Künstliche Intelligenz (KI) erlebt derzeit eine beispiellose Aufmerksamkeit und Begeisterung. Unternehmen, Politik und Gesellschaft erwarten eine tiefgreifende Veränderung durch KI-Technologien, vor allem durch generative Modelle, die zunehmend in Anwendungen wie Textverarbeitung, Bild- und Videoerstellung, Forschung und Automatisierung Einzug halten. Doch während diese technologische Entwicklung enorme Chancen bietet, wird oft übersehen, dass der Hype um KI nicht nur Fortschritt, sondern auch erhebliche ökologische und gesellschaftliche Probleme mit sich bringen kann. Die eigentliche Herausforderung liegt dabei weniger in der Technologie selbst, sondern in der Erwartungshaltung, die sie erzeugt, und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Umwelt und die Infrastruktur unserer Gesellschaft. Im Kern geht es um den rasanten Anstieg der Nachfrage nach Rechenleistung und Dateninfrastruktur, der durch den KI-Boom ausgelöst wird.
Unternehmen baut enorme Datenzentren, um der prognostizierten Nachfrage vorsorglich gerecht zu werden – auch wenn diese nicht sofort oder in dem erwarteten Ausmaß eintritt. Diese Vorabinvestitionen sind der Motor für eine immense Ausweitung der Rechenkapazitäten weltweit. Doch diese Rechenzentren und Chipfabriken benötigen gigantische Mengen an Elektrizität. In einer Zeit, in der Klimaschutz und Reduzierung von CO₂-Emissionen dringlicher sind als je zuvor, ist dies ein Problem von globaler Tragweite. Die Stromversorgung für diese Datenzentren erfolgt häufig aus Quellen, die auf fossilen Brennstoffen basieren.
Ohne die starke und anhaltende Nachfrage nach Strom, die durch den KI-Hype befeuert wird, würden Stromversorger vermehrt erneuerbare Energien ausbauen und fossile Kraftwerke stillegen, da diese Wirtschaftlichkeit und Effizienz bieten. Doch der prognostizierte Boom führt dazu, dass neue gas- und kohlebefeuerte Kraftwerke errichtet werden oder bestehende Anlagen länger in Betrieb bleiben, um Kapazitäten für die mögliche zukünftige Nachfrage zu sichern. Es entsteht eine Dynamik, die im Gegensatz zu den globalen Klimazielen steht, welche eine deutliche Reduktion von Treibhausgasen erfordern. Die Auswirkungen auf die Emissionen sind beträchtlich. Datenzentren verbrauchen aktuell bereits große Mengen an Strom.
Die Schätzungen für 2023 liegen bei etwa 482 Terawattstunden jährlich, was etwa 1,6 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs entspricht. Rechnet man die Produktion von Halbleiterchips hinzu, die ebenfalls immense Energiemengen erfordert, steigt der Anteil an den weltweiten CO₂-Emissionen weiter an. Chips, insbesondere Hochleistungsprozessoren für KI-Anwendungen wie GPUs, benötigen energieintensive Herstellungsprozesse vor allem in Fabriken wie den sogenannten Gigafabs in Taiwan. Dort verbrauchen die Produktionsanlagen bereits heute einen signifikanten Anteil der lokalen Stromproduktion. Wenn man das erwartete Wachstum der KI-Infrastruktur in den kommenden Jahren betrachtet, zeichnen sich besorgniserregende Trends ab.
Selbst ein moderates Wachstum von 25 Prozent pro Jahr über ein Jahrzehnt würde dazu führen, dass der Energieverbrauch von Datenzentren auf etwa 4800 Terawattstunden jährlich ansteigt, was Emissionen in Höhe von rund 2,4 Gigatonnen CO₂-Äquivalent entspricht. Das überschreitet bereits einen bedeutenden Teil des globalen CO₂-Budgets, das für die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zur Verfügung steht. Extremere Prognosen, wie die eines 100-fachen Wachstums der Datenzentrumskapazitäten in den nächsten zehn Jahren – Szenarien, die von führenden Persönlichkeiten der Tech-Branche diskutiert werden – wären katastrophal für das Klima. Selbst bei einer längeren Zeitraumstreckung wären die Emissionen aus dem Betrieb und der Herstellung der dafür benötigten Hardware so hoch, dass sie die zulässigen globalen Emissionswerte um ein Vielfaches überschreiten würden. Neben den direkten ökologischen Auswirkungen führt der KI-Hype auch zu sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen.
