Die Frage der Einwanderung prägt seit Jahrzehnten die politische und gesellschaftliche Debatte in Großbritannien. Besonders in jüngster Zeit hat sich der Diskurs durch politische Äußerungen und gesellschaftliche Entwicklungen verschärft und polarisiert. Der Ausdruck „One of the Good Ones“ – auf Deutsch etwa „einer der Guten“ – taucht immer wieder auf, um bestimmte Einwanderergruppen positiv hervorzuheben. Doch dieser Begriff birgt eine komplexe Bedeutung und öffnet einen Blick auf tiefsitzende Vorurteile und die historische Verantwortung Großbritanniens gegenüber eingewanderten Gemeinschaften. Die jüngsten Erklärungen von Premierminister Keir Starmer, der warnte, Großbritannien könne zu einer „Insel der Fremden“ werden, haben die Debatte erneut entfacht.
Sie zeigen, wie sehr in Teilen der Gesellschaft Ängste vor einer Überfremdung existieren. Dabei wird selten berücksichtigt, wie viel die britische Geschichte von Migration geprägt ist – und wie sehr die Nation auf die Beiträge von Einwanderern angewiesen ist, gerade in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und humanitärer Hilfe. Seit Jahren steigt die Nettozuwanderung in das Vereinigte Königreich. Besonders auffällig sind die Zuzüge im Arbeitssektor, etwa im Gesundheitswesen, aber auch durch internationale Studierende, deren Gebühren für viele britische Bildungseinrichtungen essenziell sind. Hinzu kommt ein deutlicher Anstieg humanitärer Migration aufgrund globaler Konflikte und politischer Krisen.
Seit 2020 haben vor allem die politischen Umbrüche in Hongkong und der Krieg in der Ukraine zu einer verstärkten Migration geführt. Rund 150.000 Menschen aus Hongkong und etwa 200.000 aus der Ukraine haben in den letzten Jahren eine neue Heimat in Großbritannien gefunden. Diese Zahlen machen deutlich, dass Migration nicht nur ein demografisches Phänomen ist, sondern auch direkten Einfluss auf die Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur hat.
Doch trotz dieser positiven Aspekte wird Migration häufig verzerrt dargestellt – oftmals in Form einer Bedrohung durch „Fremde“. In diesem Zusammenhang wird der Ausdruck „One of the Good Ones“ problematisch, denn er suggeriert, dass einige Migranten akzeptiert oder sogar willkommen sind, während andere kategorisch ausgeschlossen oder abgewertet werden. Der Begriff ist nicht neu; er wird seit Jahrzehnten verwendet und begleitet häufig rassistische oder ausgrenzende Narrative. Einwanderer, die als „gut“ angesehen werden, entsprechen oft bestimmten Vorstellungen von Bildungsstand, Beruf oder Herkunft. Damit wird implizit eine Hierarchie der Migration geschaffen, die andere Gruppen abwertet.
Dass jemand als „gut“ gelten kann, impliziert die Möglichkeit, als „nicht gut“ abgestempelt zu werden. Dies trägt dazu bei, rassistische Stereotype zu vertiefen und soziale Spaltungen zu verfestigen. Die persönliche Geschichte vieler Familien aus Hongkong und anderen Teilen des Commonwealth zeigt die Ambivalenz dieses Status deutlich. Obwohl sie einen wertvollen Beitrag zur britischen Gesellschaft leisten, erfahren sie trotz allem oft Ausgrenzung und Vorurteile. Ein Beispiel dafür ist die chinesische Gemeinde in Liverpool, die seit dem 19.
Jahrhundert in der Stadt verwurzelt ist. Während des Zweiten Weltkriegs spielten chinesische Seeleute eine entscheidende Rolle, doch nach Kriegsende führte Rassismus zu massenhaften Zwangsrückführungen, Familien wurden getrennt, und das Geschehen wurde von Behörden verschleiert. Dieses Kapitel der Geschichte verdeutlicht, dass Großbritannien von den Leistungen eingewanderter Bevölkerungsgruppen profitierte, ohne im Gegenzug die notwendige Anerkennung oder Unterstützung zu bieten. Die koloniale Vergangenheit und das Erbe des Empire stehen in engem Zusammenhang mit heutigen Migrationsbewegungen und deren Wahrnehmung. Viele Menschen profitieren von den wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen, die aus der Kolonialepoche resultieren, doch wenn es um Verantwortung und Integration geht, wird häufig die historische Schuld geleugnet oder ignoriert.
