Postman hat sich weltweit als eines der führenden Tools zum Testen und Entwickeln von APIs etabliert. Entwickler, Data Scientists und IT-Spezialisten schätzen die benutzerfreundliche Oberfläche und die umfangreichen Funktionen, die das Arbeiten mit APIs deutlich erleichtern. Doch hinter der glänzenden Oberfläche verbirgt sich ein ernstes Datenschutzproblem, das mittlerweile von unabhängigen Experten aufgedeckt wurde: Postman protokolliert stillschweigend alle geheimen Informationen und Umgebungsvariablen, die Nutzer in ihrem Arbeitsprozess eingeben. Diese Praxis wirft nicht nur zahlreiche Fragen zur Datensicherheit auf, sondern bringt auch erhebliche Risiken mit sich — vor allem, wenn sensible Daten aus Healthcare oder anderen regulierten Branchen betroffen sind. Die Untersuchung eines Data Scientists hat dabei gezeigt, dass Postman keinesfalls die vermutete Diskretion über die Nutzergeheimnisse wahrt.
Die Problematik reicht dabei weit über einen einfachen Verstoß gegen Datenschutzrichtlinien hinaus und fordert von allen Anwendern ein grundlegendes Umdenken und Maßnahmen zum Schutz der eigenen Daten. Die Ausgangslage bei Postman ist von einem Prinzip geprägt, das in der modernen Softwareentwicklung zwar häufig vorkommt, aber gerade im Umgang mit sensiblen Daten besonders kritisch gesehen werden muss: das umfassende Protokollieren aller Aktivitäten. Bereits vor der ersten Interaktion eines Benutzers mit dem Programm werden hunderte Netzwerkaufrufe ausgelöst, die Daten an unterschiedlichste Analyse-Tools und Drittanbieter schicken. Dieses Verhalten, in der Branche teilweise als „log everything“ bekannt, stellt eine permanente Sammlung von Daten dar, die ohne Wissen des Nutzers erfolgt. Wer glaubt, dass in Postman eingegebene Geheimnisse wie API-Schlüssel, Passwörter oder Umgebungsvariablen geschützt sind, wird hier bitter enttäuscht.
Was die Untersuchung besonders erschreckend machte: Selbst wenn Umgebungsvariablen als „secret“ markiert sind, also scheinbar verschlüsselt oder unsichtbar für andere Teammitglieder bleiben, nimmt Postman genau diese Variablen trotzdem in den Logs auf. Das bedeutet, dass die eigentlichen geheimen Inhalte in Klartetxt an die Server von Postman gesendet werden und dort gespeichert werden. Im Kern wird dabei die variable ersetzte URL – also die sogenannte resolvedRequestUrl – in den Logs erfasst. An dieser Stelle sehen die Verantwortlichen offenbar keine Notwendigkeit, sensible Daten herauszufiltern oder zu anonymisieren. Das widerspricht ausdrücklich der Aussage und dem Versprechen in der Postman-Oberfläche, dass Variablen dazu dienen, sensible Daten zu schützen.
Vielmehr offenbart sich hier ein Widerspruch zwischen Marketing und Realität, der für Nutzer gravierende Konsequenzen haben kann. Wie genau gelingt es, dass solche Daten sichtbar werden? Die Antwort liegt in der Art und Weise, wie Postman seinen Netzwerkverkehr handhabt. Zur Aufdeckung dieser Datenlecks kam ein Werkzeug namens Charles Proxy zum Einsatz. Charles Proxy ist ein Tool zur Analyse und Überwachung von Netzwerkverkehr, das es ermöglicht, verschlüsselte Verbindungen zu entschlüsseln und so die übertragenen Daten im Klartext einzusehen. Vorausgesetzt wird allerdings, dass der Nutzer SSL-Proxying einrichtet und die sogenannte Zertifikat-Pinning-Technologie von Postman umgeht.
Das Zertifikat-Pinning schützt eigentlich vor Man-in-the-Middle-Angriffen – es sorgt dafür, dass die App nur zertifizierte Verbindungen akzeptiert. Wird diese Schutzmaßnahme jedoch ausgeschaltet, kann der Netzwerkverkehr zwischen Postman und dessen Servern sichtbar gemacht werden. Mit etwas technischem Know-how lassen sich so alle Aufrufe zu den Postman-Endpunkten nachvollziehen und die entsprechenden Daten analysieren. Das Ergebnis: Geheimnisse und sensible Variablen erscheinen offen und ungeschützt in den Logs. Besonders kritisch wird die Lage, wenn man die Datentypen betrachtet, die möglicherweise über diesen Kanal übertragen werden.
In regulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen sind Patientendaten, sogenannte Protected Health Information (PHI), besonders schützenswert. Werden solche Informationen dahin übertragen, wo sie ungeschützt offenliegen, kann dies nicht nur zu massiven Datenschutzverstößen führen, sondern auch gegen Gesetze wie die HIPAA (Health Insurance Portability and Accountability Act) verstoßen. Die ursprüngliche Fragestellung der Untersuchung war tatsächlich genau diese: Ist Postman HIPAA-konform? Die Antwort fällt ernüchternd aus. Das Tool ist offensichtlich ungeeignet, wenn es darum geht, regulatorische und ethische Anforderungen für den Umgang mit schützenswerten Daten einzuhalten. Ein ETS-geeigneter Einsatz in sicherheitskritischen Umgebungen ist daher nicht zu empfehlen.