Die groß angelegten Investitionen mit dem Ziel, Datenzentren und elektrische Kapazitäten aufzubauen, erzeugen eine „Lock-in“-Situation. Das bedeutet, dass sowohl Energieversorger als auch Betreiber von Dateninfrastrukturen darauf angewiesen sind, ihre hohen Investitionen durchgehend auszuschöpfen, was den Druck erhöht, ständig neue Anwendungen und Nutzer zu generieren. Selbst wenn die tatsächliche Nachfrage nach KI-Workloads in der Praxis niedriger ausfällt als prognostiziert, entsteht so eine Tendenz, den Verbrauch durch Marketing, Innovation oder Zwänge zu steigern, was wiederum die CO₂-Emissionen in die Höhe treibt. Zudem verstärkt der Hype die Problematik der ungleichen Ressourcenverteilung. Die Konzentration der größten Rechenzentren und Chipfabriken in wenigen Regionen wird geopolitisch relevant, wie die Situation in Taiwan zeigt.
Energieintensive Produktion und Infrastruktur können durch lokale Netzbelastungen, hohe Umweltschäden und soziale Spannungen begleitet sein. Auf der anderen Seite profitieren nur wenige Unternehmen direkt von der steigenden Nachfrage, während die Umweltlast von der gesamten Gesellschaft getragen wird. Ein weiteres ungelöstes Problem ist die tatsächliche Effizienz der eingesetzten Technologie. Obwohl Fortschritte in der Chipentwicklung und im Energieverbrauch der Server erfolgen, werden diese durch die schiere Menge an Geräten und Rechenanforderungen zum Teil mehr als ausgeglichen. Die Annahme, dass Effizienzgewinne allein den steigenden Bedarf kompensieren können, erweist sich als zu optimistisch.
Auch der Ausbau erneuerbarer Energien, so wichtig er ist, ersetzt aktuell nur selten vollständig fossile Kraftwerke, sondern wird häufig zusätzlich installiert, was die Gesamt-Emissionen nicht signifikant senkt. Um den negativen Folgen des KI-Hypes entgegenzuwirken, ist ein vielschichtiges Umdenken erforderlich. Es braucht verbindliche Klimaziele speziell für den IT- und Datenzentrumssektor, die in Einklang mit den globalen Emissionsbudgets stehen. Eine strengere Regulierung und klare Richtlinien für die Energieeffizienz von Rechenzentren und die Herstellung von Chips könnten Anreize schaffen, Ressourcen effizienter zu nutzen. Darüber hinaus ist die Förderung und Verpflichtung zu 100 Prozent erneuerbarer Energie für die Stromversorgung dieser Einrichtungen essentiell.
Auch der Umgang mit dem Hype selbst muss reflektiert werden. Erwartungen sollten realistisch kommuniziert werden, um den Druck auf eine exponentielle und ungezügelte Expansion zu reduzieren. Der Fokus sollte verstärkt auf nachhaltige, sinnvolle Anwendungen von KI gelegt werden, die gesellschaftlichen Nutzen bringen, ohne dabei den ökologischen Fußabdruck unverhältnismäßig zu erhöhen. Ein nachhaltiger Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist durchaus möglich, wenn Technologieentwicklung, Wirtschaft und Politik gemeinsam Verantwortung übernehmen und ökologische Grenzen respektieren. Die momentan euphorische Stimmung birgt große Risiken für unser Klima und damit für die Lebensgrundlagen kommender Generationen.