Zugleich offenbaren diese Entwicklungen auch eine paradoxe Haltung im Land: Die multikulturelle Vielfalt wird vielfach als Bereicherung angesehen, doch gleichzeitig wächst die Angst vor einer vermeintlichen Überfremdung. Diese Dilemmata spiegeln sich in der kontroversen Rede um Chinatowns, indische Curry-Restaurants und andere kulturelle Ausdrucksformen wider. Während diese Orte gefeiert werden, steigt die Skepsis gegenüber der Migration, die sie erst ermöglicht hat. Eine kritische Auseinandersetzung mit Einwanderung in Großbritannien muss daher sowohl die historischen Zusammenhänge einbeziehen als auch die gegenwärtigen sozialen und wirtschaftlichen Realitäten reflektieren. Migration ist kein vorübergehendes Phänomen, sondern ein dauerhafter Bestandteil der nationalen Identität und des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Die Notwendigkeit, das Bild von Einwanderern als „gute“ oder „schlechte“ zu überwinden, ist zentral, um gemeinsame Werte und ein friedliches Zusammenleben zu fördern. Die sprachliche Kategorisierung nach „One of the Good Ones“ trägt letztlich zur Spaltung bei, anstatt zu verbinden. Stattdessen sollte der Fokus auf der Anerkennung der Vielfalt, der Förderung von Integration und dem Abbau von Vorurteilen liegen. Politisch gesehen stellt die Immigration eine Herausforderung für Regierungen dar. Die Balance zwischen Begrenzung des Zuzugs, Sicherstellung von Integration und Einhaltung humanitärer Verpflichtungen ist schwer zu finden.
Oftmals neigen politische Parteien – sei es konservativ oder vermeintlich progressiv – dazu, populistische Narrative zu bedienen, um Wählerstimmen zu gewinnen, anstatt langfristige Lösungen zu erarbeiten. Die Politik sollte jedoch die positiven Beiträge aller Migrantinnen und Migranten anerkennen und die gesellschaftliche Teilhabe verbessern. Obwohl die Verantwortung für die gesellschaftliche Akzeptanz von Einwanderern nicht allein bei den politisch Handelnden liegt, spielen diese doch eine wesentliche Rolle dabei, welche Narrative öffentlich akzeptiert werden. Der Diskurs darüber, wer „dazugehört“ und wer nicht, muss dringend neu gestaltet werden. Die Betonung auf Gemeinsamkeiten statt auf Unterschiede kann Barrieren abbauen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
Nicht zuletzt zeigt die Erfahrung vieler Zuwanderer, dass der Status als „One of the Good Ones“ keineswegs garantiert ist. Historische Rückschläge, Rassismus und Diskriminierung gehören für viele zum Alltag. Die Gesellschaft muss sich daher ihrer eigenen Vorurteile bewusst werden und eine Atmosphäre schaffen, in der alle Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion ihren Platz finden können. Großbritannien hat eine lange Geschichte der Migration, die das Land sozial, kulturell und wirtschaftlich mitgestaltet. Die Herausforderung ist es, dieser Realität gerecht zu werden, sie nicht zu ignorieren oder zu verzerren.
Migration ist kein Problem, sondern eine Chance – und nur wenn das Land offen und ehrlich mit seiner Geschichte und den aktuellen Entwicklungen umgeht, kann ein inklusives und gerechtes Zusammenleben gelingen. Der Diskurs um „One of the Good Ones“ sollte daher als Weckruf verstanden werden. Es ist notwendig, die Komplexität von Migration und Integration anzuerkennen und Begriffe zu vermeiden, die spalten und ausgrenzen. Nur so kann Großbritannien der viel beschworenen „Insel der Fremden“ begegnen und zu einer offenen, vielfältigen Gesellschaft werden, in der alle Menschen willkommen sind und wertgeschätzt werden.