Eine richtungsweisende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten steht kurz bevor und könnte die Art und Weise, wie Bundesbehörden Umweltprüfungen im Rahmen des National Environmental Policy Act (NEPA) durchführen, grundlegend verändern. Die zentrale Frage in dem Verfahren Seven County Infrastructure Coalition gegen Eagle County, Colorado, betrifft die Pflicht von Behörden, die Klimafolgen und andere Umweltaspekte bei der Genehmigung großer Infrastrukturprojekte zu berücksichtigen. Insbesondere geht es um ein geplantes 88 Meilen langes Eisenbahnprojekt, das Erdöl aus einer produktiven Region Utahs zu Raffinerien an der Golfküste transportieren soll. Diese Entscheidung birgt weitreichende Konsequenzen, die nicht nur den Bundesstaat Utah betreffen, sondern landesweit Auswirkungen haben könnten. Der National Environmental Policy Act aus dem Jahr 1970 ist ein Eckpfeiler des Umweltschutzes in den USA.
Er verpflichtet Bundesbehörden, bei größeren Projekten die potenziellen Umweltfolgen sorgfältig zu prüfen. Hierzu zählen umfangreiche Studien und die Einbeziehung der Öffentlichkeit, um negative Auswirkungen zu erkennen, zu mildern oder im Zweifelsfall Projekte abzulehnen. Dabei spielen Klimawandel, Luftverschmutzung, Ökosysteme und soziale Folgen eine zentrale Rolle. Mit dieser gesetzlichen Grundlage trägt NEPA dazu bei, dass Umweltbelange bei Regierungsentscheidungen nicht übergangen werden, sondern integraler Bestandteil des Prozesses sind. Im konkreten Fall erging im Jahr 2021 vom Surface Transportation Board, der zuständigen Bundesbehörde für Schienenverkehr, die Genehmigung für die Eisenbahnlinie.
Diese soll den Uinta Basin, eine Region mit umfangreichen Rohölvorkommen, an das landesweite Schienennetz anschließen. Bisher wurde das Öl ausschließlich per LKW transportiert, was umwelttechnisch problematisch ist. Die neue Verbindungsstrecke hätte zur Folge, dass die Förderung von Wachsöl im Basin sich vervierfacht. Das Umweltgutachten der Behörde kam zu dem Schluss, dass die zusätzliche Verbrennung dieses Öls zur Emission von rund 53 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr führen könnte. Das entspricht etwa 0,8 Prozent der nationalen sowie 0,1 Prozent der globalen Gesamtemissionen.
Mehrere Umweltverbände und ein Bezirk des Bundesstaates Colorado erhoben gegen die Genehmigung Einspruch. Sie argumentierten, dass das Surface Transportation Board bei seiner Prüfung wesentliche Umweltaspekte nicht hinreichend berücksichtigt habe, insbesondere die Auswirkungen auf die durch Luftverschmutzung ohnehin belasteten Gemeinden entlang der Golfküste von Louisiana und Texas, wo das Öl raffiniert werden soll. Weitere Sorgen bezogen sich auf Umweltrisiken entlang des Bahnnetzes selbst, etwa durch Öllecks oder durch Waldbrände. Das Berufungsgericht des District of Columbia Circuit beurteilte die Prüfung der Behörde als unzureichend und stellte zahlreiche Verstöße gegen NEPA fest. Die klagenden Parteien sehen in der möglichen Umgehung von Klima- und Umweltrisiken durch die Bundesbehörden einen Rückschritt, der vor allem die bereits durch Klimawandel und Industrieemissionen stark belasteten Bevölkerungsgruppen benachteiligt.
Die gesetzliche Pflicht zu einer ganzheitlichen Betrachtung von Vorhaben ist ein Mittel, um Umweltungerechtigkeiten zu vermeiden und die Öffentlichkeit frühzeitig in Entscheidungsprozesse einzubinden. Dies fördert Transparenz und ermöglicht es Kommunen, ihre berechtigten Interessen zu vertreten. Anders bewerten die Befürworter des Eisenbahnprojekts die Situation. Die sie unterstützenden Bezirke in Utah heben das wirtschaftliche Potenzial des Projekts hervor. Sie betonen, dass zahlreiche Umweltprüfungen bereits sorgfältig durchgeführt wurden und optimistisch auf die Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof blicken.
Für sie steht die regionale Entwicklung und die Schaffung von Infrastruktur im Vordergrund, die entscheidend für Wachstum und Vernetzung der ländlichen Region sei. Ein weiterer Streitpunkt in der Verhandlung betraf die Frage, ob eine Bundesbehörde bei einer Umweltprüfung überhaupt Folgen von Projekten berücksichtigen muss, die unter die Zuständigkeit anderer Behörden fallen. Ursprünglich vertraten die Eisenbahnentwickler die Auffassung, eine Agentur müsse nur diejenigen Umweltaspekte untersuchen, für die sie selbst zuständig sei. Diese Interpretation widerspräche jedoch der bisherigen Praxis und langjähriger Rechtsprechung zu NEPA. Standardmäßig umfasst eine Umweltprüfung auch Auswirkungen, die von anderen Behörden reguliert werden.
