Während des Zweiten Weltkriegs standen die Alliierten vor der gewaltigen Herausforderung, Hitlers Atlantikwall zu überwinden – ein langes, komplexes Verteidigungssystem, das sich über die Küsten Westeuropas erstreckte, um eine alliierte Invasion aus dem Meer abzuwehren. Die Idee, den Atlantikwall zu durchbrechen, war essenziell für eine erfolgreiche Landung in Europa, doch die massiven Küstenbefestigungen und Hindernisse machten herkömmliche Angriffe extrem schwierig und verlustreich. Inmitten dieser militärischen Notwendigkeit entstand ein bizarre und gleichzeitig faszinierende Waffe: die Panjandrum, auch bekannt als das „riesige Feuerwerk“. Dieses skurrile Gerät sollte eine neue Art der Kriegsführung einläuten – indem es eine tonnenschwere Sprengladung in rasender Geschwindigkeit über den Strand bis zur feindlichen Mauer transportierte und diese zerstörte. Die Entstehung des Atlantikwalls begann nach der Eroberung großer Teile Westeuropas durch Nazi-Deutschland.
Die deutschen Besatzer setzten auf extreme Verteidigungsmaßnahmen, um eine alliierte Landung zu verhindern. Mithilfe von Zwangsarbeitern, darunter viele russische Kriegsgefangene, errichteten sie entlang der Küste eine nahezu unüberwindbare Befestigungslinie, die mehr als 5.000 Kilometer von der Grenze zu Spanien bis in den hohen Norden Norwegens reichte. Die massiven Betonbunker, Minenfelder, Panzersperren und Stacheldrahtverhaue bildeten eine scheinbar uneinnehmbare Verteidigung. Angesichts dieser enormen Herausforderungen suchten die britischen Militäringenieure im Geheimen nach innovativen Lösungen, um die Verteidigungslinien zu durchbrechen.
Der Mann hinter der Panjandrum war Nevil Shute Norway, ein talentierter Luftfahrtingenieur, der zuvor bereits an prestigeträchtigen Projekten wie den britischen Luftschiffen R100 und R101 mitgewirkt hatte. Nach seiner Dienstzeit auf See im Royal Navy Volunteer Reserve wurde er Teil der „Directorate of Miscellaneous Weapon Development“, die umgangssprachlich als „wheezers and dodgers“ bekannt war – ein geheimes Team aus Wissenschaftlern und Erfindern, das außergewöhnliche neue Waffen für den Krieg entworfen. Die Panjandrum war das Ergebnis des Versuchs, eine möglichst simple, aber effektive Methode zu finden, um starke Küstenbefestigungen aus Beton zu sprengen. Die Ingenieure berechneten, dass eine Explosivladung von etwa einer Tonne Sprengstoff notwendig wäre, um eine Durchbruchstelle in der Mauer zu schaffen. Doch die Frage blieb: Wie sollte man eine solche schwere Ladung sicher über den Strand bringen, der mit Gräben, Drahtverhauen und anderen Hindernissen durchsetzt war und vom Feind unter ständigem Beschuss stand? Die Inspiration für das Antriebskonzept des Panjandrum kam überraschenderweise von einem klassischen Feuerwerk, dem „Catherine wheel“.
Dieses dreht sich durch die Kraft von Raketen, die an seiner Struktur befestigt sind und eine rotierende Bewegung erzeugen. Übertrug man diese Idee auf ein gigantisches Gerät, könnten eine Reihe von Raketen das Gewicht nicht nur bewegen, sondern in schnelle Rotations- und Vorwärtsbewegungen versetzen. Das fertige Gerät bestand aus zwei riesigen, zehn Fuß hohen Rädern, die jeweils mit mehreren festen Raketenmotoren ausgestattet waren. Zwischen diesen Rädern hing ein großer Stahlbehälter, der den Sprengstoff enthielt. Das Ganze sah aus wie eine Art überdimensionale Filmrolle.
