die Inflation und vor allem die Erwartungen der Akteure hinsichtlich ihrer Entwicklung. John C. Williams, Präsident der Federal Reserve Bank of New York, hat in mehreren öffentlichen Auftritten und Interviews klar hervorgehoben, dass die Pandemie die Inflationserwartungen in den USA und vermutlich auch weltweit erheblich verändert hat. Diese Erkenntnisse sind essenziell für das Verständnis der aktuellen und künftigen Geldpolitik sowie die Analyse der wirtschaftlichen Erholung nach der Krise.
Inflationserwartungen bilden das Fundament wirtschaftlicher Entscheidungen. Unternehmen, Investoren und Verbraucher richten ihre Erwartungen an künftige Preisentwicklungen aus, was wiederum direkte Auswirkungen auf Investitionen, Löhne, Sparverhalten und Konsum hat. Vor der Pandemie zeigten die Inflationserwartungen in vielen entwickelten Volkswirtschaften eine erstaunliche Stabilität mit niedrigen, gut verankerten Werten nahe dem Zielwert der jeweiligen Zentralbanken, häufig rund um zwei Prozent. Die Covid-19-Pandemie hat diese Stabilität jedoch erschüttert. Während der Lockdowns und weltweiten Stillstände waren viele Länder mit beispiellosen Disruptionen in Lieferketten konfrontiert.
Fabriken mussten schließen, Transportwege waren eingeschränkt und viele Branchen konnten nicht wie gewohnt produzieren oder liefern. Gleichzeitig kam es zu erheblichen Veränderungen im Konsumverhalten. Die Nachfrage nach bestimmten Gütern etwa im Bereich Elektronik oder Haushalt stieg rasant, während andere Dienstleistungen und Produkte kaum nachgefragt wurden. Diese Ungleichgewichte führten zu Engpässen und Lieferverzögerungen, die die Preise in bestimmten Bereichen in die Höhe trieben und Inflationstendenzen verstärkten. Fed’s Williams hebt hervor, dass die Geschwindigkeit und das Ausmaß dieser Veränderungen die Inflationserwartungen verschoben haben.
Wo zuvor eine moderate und kontrollierte Teuerungsrate erwartet wurde, spielen nun Unsicherheiten und verstärkte Sorgen um anhaltende Preissteigerungen eine größere Rolle. Ein wichtiger Faktor dabei ist die gestiegene Bedeutung der Erfahrungen und Wahrnehmungen der Bevölkerung während der Pandemie. Verbraucher und Unternehmen erleben aktuell stark steigende Preise für Lebensmittel, Energie und andere wichtige Güter, was ihre Erwartungen an die Inflation dauerhaft prägt. Die Federal Reserve und andere Zentralbanken befinden sich dadurch in einer neuen Lage. Während sie zuvor mit einer jahrelangen niedrigen Inflation zu kämpfen hatten, müssen sie nun Wege finden, um die Inflationserwartungen zu stabilisieren und zu verhindern, dass diese aufgrund kurzfristiger Schocks zu dauerhaften Inflationstreibern werden.
Williams betont, dass der Umgang mit diesen Veränderungen ein zentrales Ziel der Geldpolitik ist und die Fed deshalb ihre Strategie anpassen muss, um sowohl die Ziele von Preisstabilität als auch Vollbeschäftigung bestmöglich in Einklang zu bringen. Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Rolle der Inflationserwartungen in der Lohnentwicklung. Traditionell sind beide eng miteinander verbunden: Steigen die Erwartungen für künftige Preissteigerungen, fordern Arbeitnehmer oft höhere Löhne, um ihre Kaufkraft zu erhalten. Dieses Zusammenspiel kann Lohn-Preis-Spiralen begünstigen, was wiederum die Geldpolitik vor komplexe Herausforderungen stellt. Williams warnt vor solchen Risiken, sieht aber auch Chancen, da der Arbeitsmarkt derzeit keineswegs homogen ist.
Bestimmte Branchen spüren den Druck stärker, während andere weniger betroffen sind. Die Pandemie hat außerdem zu einem Umdenken im Bereich der internationalen Zusammenarbeit und der Resilienz von Lieferketten geführt. Angesichts der Inflationserwartungen stehen viele Unternehmen vor der Aufgabe, zukünftige Unsicherheiten besser abzufedern, etwa durch diversifizierte Beschaffungsquellen oder durch verstärkte Nutzung von Technologie und Automatisierung. Diese Entwicklungen könnten langfristig auch die Angebotsseite der Wirtschaft stärken und zu stabileren Preisverhältnissen beitragen. Ein besonders relevantes Thema im Kontext der veränderten Inflationserwartungen ist der Einfluss staatlicher Konjunkturprogramme und fiskalischer Ausgaben.
Die massiven Unterstützungsmaßnahmen während der Pandemie haben kurzfristig die Nachfrage gestützt, aber zugleich auch Inflationsdruck erzeugt. Fed’s Williams sieht darin eine komplexe Balance, bei der es wichtig ist, die wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden, aber gleichzeitig das Risiko einer Überhitzung zu minimieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Pandemie als Katalysator für eine Neuausrichtung der Inflationserwartungen wirkt. Fed’s Williams macht deutlich, dass diese Veränderungen tiefgreifend sind und weit über vorübergehende Schwankungen hinausgehen. Die Herausforderung für Zentralbanken besteht darin, die Erwartungen der Bevölkerung und der Märkte so zu managen, dass Preisstabilität gewährleistet bleibt, ohne dabei die wirtschaftliche Dynamik zu ersticken.