Im Verlauf der mündlichen Verhandlung im Dezember 2024 wurden die Argumente der Projektbefürworter allerdings abgeschwächt. Sie schlagen nun vor, dass Auswirkungen, die räumlich weit entfernt oder zeitlich erst in ferner Zukunft auftreten, nicht zwingend berücksichtigt werden müssen. Das umfasst zum Beispiel die Folgen für Gemeinden an der Golfküste und Emissionen, die zum Klimawandel beitragen. Umweltrechtsexperten warnen, dass eine solche Einschränkung die grundsätzliche Intention von NEPA untergräbt. Die Pflicht, umfangreich und transparent über alle vorhersehbaren Risiken und Schäden zu informieren, sei essenziell für den Schutz von Umwelt und betroffenen Menschen.
Werden Klimaeffekte und die sozialen Folgen in Milliarden-Dollar-Projekten ausgeklammert, wird ein zentrales Instrument zur Regulierung von Umweltfolgen verloren gehen. Rechtlich betrachtet hat der Oberste Gerichtshof in der Vergangenheit meist zugunsten der Regierung entschieden, wenn es um Umweltprüfungen nach NEPA ging. Die jetzige Entscheidung dürfte daher wahrscheinlich zumindest Teile der Argumentation der Projektbefürworter annehmen. Allerdings zeigen sich einige Richter skeptisch gegenüber weitreichenden Einschränkungen der Prüfungspflicht. Chief Justice John Roberts wies darauf hin, dass eine zu starke Beschränkung der Umweltprüfung die Behörden wiederum anfällig für juristische Angriffe machen könnte.
Möglicherweise wird der Gerichtshof eine Kompromisslinie ziehen und für eine differenzierte Prüfung plädieren, die weder die umfassenden Klimafolgen völlig ausklammert, aber auch nicht zu strenge Anforderungen an Behörden stellt. Gleichzeitig fällt diese Entscheidung in eine Phase, in der die Trump-Administration auf Bundesebene die Umsetzung von NEPA in verschiedener Weise zurückfährt. Bereits im Februar 2024 wurde eine Zwischenregelung veröffentlicht, die frühere Vorschriften der Exekutive zum Umgang mit NEPA aufhebt. Seitdem liegt es in der Verantwortung jeder einzelnen Behörde, eigene Leitlinien bis Anfang 2025 festzulegen. Experten gehen davon aus, dass die neue Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bei der Gestaltung dieser behördlichen Regeln eine maßgebliche Rolle spielen wird.
Sollte das Gericht Klimafolgen mit geringer Bedeutung einstufen, könnten weitere Regulierungen das Ignorieren von Treibhausgasemissionen juristisch erleichtern. Vor diesem Hintergrund wird das NEPA-Verfahren in den kommenden Monaten an Bedeutung gewinnen. Das Ergebnis könnte entweder dazu beitragen, den Schutz von Umwelt und betroffenen Gemeinschaften zu stärken oder das Verfahren so zu verändern, dass künftig wichtige Umweltaspekte bei Großprojekten weniger Beachtung finden. Dies hätte nicht nur Auswirkungen auf das Beispiel des Eisenbahnprojekts in Utah, sondern auf Infrastrukturvorhaben im gesamten Land. Eine Schwächung der Umweltprüfung würde insbesondere gefährdete Bevölkerungsgruppen und Regionen, die bereits unter Luftverschmutzung und den Folgen des Klimawandels leiden, empfindlich treffen.
Darüber hinaus birgt die zunehmende Dezentralisierung der Regelungen zur Umsetzung von NEPA die Gefahr von Inkonsistenzen und Rechtsunsicherheiten. Wenn jede Behörde eigene Standards entwickelt, könnte dies die Genehmigungsverfahren verlängern und unübersichtlicher machen – entgegen der politischen Absicht, behördliche Prozesse zu beschleunigen. Die Rechtslandschaft könnte zunehmend fragmentiert sein, was Entscheidungen und Klagen über Umweltrisiken erschwert. Im Ergebnis steht vieles auf dem Spiel: Klimaschutz, öffentliche Beteiligung, Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung. Die anstehende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wird den Kurs für die nächsten Jahre vorgeben, wie ernst die USA Umweltprüfungen nehmen und wie sie mit den Herausforderungen durch den Klimawandel umgehen wollen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Komplexität ökologischer Folgen und die berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinschaften nicht zugunsten kurzfristiger wirtschaftlicher Vorteile übergangen werden. Nur durch eine umfassende und transparente Prüfung können nachhaltige und sozialverträgliche Projekte entstehen, die Umwelt und Gesellschaft gleichermaßen schützen.