Verständlicherweise machte das Design aufgrund seiner Größe und seines Antriebs im britischen Militär sofort auf sich aufmerksam, auch wenn Skepsis gegenüber der Steuerbarkeit groß war. Die Geschwindigkeit, die Panjandrum erreichen sollte, betrug bis zu 100 Kilometer pro Stunde – eine beeindruckende Geschwindigkeit für ein Gerät, das allein durch Raketen angetrieben wurde. Der Plan war, dass es sich mit solcher Kraft über Strände und Hindernisse hinwegsetzen würde, um so die Mauer zu sprengen und den Weg für die Landungstruppen zu öffnen. Die Tests der Panjandrum begannen 1943 an den Küsten von Devon, England, allerdings mit gemischtem Erfolg. Während die Raketen das Gerät tatsächlich vorantrieben, versagten die Kontrollmechanismen regelmäßig.
Raketen fielen oft vorzeitig ab, was zu einer unkontrollierbaren Fahrt führte. Das Gerät schlingerte gefährlich und drohte sogar, Unbeteiligten oder Beobachtern zu schaden. Bei einem Test fuhr die Panjandrum unvermittelt zurück ins Meer und explodierte dort mit lautem Knall, sodass sich die versammelten Militärs hastig in Sicherheit bringen mussten. Trotz vieler Anpassungen und Verbesserungen blieb die Steuerung ein großes Problem. Die Technologie der 1940er Jahre war schlichtweg nicht in der Lage, ein unbemanntes, raketengetriebenes Fahrzeug präzise zu navigieren.
Die Panjandrum wurde zum Sinnbild für den Einfallsreichtum, aber auch für die technischen Grenzen der damaligen Zeit. Letztlich wurde das Projekt im Frühjahr 1944 eingestellt – nur wenige Monate vor der erfolgreichen Landung der Alliierten in der Normandie. Interessanterweise könnte die Panjandrum auch eine psychologische Waffe gewesen sein. Die öffentlichen Tests am Strand, bei denen trotz offizieller Warnungen viele Zuschauer anwesend waren, könnten den deutschen Geheimdienst täuschen und die Vermutung erwecken haben, dass die Alliierten ungewöhnliche Waffen zur Invasion nutzten. Somit wäre die Panjandrum vielleicht auch Teil eines Täuschungsmanövers gewesen.
Während die Panjandrum selbst nie zum Kampfeinsatz gelangte, waren andere unkonventionelle Kriegstechnologien von Bedeutung bei der Invasion. Besonders erwähnenswert sind die sogenannten „Funnies“ – speziell umgebaute Panzer, die unter dem Kommando des exzentrischen Offiziers Percy Hobart alle möglichen Aufgaben erfüllten, von der Minenräumung bis zum Anlegen von Übergangsbrücken. Diese verbesserten die Chancen der Alliierten an den Stränden signifikant. Die Karriere von Nevil Shute Norway ist ebenfalls bemerkenswert. Nach dem Krieg wandte er sich zunehmend dem Schreiben zu und wurde als Romanautor unter dem Pseudonym Nevil Shute weltberühmt.
Werke wie „On the Beach“ zeugen von einer literarischen Begabung, die seine technische Karriere weit übertraf. In den letzten Jahrzehnten wurde die Panjandrum aus Interesse an außergewöhnlichen Kriegserfindungen und historischen Kuriositäten immer wieder revived. 2009 wurde beispielsweise beim Appledore Book Festival in England eine nicht-explosive Nachbildung gebaut und vor Publikum getestet. Diese Demonstration zeigte, dass die grundsätzliche Idee auch heute noch faszinierend, aber schwierig umzusetzen ist. Adam Savage, ehemals Mythbusters-Moderator, versuchte 2020 ebenfalls, ein Modell zu konstruieren, um zu untersuchen, ob die Antriebstechnik verbessert werden könnte.