Mars College ist ein faszinierendes kulturelles und technologisches Experiment, das seit seiner Gründung im Jahr 2020 kreative Köpfe, Künstler, Technologen und Abenteurer aus der ganzen Welt in die abgelegene Wüste Kaliforniens lockt. Das Pop-up-Event findet in der Regel von Januar bis März statt und zieht jedes Jahr etwa sechzig bis siebzig Teilnehmende an, die sich auf einem freien Grundstück nahe Bombay Beach versammeln. Diese temporäre Gemeinschaft verbindet solarpunkartige Visionen mit einer starken Betonung von kreativer Künstlicher Intelligenz, handwerklicher Selbstversorgung und experimentellen Formen des Zusammenlebens.Die Ursprünge von Mars College lassen sich auf eine Idee zurückführen, die in der Kunst- und Festivalwelt wurzelt. Der Gründer Freeman hatte auf dem Burning Man Festival das „Pod Mahal“ gebaut, eine temporäre Struktur aus Holz und Palettenregalen, die nach dem Festival eigentlich wieder abgebaut werden musste.
Die Erfahrung, Ressourcen und Gemeinschaft über die Dauer einer Veranstaltung hinaus zu erhalten, inspirierte ihn dazu, ein dauerhaftes, wenn auch saisonal wiederkehrendes Zuhause zu schaffen. Als sich in Bombay Beach ein erschwingliches Grundstück bot, wurde aus der Idee Realität, die sowohl das raue Umfeld als auch eine alternative Lebensweise und Bildung erschließt.Bombay Beach selbst ist eine schrullige, teilweise heruntergekommene Resortstadt am Salton Sea, die seit Jahrzehnten als Anziehungspunkt für Künstler, Aussteiger und Freigeister fungiert. Mars College nutzt diese Kulisse, um experimentelle und nachhaltig orientierte Lebensweisen in einer Umgebung zu erproben, die viele an Extrembedingungen erinnert, aber dennoch Raum für Kreativität und Gemeinschaft bietet.Das Besondere an Mars College ist der jährliche Neuaufbau der gesamten Infrastruktur.
Die Bewohner errichten mit einfachen Materialien wie Palettenregalen und Sperrholz temporäre Gebäude – von Wohnräumen über Gemeinschaftsküchen bis hin zu Unterrichts- und Projektflächen. Dieser zyklische Prozess des Auf- und Abbaus lädt dazu ein, jedes Jahr neue Konzepte auszuprobieren und sorgt für eine starke kollektive Beteiligung. Es fördert die Teilhabe, die Solidarität und das Verantwortungsbewusstsein unter den Bewohnern, denn jeder ist aktiv an der Gestaltung des Lebensraums beteiligt.Die Bewohner – meist selbst „Martians“ genannt – kommen aus einem vielseitigen Spektrum von Hintergründen und Nationalitäten. Einige sind digitale Nomaden, Künstler, Burners, Akademiker oder Handwerker.
Mars College hat sich im Laufe der Jahre von einem rein technologisch- und KI-fokussierten Treffpunkt hin zu einem vielfältigeren Ort entwickelt, an dem etwa auch Kochkunst, Theater, Körperarbeit oder DIY-Off-Grid-Technologien ihren Platz finden. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Entstehung verschiedener „Camps“ wider, die eigenständig ihre Mitglieder rekrutieren und thematische Schwerpunkte setzen, darunter etwa das Tool Camp für Handwerksprojekte, das Bodywork Camp für Thai-Massage und körperliche Praxis oder Freeside, ein Camp für diejenigen ohne eigene Unterkünfte.Freeside stellt ein besonders interessantes Konzept des gemeinschaftlichen Lebens dar. Es bietet eine erschwingliche Wohnmöglichkeit für Menschen, die ohne eigenes Fahrzeug oder Ausrüstung anreisen und auf gemeinschaftliche Infrastruktur angewiesen sind. Neben einfachen, teils improvisierten Schlafplätzen organisiert Freeside auch eine gemeinsame Küche, Versorgung mit Wasser, Energie und Lebensmitteln.
Das Zusammenleben erfordert viel gegenseitige Rücksichtnahme und Beteiligung an häuslichen Aufgaben, die durch regelmäßige Gemeinschaftsaktionen und choreografierte Arbeitspläne strukturiert werden. Dabei zeigt sich, dass durch gemeinsame Mahlzeiten und organisiertes Zusammenarbeiten nicht nur Kosten gesenkt, sondern auch soziale Bindungen gestärkt werden.Das Thema Ernährung ist im trockenen, abgelegenen Wüstenumfeld von besonderer Bedeutung. Die nächste Einkaufsmöglichkeit liegt 40 Minuten entfernt und gastronomische Angebote im Ort sind rar und gelegentlich unzuverlässig. Deshalb ist ein gemeinschaftlicher Speiseplan und koordinierte Einkaufstouren von zentraler Bedeutung für die Stabilität der Gemeinschaft.
