Walmart, einer der größten Einzelhändler der Welt und bekannt für seine Niedrigpreisstrategie, hat kürzlich auf seiner Gewinnkonferenz angekündigt, dass steigende Kosten infolge von Zolltarifen zu Preissteigerungen führen werden. CEO Doug McMillon und CFO John David Rainey machten deutlich, dass das Unternehmen nicht in der Lage sei, alle Mehrkosten durch die Änderungen der Trump-Regierung bei den Zolltarifen vollständig zu absorbieren. Dies führt dazu, dass Walmart Preise für bestimmte Produkte schon Ende Mai anheben wird, mit noch deutlich spürbareren Preisanpassungen im Juni. Diese Ankündigung stellt nicht nur eine bedeutende Veränderung für den Konzern dar, sondern wirft zugleich ein Schlaglicht auf eine spezielle Form der Lagerbestandsbewertung und Kostenrechnung, die viele große Einzelhändler in den USA verwenden: Die Retail Inventory Method, kurz RIM genannt. Die Debatte um diese Buchhaltungsmethode gewinnt durch die volatilen Zolltarife und die damit einhergehenden Kostensteigerungen neue Brisanz und Relevanz.
Die Retail Inventory Method gehört zu den beiden vom US-GAAP anerkannten Verfahren zur Inventarbewertung. Dabei wird nicht, wie bei der alternativen Methode, für jede einzelne SKU (Stock Keeping Unit) der exakte Einkaufspreis erfasst und bilanziert, sondern ein Durchschnittskostensatz in Bezug auf den Verkaufspreis angewandt. Konkret bedeutet das, dass ein festgelegtes Verhältnis zwischen dem Ladenpreis und den tatsächlichen Kosten genutzt wird, um den Warenbestand am Periodenende zu bewerten. Das erleichtert und beschleunigt die Buchhaltung erheblich, insbesondere bei Händlern, die Millionen von Produkten mit niedrigen Einzelpreisen führen, wie Walmart, Target oder Home Depot. CFO John David Rainey erläuterte in der Telefonkonferenz für Investoren, dass steigende Preise zu höheren Aufschlägen auf den Lagerbestand und somit zu höheren Margen führen können.
Jedoch könnten spätere Preisnachlässe diese positiven Effekte teilweise oder sogar ganz neutralisieren. Dadurch entstehen starke Schwankungen in den Gewinn- und Verlustrechnungen von Quartal zu Quartal. Gerade angesichts der volatilen Zolltarife stelle dies eine noch nie dagewesene Herausforderung für die Prognose und Finanzplanung bei Walmart dar. Die RIM-Methode ist für viele Einzelhändler attraktiv, weil sie den Aufwand minimiert und dennoch eine ausreichende Genauigkeit für die Konzernabschlüsse liefert. Das vollständige Tracking einzelner SKU-Kosten erfordert eine sehr aufwendige Datenverarbeitung, die zwar durch moderne Enterprise Resource Planning Systeme (ERP) möglich ist, aber bei Produkten mit geringer Marge und hohem Volumen oftmals ineffizient bleibt.
Kundenpreise sind aber meist sofort bekannt, während die genaue Erfassung von Einstandskosten etwas verzögert erfolgt. Hier spielt das RIM-Modell seine Stärke aus und schafft eine pragmatische Lösung, indem es auf eine Durchschnittsrelation zurückgreift. Experten wie Sang Hyun „Sam“ Park von Augusta University weisen jedoch darauf hin, dass die Auswirkungen dieser Methode bei dynamischen oder stark schwankenden Kostenstrukturen problematisch werden können. Vor allem in Zeiten politischer Unsicherheiten und tariflicher Schwankungen wird es für Investoren schwieriger, die wahre wirtschaftliche Lage eines Unternehmens realistisch einzuschätzen, da die Gewinne durch die RIM-bedingten Schwankungen in den Inventarwerten teilweise verzerrt erscheinen. Walmart ist somit nicht allein betroffen.
Diese Art der Buchhaltung wird von vielen großen Einzelhändlern genutzt, sodass der Umgang mit Tarifen, Kostensteigerungen und Preisfluktuationen auf dem gesamten Markt besondere Aufmerksamkeit erfordert. Die Auswirkungen von Zöllen, die teilweise sogar rückwirkend oder kurzfristig angepasst werden, sorgen dafür, dass die Kostenbasis schnell und häufig ändert. Dies erzeugt eine Art Volatilität in den finanziellen Berichten, die ohne Kenntnis der RIM-Methode nicht immer sofort erklärt werden kann. Aus Sicht der Unternehmensführung sind die Preissteigerungen eine notwendige Maßnahme, um Margen zu schützen und weiterhin Gewinne sicherzustellen. Die stetigen Schwankungen bei den Zollkosten wirken sich nämlich auch auf die operative Planung und die Profitabilität aus.
Die RIM-Methode führt außerdem dazu, dass günstige oder teure Bestandsaufnahmen auf den ersten Blick das Bild verzerren. Steigende Zollkosten können zu höheren Inventarwerten führen, die dann im nächsten Quartal durch Preissenkungen und Lagerbereinigungen wieder abgeschrieben werden müssen. Das wiederrum beeinflusst die Marge und somit auch die Bewertung durch Analysten und Investoren. Ein weiterer Aspekt ist, dass viele Konsumenten auf Preiserhöhungen sensibel reagieren, weshalb Walmart die Ankündigung vorsichtig und mit Blick auf die Öffentlichkeit und den Wettbewerb kommuniziert. Die Herausforderung besteht darin, die Preisanpassungen ausreichend früh anzukündigen, um die Verbraucher nicht zu verlieren, gleichzeitig aber die wirtschaftliche Notwendigkeit zu vermitteln.
Der Einzelhandel steht somit an einem Wendepunkt, an dem politische Maßnahmen, globale Lieferketten und neue Technologien zusammenspielen und die Buchhaltungsmethoden vor neue Herausforderungen stellen. RIM bleibt trotz moderner ERP-Verfahren ein seit Jahrzehnten bewährtes Mittel für die schnelle und praktikable Bewertung von Beständen, gerade bei großen Handelsketten mit enormem Produktvolumen. Dennoch rücken die Schwankungen durch externe Faktoren wie Zölle die Genauigkeit der Buchhaltungsangaben und deren Interpretation immer stärker in den Fokus. Für Investoren und Analysten bedeutet dies, dass bei der Betrachtung von Quartalsberichten gerade bei Einzelhändlern mit RIM-Methode eine genaue Analyse notwendig ist, um die Auswirkungen von Preissteigerungen, Kostenänderungen und Zolltarifen angemessen zu beurteilen. Insgesamt steht die jüngste Warnung von Walmart exemplarisch für komplexe Herausforderungen, die alle großen Einzelhändler im derzeitigen Umfeld begleiten.
Die Kombination aus volatilen globalen Handelsbedingungen, technologischen Entwicklungen und etablierten Buchhaltungspraktiken führt zu einem neuen Verständnis für finanzielle Berichterstattung im Handel. Entscheidend wird sein, wie Unternehmen zwischen effizienter Buchhaltung und Transparenz für Investoren balancieren, um in einem zunehmend unbeständigen Markt erfolgreich zu agieren.