Auch wenn Postman scheinbar vorsichtig mit dem Logging von HTTP-Headern umgeht, verlagert sich das Risiko einfach auf andere Bereiche. Die URL und die Query-Parameter sind ein beliebtes Ziel für Protokollierungszwecke. Da dort oft neben dem Endpunkt auch Parameternamen und deren Werte dynamisch zusammengesetzt werden, fließen automatisch alle Umgebungsvariablen in diese Protokolle ein. Nutzer, die glauben, durch das Setzen von Variablen ihre sensiblen Daten vor der Erfassung zu schützen, befinden sich somit in einem gefährlichen Irrtum. In der Zeit der zunehmend strengen Datenschutzanforderungen entsteht hier ein großes Risiko für Datenverlust oder unabsichtliche Offenlegung.
Für Nutzer, die dennoch nicht auf die Funktionen von Postman verzichten möchten oder können, gibt es zumindest einige pragmatische Ansatzpunkte, um die unerwünschte Datenübertragung zumindest einzudämmen. Eine einfache, aber effektive Methode besteht darin, gezielt die Netzwerkadressen zu blockieren, an die Postman sogenannte Analytik-Endpunkte schickt. Mit Einträgen in der lokalen Hosts-Datei können Domains wie bifrost-https-v4.gw.postman.
com und bifrost-v4-global.gw.postman.com auf die lokale IP 127.0.
0.1 umgeleitet werden. Damit erreichen Anfragen dieser Dienste keine echten Server mehr und die Daten können nicht mehr „nach Hause telefonieren“. Obwohl dies die besten Vorsichtsmaßnahmen gegen das Logging nicht ersetzt, bietet es einen minimalen Schutz vor der unfreiwilligen Weitergabe von Umgebungsvariablen an externe Services. Die Tatsache, dass eine derart prominente und weit verbreitete Software diese grundlegenden Datenschutzprinzipien missachtet, gibt Anlass zur Sorge.
Es wirft eine ethische Frage auf, die über die reine Technologie weit hinausgeht: Warum existiert in der Entwicklung von Software kein analoges „Hippokratisches Gelöbnis“, das die Entwickler verpflichtet, sensibel mit den Daten der Nutzer umzugehen? In Bereichen wie Medizin oder Recht gibt es feste ethische Grundlagen, die den Umgang mit Informationen regeln. Warum sollte Softwareentwicklung mit Nutzerdaten nicht ebenso Anerkennung für den verantwortungsvollen Schutz dieser Daten finden? Anwendungen wie Postman zeigen, dass der Markt hier bisher eine große Lücke aufweist und dass vertrauliche Daten scheinbar als Rohmaterial für Analysen und Geschäftsmodelle betrachtet werden, ohne dass die Nutzer transparent und ausdrücklich zugestimmt haben. Für Unternehmen und Einzelanwender bedeutet das, noch bewusster zu prüfen, welche Tools im Arbeitsalltag verwendet werden. Gerade bei der Entwicklung und dem Test von Anwendungen, in denen sensible Daten wie Passwörter, Zugangstoken oder personenbezogene Informationen verarbeitet werden, ist es zwingend geboten, nicht blind auf den Komfort eines Tools zu vertrauen. Alternativen oder ergänzende Lösungen, die tatsächlich Wert auf Datenschutz legen, wie zum Beispiel der Einsatz von lokalen Tools ohne automatische Datenübertragung, sollten bevorzugt werden.
Auch das Nutzen von eigenen Servern für das Testing oder das Verzichten auf Cloud-Lösungen, bei denen nicht klar ist, wie die Daten verarbeitet werden, ist in manchen Szenarien die bessere Wahl. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Postman in puncto Datenschutz bisher gravierende Schwächen zeigt, die informierte Anwender kennen sollten. Die inoffizielle Protokollierung aller eingegebenen Geheimnisse und Umgebungsvariablen ist eine gefährliche Schwachstelle, die nicht nur Sicherheitslücken öffnet, sondern auch das Vertrauen der Nutzer nachhaltig erschüttert. Wer mit sensiblen Daten arbeitet, sollte dies als Warnsignal verstehen und entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen. Technische Mittel wie das Blockieren von Tracking-Domains oder der Einsatz spezieller Proxy-Tools können kurzfristig helfen, ersetzen jedoch nicht die Verantwortung der Softwarehersteller, den Schutz sensibler Daten als oberste Priorität zu behandeln.
Letztlich ist es ein Appell an die gesamte Entwicklergemeinschaft, ethische Grundsätze im Umgang mit Nutzerdaten zu verankern und Softwareprodukte so zu gestalten, dass sie Sicherheit und Datenschutz automatisch mitliefern. Solange solche Bestrebungen nicht konsequent umgesetzt werden, müssen Nutzer wachsam bleiben und proaktiv handeln, um ihre digitalen Geheimnisse und sensiblen Informationen zu schützen.