Mit einem kleinen Budget und professioneller Unterstützung von Köchen gelingt es, abwechslungsreiche und nahrhafte Mahlzeiten zuzubereiten, die den Zusammenhalt in der Gruppe fördern. Gemeinsame Essen werden dabei zum sozialen Ereignis und zur Motivation für weitere Projekte.Energieversorgung und nachhaltige Technologien sind wichtige Themen bei Mars College. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung einer Anlage zur Gewinnung von „Poop Gas“, einem Biogas aus menschlichen Abfällen, das mithilfe von Solartechnik in nutzbare Energie verwandelt wird. Dieses innovative Projekt verbindet ökologische Verantwortung mit technisch-kreativer Neugierde und macht zugleich die Herausforderungen des Off-Grid-Lebens real erfahrbar.
Auch andere technologische Innovationen wie ein 3D-Lehmhausdrucker zeigen die Experimentierfreude der Community und deren Bestreben, nachhaltige Bauweisen zugänglich zu machen.Neben den technischen und handwerklichen Projekten zeichnet sich Mars College auch durch sein Bildungsangebot aus. Die unkonventionelle Form eines „Unkonferenz“-Formates ermöglicht es jedem Mitglied, eigene Workshops, Vorträge oder kreative Angebote auf einem offenen Kalender zu platzieren. Bereichert wird das Programm durch die sogenannten Thunder Talks, kurze Präsentationen, bei denen die Martians sich und ihre Interessen vorstellen, um Synergien zu schaffen und neue Kooperationen zu ermöglichen. So entsteht ein lebendiger Austausch verschiedenster kreativer und technischer Disziplinen, der über das hinausgeht, was konventionelle Hochschulen oder Communities bieten.
Ein wesentlicher Aspekt des Gemeinschaftslebens ist die schrittweise Entwicklung eines Governance-Systems. Während Mars College zunächst von zwei Gründern als Do-ocracy (was so viel bedeutet wie selber anpacken) geleitet wurde, entwickelt sich die Struktur hin zu einem gewählten Ratsgremium, das für Organisation und Weiterentwicklung zuständig ist. Die angestrebte soziokratische Methode soll dabei helfen, Entscheidungsprozesse inklusiver und effektiver zu gestalten und einen nachhaltigen, dynamischen Gemeinschaftsrahmen zu schaffen.Die Atmosphäre bei Mars College wird häufig als familiär, unterstützend und freiheitsliebend beschrieben, obwohl nicht alles reibungslos verläuft und die raue Umgebung den Bewohnern einiges abverlangt. Herausforderungen wie starke Winde, Sandstürme, hitzige Temperaturen und die temporäre Bausubstanz führen dazu, dass die Bewohner stets flexibel, resilient und lösungsorientiert handeln müssen.
Der „Spirit“ der Gemeinschaft, gekennzeichnet durch gegenseitige Fürsorge und Experimentierfreude, macht das Erlebnis einzigartig.Mars College zeigt eindrucksvoll, wie in einer kleinen, temporär organisierten Gemeinschaft nachhaltige, kreative und soziale Innovationen Hand in Hand gehen können. Es ist ein Beispiel dafür, wie neue Lebens- und Lernmodelle abseits etablierter Institutionen entstehen und funktionieren können. Die internationale Anziehungskraft und die vielfältigen Projekte machen Mars College zu einem spannenden Fallbeispiel für alle, die sich für alternative Bildung, nachhaltige Lebensweisen und kollektive Innovationen interessieren.Zukunftsorientiert steht Mars College damit exemplarisch für die wachsende Bewegung von Communities, die inklusive Technologien und gemeinschaftliches Leben neu denken.
Die Herausforderungen der ständigen Neuplanung und der freiwilligen Mitgestaltung führen zu einer lebendigen Experimentierkultur, die nicht zuletzt eine Form der kollektiven Resilienz gegenüber globalen Herausforderungen wie Klimawandel und sozialer Fragmentierung darstellt. Für viele der Teilnehmer ist Mars College mehr als nur eine kurzfristige Zuflucht – es ist ein Labor für Lebensmodelle, die auch in anderen Kontexten Impulse setzen können.Wer neugierig geworden ist, kann sich über die Website mars.college über kommende Bewerbungszeiträume informieren und sogar aktiv werden. Mars College steht offen für eine vielfältige Community, die Lust hat, auf spannende und manchmal unbequeme Weise neue Wege des Miteinanders und der Kreativität zu beschreiten.
Es ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Menschen gemeinsam in der Wüste eine Zukunft bauen, die zugleich nachhaltig, innovativ und sozial ist.